Patente: EU bringt Streit mit China über Hightech-Lizenzgebühren vor die WTO

Die EU-Kommission hat Konsultationen bei der WTO beantragt, um die "unfairen und illegalen Handelspraktiken Chinas" im Bereich essenzieller Patente zu stoppen.

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(Bild: TierneyMJ/Shutterstock.com)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Die EU eröffnet eine neue Front in den auf mehreren Ebenen stattfindenden Auseinandersetzungen über standardessenzielle Patente (SEP). Die EU-Kommission hat nach eigenen Angaben Konsultationen bei der Welthandelsorganisation (WTO) beantragt, um "unfaire und illegale Handelspraktiken Chinas" auf diesem heiklen Gebiet beim Schutz von Immaterialgüterrechten zu unterbinden. Der Vorwurf: Peking habe nationalen Gerichten die Befugnis erteilt, weltweit verbindliche Lizenzgebühren für SEP von EU-Unternehmen festzulegen, "ohne dass der Patentinhaber seine Zustimmung einholen muss". Dies setze innovative europäische Tech-Firmen unter Druck, ihre Gebühren weltweit zu senken. Zugleich erhielten chinesische Hersteller so "einen günstigeren Zugang zu diesen europäischen Technologien".

SEP spielen etwa für Mobilfunktechnologien mit 5G, WLAN und NFC, Audio- und Videokompression, Datenformate wie JPEG sowie die Interoperabilität von Audio- und Videoanwendungen eine wichtige Rolle. Vor allem im Mobilfunksektor wird seit vielen Jahren mit harten Bandagen ein Patentkrieg geführt, der mittlerweile etwa auch auf die Automobilindustrie übergeschwappt ist. Die Kommission sieht europäische Mobilfunkausrüster wie Ericsson und Nokia oder Patentverwerter wie Conversant Wireless nun weiter ins Hintertreffen geraten, wenn deren geschützte Technologien etwa von chinesischen Konkurrenten wie Huawei, ZTE oder Xiaomi ohne angemessenen finanziellen Ausgleich genutzt werden.

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Die chinesische Rechtspraxis greift laut der Brüsseler Regierungsinstitution auch unangemessen in die Zuständigkeit der EU-Gerichte für europäische Patentfragen ein. Sie zeigt sich überzeugt, dass eine solche Handhabe unvereinbar mit dem WTO-Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) sei. Da China keine zufriedenstellende Verhandlungslösung vorgeschlagen habe, sei die EU gezwungen, den entsprechenden ersten Schritt eines Streitbeilegungsverfahrens bei der WTO in die Wege zu leiten. Europäische Hightech-Industrien – insbesondere im Telekommunikationsbereich – müssten ihre Patentrechte "wirksam ausüben und ihre Investitionen in Innovationen schützen können".

Führen die Konsultationen binnen 60 Tagen nicht zu einer angemessenen Lösung, kann die EU in die Prozessphase eintreten. Die WTO müsste dann ein gerichtsähnliches Panel zur Entscheidung der Sache einrichten. Die Eingabe ist eng verknüpft mit einer weiteren: Bereits 2022 leitete die EU bei der WTO ein Verfahren gegen China ein, um Fragen im SEP-Bereich klären zu lassen. Darin wirft sie Peking ebenfalls vor, den Rechtsschutz von EU-Firmen in Auseinandersetzungen über SEP einzuschränken: Die Betroffenen dürften sich auch nicht an ein ausländisches Gericht wenden, um ihre Patentansprüche durchzusetzen. Das in diesem Fall (Az.: DS 611) eingerichtete WTO-Panel wird voraussichtlich noch in diesem Quartal einen Bericht vorlegen.

SEP sind für die Produktion von Gütern wie Mobiltelefonen, die bestimmten internationalen Standards entsprechen sollen, unerlässlich. Die Inhaber standardessenzieller Patente sind daher grundsätzlich verpflichtet, einem Interessenten eine Lizenz zu "fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen" (FRAND) einzuräumen. Umstritten ist aber häufig, wie diese Konditionen ausfallen und wer eine geschützte Technik lizenzieren muss. Oft landen einschlägige Dispute vor Gericht. In der EU will die Kommission parallel mit einer umstrittenen Verordnung Probleme beheben, die oft bei der Lizenzierung solcher elementarer Rechtsansprüche auftreten. So soll etwa ein SEP-Register eingerichtet werden. Darin eingetragene Schlüsselpatente würden einer Prüfung unterzogen, ob sie wirklich entscheidend für einen Standard sind. Auch feste Gebührensätze sind vorgesehen.

(olb)