Der Fall Senec und die Diskussion um die Sicherheit von PV-Speichern
Brandfälle haben Besitzer von PV-Heimspeichern verunsichert. Doch Experten sagen: Solarstrombatterien brennen seltener als Verbrenner- und E-Autos.
(Bild: Feuerwehr Bodnegg)
Das Drama um Senec nahm Anfang 2022 seinen Lauf: Binnen zweier Monate brannten drei Solarstromspeicher des Leipziger Herstellers in den Häusern ihrer Besitzer ab. In Bodnegg in der Nähe von Ravensburg drückte die Explosion der Batterie mehrere Fenster und Türen nach außen und hob den Dachstuhl an. Feuerwehrleute mit Atemschutzgeräten wuchteten den schwelenden Speicher aus dem Keller ins Freie, wo er sich erneut entzündete (siehe Bild oben). "Zum Glück befanden sich zum Zeitpunkt der Detonation keine Menschen im Gebäude, sodass niemand verletzt wurde", heißt es im Einsatzbericht der Feuerwehr.
Wenige Tage nach dem Brand in Bodnegg reagierte Senec mit einer radikalen Maßnahme: Über das Internet schaltete die EnBW-Tochterfirma Tausende Solarspeicher ihrer Kunden einfach ab. Später aktivierte sie die Geräte wieder, begrenzte jedoch die Speicherkapazität. Zahlreiche Kunden wollten sich damit nicht abfinden und verklagten Senec-Händler auf Erstattung des Kaufpreises. Viele dieser Klagen waren erfolgreich.
Trotz der Zwangsmaßnahmen aus der Ferne brannten weitere Senec-Speicher ab. Im Jahr 2023 verkündete das Unternehmen dann den Plan, bei insgesamt rund 100.000 ausgelieferten Speichern die Batteriemodule mit Nickel-Mangan-Cobalt- (NMC) oder Nickel-Cobalt-Aluminium-Zellen (NCA) durch neue Module mit Lithium-Eisenphosphat-Zellen (LFP) auszutauschen. Die Austauschaktion begann im Juli 2024. Anfang Januar 2025 waren nach Angaben von Senec 43.000 Speicher umgerüstet, bis zum Sommer sollen die restlichen folgen. Die Kosten der Aktion liegen "im niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich", wie eine Senec-Sprecherin auf Anfrage von c’t sagte.
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Die Brandfälle und die kostspielige Austauschaktion haben viele Besitzer von Heimspeichern und Kaufinteressenten verunsichert: Sind die Geräte gefährlich? Und sollte man LFP-Zellen bevorzugen?
Grundsätzlich häuften sich in den vergangenen Jahren die Berichte über Brände von Solarspeichern. Betroffen waren nicht nur Exemplare von Senec, sondern auch von anderen Herstellern. Doch um das Risiko einzuschätzen, muss man die Zahl solcher Fälle in Relation zur Zahl der installierten Speicher betrachten.
Genau das haben Forscher der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) getan. Da offizielle Statistiken in der Regel keine genauen Angaben zur Brandursache enthalten, suchten sie im Internet systematisch nach Berichten über Speicherbrände. Demnach gab es im Jahr 2022 in Deutschland Berichte über sechs solcher Vorfälle. Von Anfang 2023 bis November 2023 waren es 32 Fälle, hochgerechnet auf das ganze Jahr 2023 37,5. Die Forscher vermuten, dass 2023 aufgrund der größeren Aufmerksamkeit der Medien für das Thema die meisten Speicherbrände auch öffentlich bekannt wurden.
Ähnlich riskant wie Trockner
Die Zahl 37,5 teilten die Forscher durch 768.295, denn so viele Heimspeicher waren im Durchschnitt des Jahres 2023 laut Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur in Deutschland installiert. Im Ergebnis beziffern die Forscher die Wahrscheinlichkeit, dass ein Heimspeicher brennt, auf 0,0049 Prozent pro Jahr.
Mit ähnlichen Methoden berechneten die Forscher auch die Brandwahrscheinlichkeiten anderer Produkte. Bei Wäschetrocknern liegt das Risiko demnach mit 0,0037 Prozent auf einem ähnlichen Niveau wie bei PV-Speichern. Bei E-Autos kommen die Forscher auf 0,021 Prozent, bei Autos mit Verbrennungsmotor auf 0,089 Prozent. Das allgemeine Risiko eines Hausbrands sei mit 0,28 Prozent etwa 50-mal höher als bei einem Heimspeicher, betonen sie in ihrer Studie, die im Herbst veröffentlicht wurde.
Außer den RWTH-Forschern hat auch Ralf Haselhuhn von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) Berichte über Speicherbrände gesammelt. Der Ingenieur und Vorsitzende des DGS-Fachausschusses Photovoltaik kommt in seiner Statistik auf 18 Fälle im Jahr 2022, 49 im Jahr 2023 und 57 im Jahr 2024. Anders als die Forscher der RWTH habe er nicht nur im Internet recherchiert, sagt er im Gespräch mit c’t. "Ich erhalte auch Hinweise aus anderen Quellen, zum Beispiel direkt von Feuerwehren und Speicherbetreibern."
Haselhuhn betont, dass nicht in jedem Fall klar sei, ob der Speicher sich entzündet hat oder ein anderes Gerät im selben Raum den Brand ausgelöst habe. Denkbar seien zudem Installations- und Nutzungsfehler. Es komme zum Beispiel vor, dass Menschen die Speicher in Nischen einbauen oder mit Gerümpel zustellen und damit die Kühlung beeinträchtigen. "Aber in der Mehrzahl der Fälle war vermutlich der Speicher ursächlich", sagt Haselhuhn.
Doch auch, wenn man die höheren Fallzahlen des DGS-Experten zugrunde legt, bleibt die Wahrscheinlichkeit eines Speicherbrandes niedrig: Haselhuhn kommt in seiner Analyse auf 0,0097 Prozent für das Jahr 2024. "Das Risiko ist zum Glück extrem gering", betont er.
Auch LFP-Speicher können brennen
Bei der Frage, ob man LFP-Speicher grundsätzlich bevorzugen sollte, gibt es unterschiedliche Meinungen. Der Speicherhersteller Sonnen setzte von Anfang an ausschließlich auf LFP und begründet das unter anderem mit Sicherheitsvorteilen der Technik: NMC- oder NCA-Zellen erhitzten sich bei einem simulierten Kurzschluss auf über 700 Grad, sodass der Brand auf andere Zellen übergreifen könne, schreibt das Unternehmen auf seiner Webseite. "Was folgt, ist ein nicht löschbarer Brand, da der Sauerstoff zum Verbrennen bereits im Batteriematerial enthalten ist und es damit selbst unter Wasser brennt." LFP-Batterien hingegen hätten in solchen Tests "weder gebrannt noch sind kritische Temperaturen entstanden".
Der Hersteller E3/DC verwendet überwiegend LFP-, aber auch NMC-Zellen. Entscheidend sei die Kompetenz des Zell- und Modulherstellers, betonte das Unternehmen auf Anfrage von c’t. "Unser jahrelanges, intensives Batteriemonitoring bei mehr als 151.000 Hauskraftwerken zeigt keine eindeutigen Vorteile einer bestimmten Zellchemie, sondern bestätigt unseren Ansatz der qualitätsorientierten Lieferantenwahl." Der LFP-Anteil werde von aktuell 80 Prozent aber voraussichtlich weiter wachsen, aufgrund einer Vielzahl von Faktoren wie Qualität, Verfügbarkeit, Preis-Leistungs-Verhältnis und Langzeitstabilität.
Auch DGS-Experte Haselhuhn sieht keinen Grund, LFP grundsätzlich zu bevorzugen. Das Risiko, dass solche Zellen explodieren oder brennen, sei zwar eventuell geringer, aber ebenfalls vorhanden. Die Mehrzahl der Brandfälle in seiner Statistik betreffe Speicher mit LFP-Zellen, die im Markt weiter verbreitet seien. "Entscheidend ist, dass die Hersteller ihre Hausaufgaben in Sachen Sicherheit machen."
Kaufinteressenten rät Haselhuhn, darauf zu achten, ob die Produkte Normen wie VDE-AR-E 2510-50, DIN EN IEC 62619 und DIN EN IEC 63056 sowie die Anforderungen der EU-Batterieverordnung erfüllen und die Hersteller nachweisen, wie sie getestet haben. Dabei seien herstellerinterne Tests weniger wert als Tests bei Prüforganisationen. Für die Wahl des Installationsortes und die Montage durch Handwerker hat die DGS zudem Fachregeln entwickelt.
(cwo)