Achtung Betrug: Gebrauchte Festplatten als neu verkauft
Bei mindestens zwei Händlern sind gebrauchte Seagate-Laufwerke als Neuware verschickt worden. Unklar ist bislang, wie die Platten in die Lieferkette kamen.
(Bild: Postmodern Studio/Shutterstock.com)
Bei der Suche nach neuen Laufwerken für sein NAS hatte unser Leser Florian E. Anfang Januar bei einem deutschen Onlinehändler zwei Seagate-Exos-Festplatten erworben, die Modellbezeichnung lautet ST14000NM005G. Beim Auspacken dieser 14-TByte-Laufwerke entdeckte er zwar ein paar kleine Beschädigungen am Gehäuse, dachte sich aber nichts weiter dabei. Die SMART-Werte waren unauffällig, die SMART-Tests liefen durch, es gab keine Fehler.
Nach einigen Tagen überprüfte er die Platten erneut mit den smartmontools, diesmal aber mit einer Option, die weitere Diagnosedaten hervorbringt. Seagate sammelt bei seinen Server-Laufwerken sogenannte FARM-Werte (Field Accessible Reliability Metrics), die etwa in NAS-Gehäusen von Synology ausgewertet werden.
Laut diesen Daten hatten die Laufwerke bereits 10.000 beziehungsweise 15.000 Stunden auf dem Buckel.
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Er reklamierte die Laufwerke und bestellte bei einem anderen Händler Ersatz, diesmal das Modell ST16000NM001G mit 16 TByte. Auch hier fand er minimale Gebrauchsspuren am Gehäuse. Schlimmer aber: Laut smartmontools waren diese Laufwerke sogar bereits 22.000 Stunden gelaufen.
Bei allen vier Laufwerken handelt es sich laut der Seagate-Garantieabfrage zudem um OEM-Laufwerke, für die nur die gesetzliche Gewährleistungspflicht des Händlers gilt, nicht aber die übliche fünfjährige Garantie. Darauf hatten die Händler nicht hingewiesen.
In beiden Fällen waren die Platten von den Händlern als neu deklariert; es handelte sich nicht um von Seagate selbst generalüberholte Festplatten, wie sie der Hersteller als "Factory Recertified" und mit einem speziellen grünen Aufkleber verkauft.
Seagate bestätigte auf Anfrage, dass SMART-Werte von Festplatten zurückgesetzt werden können und die echten Laufzeiten in den FARM-Werten wahrscheinlich korrekt sind. Weitere Informationen, wie diese Laufwerke in den Handel gekommen sind, konnte das Unternehmen jedoch nicht beisteuern. Seagate ist in Kontakt mit einem der betroffenen Händler, um die Situation aufzuklären und weiteren Vorfällen vorzubeugen.
Bestellt und storniert
Beim ersten Händler waren die betroffenen Laufwerke bereits nicht mehr lieferbar, die 16-TByte-Platten aber waren noch verfügbar. Wir haben vergangene Woche verdeckt zwei davon bestellt.
Doch am gestrigen Tag bekamen wir unser Geld zurück; zudem erreichte uns eine Mail, dass die Bestellung storniert sei. Auf unsere verwunderte Nachfrage nach dem Grund verlautete der Händler, dass man "bei der obligatorischen Qualitätskontrolle feststellen [musste], dass die uns gelieferte Ware anscheinend keine Neuware, sondern aufbereitete Gebrauchtware ist". Deswegen habe man die Bestellung storniert. Nun gut, die obligatorische Kontrolle hatte in diesem Fall wohl ein Kunde durchgeführt …
OEM-Problem
Immer wieder erreichen uns Hinweise von Lesern, dass Händler anstelle eines für den Einzelhandel bestimmten Produkts mit Herstellergarantie sogenannte Bulk- oder OEM-Ware liefern. Für diese gilt nur die gesetzliche Gewährleistungspflicht des Händlers. Viele Händler nehmen OEM-Ware auch zurück, sehen sich aber außerstande, ausdrücklich für den Einzelhandel bestimmte Festplatten zu liefern.
Weshalb das so ist, konnten wir bisher nicht wirklich klären. Die Hersteller behaupten, solche Produkte seien über autorisierte Distributoren (Zwischenhändler) lieferbar. Manche Einzelhändler behaupten, das sei nicht der Fall.
Wo kaufen?
Wer halbwegs auf Nummer Sicher gehen will, kauft bei den Herstellern direkt ein, muss dann aber meistens höhere Preise zahlen. Die Hersteller nennen zudem eine Reihe von offiziellen Händlern. Bei Toshiba und Western Digital muss man zunächst das passende Land auswählen, Seagate macht es seinen Kunden mit einer Liste deutscher Händler auf der deutschen Website deutlich einfacher.
Aber auch wenn man die Laufwerke von einem offiziellen Händler kauft, kann man hereinfallen – einer der beiden betroffenen Händler steht auch auf der Seagate-Liste. Daher empfehlen wir, anhand der Seriennummer zu überprüfen, ob die Laufwerke vielleicht OEM-Laufwerke sind oder ob sie beispielsweise schon vor geraumer Zeit in den Handel gekommen und damit die Garantie eventuell bereits abgelaufen ist.
Garantie-Check
Seagate: https://www.seagate.com/de/de/support/warranty-and-replacements/
Toshiba: https://www.storrepair.com/toshiba_products/
Western Digital: https://support-de.wd.com/app/Warranty_Status
Download smartmontools (Linux & Windows): https://www.heise.de/download/product/smartmontools-56954
Bislang haben wir noch keine Meldungen zu weiteren Fällen dieser Art bekommen. Die FARM-Werte einer Seagate-Festplatte lassen sich über die smartmontools mit dem Befehl smartctl -l farm /dev/sd[X] ermitteln. Falls Sie bei den Betriebsstunden auf Diskrepanzen zu den Ausgaben der Standard-Ausgabe mittels smartctl -a /dev/sd× stoßen, bitten wir um eine Mail mit den Details an ll@ct.de.
(ll)