Trump deutet Sinneswandel bei Tiktok an
Tiktok kämpft vor dem US Supreme Court gegen das US-Verbot. Eines der Argumente: Der designierte Präsident wolle Tiktok retten.
(Bild: Camilo Concha/Shutterstock.com)
"Ich werde Tiktok retten", hat der designierte US-Präsident Donald Trump am 12. November gesagt. Das bemüht Tiktok nun in einem Eilantrag an den US Supreme Court als eines seiner Argumente. Das Höchstgericht soll laut Antrag das gesetzliche Tiktok-Verbot für verfassungswidrig erklären, das am 19. 1. 2025 greifen soll – einen Tag vor Donald Trumps Amtsantritt als US-Präsident.
Am Montag hat Trump nachgelegt: "Ich habe einen warmen Platz in meinem Herzen für Tiktok." Das ist eine Kehrtwende zu seinem Vorgehen als US-Präsident vor gut vier Jahren. Damals verfügte Trump ein Verbot Tiktoks und Wechats, das später von seinem Amtsnachfolger Joe Biden aufgehoben wurde. Doch dann trat der US-Gesetzgeber auf den Plan: Beide US-Parteien beschlossen gemeinsam mit deutlicher Mehrheit ein Gesetz, das Tiktok verbietet.
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Dieses Gesetz bekämpft Tiktok gerichtlich, bislang ohne Erfolg. Das Gesetz sieht vor, dass Tiktok direkt zum Bundesberufungsgericht für den Hauptstadtbezirk DC gehen musste, was das Unternehmen auch getan und dort verloren hat. Eine ordentliche Berufung schließt das Gesetz aus. Das in erster und letzter Instanz zuständige Berufungsgericht hat aber nach eigenem Bekunden besonders flott gearbeitet, um Tiktok einen Eilantrag an den Supreme Court zu ermöglichen. Einen Aufschub hat das Gericht aber abgelehnt. Daher versucht Tiktok es nun beim US Supreme Court. Allerdings hat Tiktok keinen Rechtsanspruch, dort angehört zu werden; das Höchstgericht nimmt nur einen Bruchteil aller Anträge tatsächlich zur Verhandlung an.
Eilantrag auf Aufschub
Der Eilantrag vom Montag soll zunächst Aufschub erwirken, um keine vollendeten Tatsachen zu schaffen. Gewährt das Höchstgericht den Aufschub, können die Höchstrichter in Ruhe darüber nachdenken, ob sie den Fall annahmen wollen. Und in der Zwischenzeit erübrigt sich die Sache vielleicht, hat Trump doch neuerdings vor, den Videodienst nicht mehr zu verbieten, sondern zu retten.
Trump sieht sich insbesondere bei jungen Wählern erfolgreich und schreibt das auch Sozialen Netzen zu. "Ich habe bei der Jugend mit 34 Punkten Vorsprung gewonnen und es gibt Leute, die sagen Tiktok habe damit etwas zu tun", sagte Trump am Montag. Tatsächlich lag seine Gegenkandidatin Kamala Harris laut Wahlforschern in dieser Gruppe mit sechs Prozentpunkten vorne, doch konnte Trump vor allem bei jungen Männern Boden gutmachen.
Tiktok und dessen chinesischem Mutterkonzern Bytedance kann es egal sein, die öffentliche Unterstützung ist ein nettes Argument vor dem Supreme Court. Zwar kann Trump als US-Präsident das Gesetz nicht eigenmächtig aufheben, aber er könnte unter bestimmten Bedingungen die Frist um 90 Tage verlängern. Vor allem aber hat er Einfluss auf die Behörden, die das Gesetz durchzusetzen hätten. Der neue Präsident könnte seinen Justizminister und obersten Staatsanwalt öffentlich dazu anhalten, Tiktoks US-Dienstleister gewähren zu lassen. Sofern sich diese darauf verlassen, dass die Behörden alle Hühneraugen zudrücken, würde Tiktok trotz gesetzlichen Verbots weiterlaufen wie gehabt.
Tiktok: "Gesetz ist mehrfach verfassungswidrig"
"Es wäre in niemanden Interesses [–] weder der Streitparteien, der Öffentlichkeit, noch der Gerichte [–], wenn das gesetzliche Verbot Tiktoks in Kraft träte, bevor die Regierung die Durchsetzung nur Stunden, Tage oder Wochen später stoppt", schreibt Tiktok an den Supreme Court. Natürlich führt das Unternehmen noch härtere, juristische Argument ins Treffen. Der Dienst werde von 170 Millionen US-Amerikanern genutzt, die sich damit öffentlich äußerten. Der erste Zusatzartikel der US-Verfassung garantiere die Redefreiheit, weshalb das Verbot verfassungswidrig sei. Weder Gesetzgebung noch Regierung hätten gezeigt, in welcher Weise Tiktok-Inhalte von China aus manipuliert würden.
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Zudem liege Ungleichbehandlung vor, da das Gesetz andere Anwendungen explizit vom Verbot ausnehme – und Tiktok meint wenig überraschend, dass diese Mitbewerber ein mindestens ebenso großes Risiko für die Nationale Sicherheit der USA darstellten. Da Tiktok und Bytedance im Gesetz namentlich genannt werden, handle es sich um eine Verurteilung per Gesetz, sowie um eine ersatzlose Enteignung – beides von der US-Verfassung ausdrücklich verboten. Und überhaupt gäbe es gelindere Mittel als ein Verbot, die Ziele des Gesetzes zu erreichen. Die Betriebseinstellungen in den USA würde Bytedance nicht wieder gutzumachenden Schaden zufügen.
Tiktok habe in langer Zusammenarbeit mit der US-Behörde CFIUS (Committee on Foreign Investment in the United States) einen Plan ausgearbeitet, um die Bedenken hinsichtlich Nationaler Sicherheit auszuräumen. Zu den beabsichtigten Maßnahmen gehörte demnach ein über Daten von US-Nutzern wachendes Aufsichtsgremium, dessen Mitglieder die US-Regierung genehmigen müsste. Das Abkommen hätte US-Nutzer laut Tiktok vor ausländischer Einflussnahme auf Moderation, Algorithmen und Quellcode schützen sollen. Die Firma will auch schon mit der Umsetzung einiger Maßnahmen begonnen und dafür mehr als zwei Milliarden US-Dollar ausgegeben haben. Doch hätten das CFIUS die Zusammenarbeit aufgegeben und der Gesetzgeber das Verbot erlassen.
Verkaufsoption ist utopisch
Theoretisch kennt das Gesetz einen Ausweg: Bytedance müsste Tiktok in den nächsten fünf Wochen an einen US-Käufer veräußern, dürfte dann aber keine Daten mit dem verkauften Betrieb teilen und auch hinsichtlich des Algorithmus zur Empfehlung von Inhalten nicht kooperieren. Dieser Algorithmus gilt als das geheime Erfolgsrezept Tiktoks. Die Volksrepublik China hat seinen Export bereits verboten, Bytedance kann ihn also gar nicht an einen US-Käufer veräußern. Ohne Algorithmus ist Tiktok nur wenig wert.
Dieser Restwert würde durch die gesetzlich verlangte Trennung der Inhalte in "amerikanische" und "sonstige" gegen null reduziert, zumal die amerikanischen User gerne ausländische Kurzvideos konsumieren. Überhaupt, meint Bytedance, sei der Verkauf in der vorgesehenen Frist unmöglich. Niemand könne den umfangreichen Sourcecode ohne seine chinesischen Programmierer verstehen und nutzen. Damit sei der Verkauf nicht nur rechtlich und wirtschaftlich unmöglich, sondern auch technisch.
Das Verfahren vor dem US Supreme Court heißt Tiktok et Bytedance v Merrick B. Garland, Az. 24A587. Zusätzlich haben sich einige Tiktok-Nutzer an den Supreme Court gewandt, dieses Verfahren heißt Brian Firebaugh v Merrick B. Garland, Az. 24A588.
(ds)