US-Urteil begräbt Netzneutralität: Internet ist keine Telekommunikation
Erfolg für Gegner von Verbraucherschutz in den USA: Die Telecom-Behörde darf nicht bestimmen, was "telecommunications" ist. Damit fällt die Netzneutralität.
Die US-Netzneutralität ist abgeschafft. Ein Bundesberufungsgericht des Landes hat am Donnerstag entschieden, dass Internetzugang nicht unter den Begriff "telecommunications" fällt, und mobile Breitbanddienste als private Funkdienste wie von Taxizentralen oder Lkw-Fahrern einzustufen sind. Damit ist die Regulierungsbehörde FCC (Federal Communications Commission) unzuständig, ihre Netzneutralitätsverordnung unwirksam.
Mit der Netzneutralität stellte die FCC drei Gebote für im Einzelhandel für den Massenmarkt angebotene Breitband-Internetzugänge auf, egal ob Festnetz oder mobil:
- Keine Websperren für rechtmäßige Inhalte, Anwendungen, Dienste oder unschädliche Geräte.
- Keine Tempobremsen (throttling) für "legalen Internetverkehr" auf Basis rechtmäßiger Inhalte, Anwendungen, Dienste oder unschädlicher Geräte.
- Keine Bevorzugung legalen Internetverkehrs gegenüber anderem legalen Internetverkehr im Austausch gegen Zuwendungen jeglicher Art. Auch eigene Inhalte und Dienste sollten die Breitbandanbieter nicht bevorzugen.
Hinzu trat eine allgemeinere Wohlverhaltensregel. Diese Regeln wurden 2015 eingeführt, als die Demokraten unter US-Präsident Barack Obama eine Mehrheit in der FC-Kommission hatten. Ein früherer Ansatz aus dem Jahr 2005 wurde 2010 wegen eines Formfehlers aufgehoben. Auch gegen die 2015 beschlossene Netzneutralität gingen große US-Netzbetreiber vor Gericht, jedoch ohne Erfolg. Der Beschluss war rechtskonform. Dennoch wurde die Netzneutralität unter Präsident Donald Trump aufgehoben, doch hat die FCC unter dem derzeit amtierenden Präsidenten Joe Biden im April 2024 die Netzneutralität wieder eingeführt. Erneut zogen Netzbetreiber dagegen vor Gericht. Dieses Mal mit Erfolg, der aber wenig mit der Netzneutralität selbst zu tun hat.
Republikaner gegen Regulierung schlechthin
Während die US-Bevölkerung und die Partei der Demokraten mit deutlicher Mehrheit für Netzneutralität eintreten, sind große Netzbetreiber und die Partei der Republikaner dagegen. Ihr nunmehriger Erfolg beruht auf einem noch viel tiefgreifenderen Sieg jenes Teils der Trump-Bewegung, der Behörden generell abschaffen oder zumindest dezimieren möchte: Ihr ist es durch eine Entscheidung des US Supreme Court gelungen, Bundesbehörden grundlegend zu schwächen.
40 Jahre lang waren US-Bundesbehörden dafür zuständig, unklare Begriffe in ihren jeweiligen Fachgesetzen auszulegen, also beispielsweise die Umweltschutzbehörde EPA im Umweltschutzrecht, die Luftfahrtbehörde FAA im Luftfahrtrecht oder die FCC im Telecomrecht. Das hat der US Supreme Court 1984 in der sogenannten Chevron-Entscheidung klargestellt. Soweit die Interpretation der Fachleute vernünftig (reasonable) oder vertretbar (permissible) war, haben Gerichte das Ergebnis bestehen lassen. Darauf hat sich der Gesetzgeber seither verlassen; die Fachleute in den Behörden verstehen die kniffligen Details ja besser als die Politiker.
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Doch im Juni 2024 hat die Republikaner-Mehrheit im Supreme Court diese Grundsatzentscheidung aufgehoben und umgedreht (Loper Bright Enterprises v. Raimondo). Seither haben Gerichte viel mehr Macht und können die Interpretation der Fachbehörden selbst dann verwerfen, wenn sie nachvollziehbar und vernünftig (reasonable) waren.
Gericht: Internet fällt nicht unter "telecommunications"
Diese Möglichkeit hat das Bundesberufungsgericht für den sechsten Bundesberufungskreis jetzt genutzt. Es hat entschieden, dass Breitbandinternetzugang nicht unter den Begriff "telecommunications" fällt. Im selben Urteil hat das Gericht entschieden, dass mobile Breitbanddienste kein "commercial mobile service", sondern vielmehr ein "private mobile service" sind, so wie Funkbetrieb von Taxizentralen oder Lkw-Fahrern. Damit entzieht das Gericht der FCC die Möglichkeit, Breitbanddiensten Auflagen zu machen.
"Verbraucher aus dem ganzen Land haben und wieder und wieder gesagt, dass sie ein Internet wollen, das schnell, offen und fair ist", kommentiert FCC-Vorsitzende Jessica Rosenworcel von den Demokraten das Urteil, "Mit dieser Entscheidung ist klar, dass das Parlament jetzt den Ruf (der Verbraucher) hören, sich für Netzneutralität einsetzen und die Prinzipien des offenen Internets in Bundesrecht umsetzen muss." Die Aussichten darauf sind allerdings bescheiden, da Republikaner die Mehrheit in beiden Kammern des US-Parlaments stellen. Ihr führender Vertreter in der FCC, Brendan Carr, stellt Netzneutralität als "President Biden's Internet power grab" dar.