Österreichs Polizei darf Handy nur mit Gerichtsbeschluss durchsuchen, außer…
Österreich saniert die verfassungswidrige Durchsuchung von Handys und anderen Datenträgern. Jetzt geht das nur noch mit Gerichtsbeschluss – mit Ausnahmen.
(Bild: Elnur/Shutterstock.com)
Österreich stärkt die Bürgerrechte in Strafverfahren, sowohl was Opfer und Täter als auch Zeugen anbelangt. Im Zentrum steht dabei eine Neuregelung der Beschlagnahme von Daten, gemeinhin Handydurchsuchung genannt, auch wenn es keineswegs nur um Handys geht. Diese Beschlagnahmen samt Pflicht zur Preisgabe von Passwörtern sind seit dem Jahreswechsel grundsätzlich nur mit Gerichtsbeschluss möglich. Auch was danach mit Daten und Geräten geschieht, hat sich wesentlich geändert.
Bislang reichte schon der reine Anfangsverdacht, es könnte eine Straftat vorgefallen sein, um Datenträger wie Smartphones bei Bürgern sicherzustellen und die Preisgabe von Passwörtern zu erzwingen – selbst, wenn die Betroffenen gar nicht verdächtig sind. Von sichergestellten Geräten durfte dann auch auf Daten zugegriffen werden, die anderswo gespeichert sind, in der Regel online. Ein Richterbeschluss war nicht erforderlich, es reicht eine Anordnung der Staatsanwaltschaft. Doch vor gut einem Jahr hat Österreichs Verfassungsgerichtshof (VfGH) Handydurchsuchungen ohne Gerichtsbeschluss als verfassungswidrig erkannt.
Das machte eine Neuregelung notwendig, sonst hätten Datenträger ab 2025 überhaupt nicht mehr sichergestellt und durchsucht, die Preisgabe von Passwörtern nicht mehr erzwungen werden können. Mitte Dezember haben beide Kammern des Parlaments mit den Stimmen der Regierungsparteien ÖVP und Grüne sowie der Oppositionsparteien SPÖ und NEOS im Dezember eine Novelle der Strafprozessordnung verabschiedet, die grundsätzlich Gerichtsbeschlüsse erfordert und sich statt auf Sicherstellung von Geräten auf die Beschlagnahme von Daten konzentriert. Nur die Abgeordneten der oppositionellen FPÖ haben dagegen gestimmt, weil ihnen die Schutzmaßnahmen zu kurz greifen.
Drei Ausnahmen
Von der Erfordernis des Gerichtsbeschlusses gibt es drei große Ausnahmen: Ist Gefahr im Verzug, darf die Kriminalpolizei in bestimmten Fällen sofort zugreifen. Wer Aufnahmen aus Ton- und/oder Videoüberwachung öffentlicher oder öffentlich zugänglicher Orte hat, muss diese auch ohne Gefahr in Verzug und ohne Gerichtsbeschluss herausrücken. Und sogenannte "punktuelle" Daten fallen ebenfalls nicht unter den Richtervorbehalt. Das sind "Daten, die bloß ein punktuelles Bild über das Verhalten" Betroffener ermöglichen. Von dieser Ausnahme gibt es aber wieder eine Ausnahme: Der Zugriff auf "Daten einer Nachrichtenübermittlung, geographische Standorte sowie gesendete, übermittelte oder empfangene Nachrichten" ist nur mit Gerichtsbeschluss durchsetzbar, selbst wenn die Daten nur punktuell Auskunft geben.
Handydurchsuchungen sind deshalb grundrechtlich so brisant, weil sie tiefen Einblick in den privaten Lebenswandel von Menschen erlauben. Bei Daten über punktuelles Verhalten ist das nicht der Fall. Doch sind zwischen Personen ausgetauschte Nachrichten besser geschützt (Briefgeheimnis), und selbst die Offenlegung eines einzelnen Aufenthaltsortes kann tief in die Privatsphäre eingreifen. Daher muss auch dort ein unabhängiger Richter zustimmen.
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Für das österreichische Strafrecht ungewöhnlich gibt es jetzt ein Beweisverwertungsverbot: Das Ergebnis einer Datenauswertung darf nicht als Beweismittel genutzt werden, wenn die Ermittlungsmaßnahme nicht rechtmäßig angeordnet und bewilligt worden ist. Das umfasst aber kein Verwertungsverbot, wenn die Behörden die Daten auf andere Weise erhalten, etwa wenn Dritte in fremde System eindringen und dort gefundene Daten verraten, oder wenn ausländische Behörden Daten zumitteln. Es kommt auch kein Beweisverbot für Zufallsfunde, also Hinweise auf Rechtsverletzungen, nach denen die Ermittler gar nicht gesucht haben und die daher vom Gericht bei dessen Beschluss gar nicht berücksichtigt worden sind. Sogar Verwaltungsbehörden dürfen Datenauswertungen samt Zufallsfunden aus strafrechtlichen Ermittlungen für ihre eigenen Verfahren anfordern.
Keine Einschränkungen gibt es hinsichtlich der Schwere der möglicherweise verübten Straftat. Gerichte müssen lediglich sicherstellen, dass die Datenauswertung "verhältnismäßig" ist. Das überrascht angesichts der Ausführungen des VfGH.
Drei Schritte als Vorbereitung
Im Standardfall stellt seit dem Jahreswechsel die Staatsanwaltschaft einen begründeten Antrag an das zuständige Gericht auf Bewilligung der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten, parallel informiert sie den Rechtsschutzbeauftragten der Justiz. Der Antrag muss angeben, um welches Ermittlungsverfahren es sich handelt, soweit bekannt den Namen des Verdächtigen, um welche Tat es geht, und aus welchen Tatsachen sich ergibt, dass die Bewilligung voraussichtlich zur Aufklärung erforderlich und zudem verhältnismäßig ist. Schließlich muss der Antrag die Datenkategorien und Dateninhalte umschreiben, die die Ermittler untersuchen möchten, sowie angeben, auf welchen Zeitraum sich die Bewilligung beziehen soll.
Erteilt das Gericht die Bewilligung, kann die Staatsanwaltschaft die Kriminalpolizei mit der Durchführung der Beschlagnahme beauftragen. Betroffene erhalten dann eine Bestätigung und werden darüber informiert, dass sie bei Gericht die Aufhebung der Bewilligung beantragen können.
Der dritte Schritt ist die Herstellung einer Originalsicherung und einer Arbeitskopie derselben. Aus der Arbeitskopie werden Daten jener Kategorien herausgeholt, die von der gerichtlichen Bewilligung gedeckt sind. Sie werden in "einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat in strukturierter Form" bereitgestellt. Alle anderen Daten auf dem Datenträger bleiben unberührt, was im Vergleich zur bisherigen Praxis deutlich weniger private Informationen offenlegen soll. An dieser Stelle kann der Datenträger den Betroffenen in vielen Fällen zurückgegeben werden, sofern nicht die Hardware selbst als Beweismittel eine Rolle spielen könnte oder unklar ist, wem die Sache zusteht.