Kommentar zum Samsung-Headset: Gentlemen, start your copiers!

Es ist toll, dass Google mit Android XR den AR-Bereich voranbringt. Weniger schön ist, wie sehr sich Partner Samsung von Apple inspirieren lässt. Warum nur?

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Project Moohan von Samsung

Project Moohan von Samsung: Irgendwoher kennen wir diesen Look.

(Bild: Samsung)

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"Machst Du ein neues Video zur Vision Pro?" Das war eine der Fragen auf X, die der bekannte YouTuber Marques Brownlee alias MKBHD kürzlich erhielt, als er ein Bild seines nächsten Kurzfilms postete, in dem er ein neues Augmented-Reality-Gerät vorstellt. Die Frage war durchaus berechtigt, schließlich sieht Samsungs "Project Moohan" (Koreanisch für "Unendlichkeit") nicht nur von weitem aus, als handele es sich um das eigentlich unverwechselbare Apple-Headset. Klar, das Samsung-Gerät ist noch ein Prototyp. Doch die Südkoreaner haben bereits angekündigt, es noch in diesem Jahr auf den Markt zu bringen – und das Design dürfte sich dabei wohl nur minimal ändern, wirkt es doch, wie das MKBHD-Video zeigt, weit fortgeschritten.

Das Unfassbare ist, dass Samsung damit in vielen Punkten ein Gerät nachahmt, das meiner Ansicht nach den schlechtesten Formfaktor einer Apple-Hardware seit dem Trashcan-Mac-Pro – wenn nicht sogar schlechter – hat. Die Vision Pro ist keine Hardware – und das sage ich als Besitzer des Geräts seit Februar 2024 –, die man sich "einfach so" aufsetzen mag. Man muss sich Zeit dafür nehmen, etwa erst den Akku an das Gerät heranfrickeln und später aufpassen, dass man mit dem Kabel nicht hängenbleibt.

Ein Kommentar von Ben Schwan
Ein Kommentar von Ben Schwan

Ben Schwan lebt als Journalist und Autor in Berlin, schreibt seit 25 Jahren über Technologie-, Forschungs- und Wissenschaftsthemen und lässt sich seine Begeisterung für Neues weder durch sich ständig wiederholende Hype-Zyklen, amoklaufende Sicherheitspolitiker noch technische Unzulänglichkeiten nehmen.

Und genau diese Bauweise mit externer Batterie ahmt Samsung nach. Der runde Knopf für die Anbringung (ob mit Bajonettverschluss oder ohne, ist noch unklar) wurde von Samsung ebenso übernommen wie die nervig unhandliche Akkuform. Einzig nicht kopiert hat Samsung die digitale Krone, statt dieser gibt es einen einzelnen Knopf, Lautstärketasten (wozu man die unbedingt direkt am Headset braucht, ist mir schleierhaft) und einen – oh Wunder der Innovation – Touchstreifen auf dem Bügel. Ebenfalls nicht vorhanden ist die EyeSight-Funktion für das Durchschleifen der Augendarstellung, die sowieso zu den unbeliebtesten Vision-Pro-Features gehört. Dennoch sieht das Samsung-Headset auch von vorne aus wie das von Apple, da es den Skibrillen-Look kopiert.

Immerhin ist die Aufhängung von Project Moohan etwas anders. Es gibt zusätzlich hinten noch ein Polster samt (zweitem) Feststellrad. In der Praxis heißt das, dass Project Moohan laut Brownlee auf die Augenbrauen drückt, statt wie die Vision Pro auf die Wangen. Was besser ist, kann ich noch nicht sagen. Eine weitere (positive) Änderung gegenüber der Vision Pro ist, dass Samsung das Lichtsiegel in zwei Teile geteilt hat, sodass man unten auch noch Licht hereinlassen kann, um die Umgebung besser wahrzunehmen, wenn das denn gewollt ist.

Android XR, das direkt von Google kommt, ist ebenfalls von visionOS inspiriert. Aber das hat ja auch schon Meta bei der Quest 3 so gehandhabt: Nach Erscheinen des Apple-Betriebssystems gab's im Quest-OS plötzlich viele Fenster, die an gewünschten Stellen haften blieben. Der Homescreen von Android XR erinnert ebenfalls an Apples Homescreen, ähnlich verläuft das Window-Management. Im Gegensatz zur Quest 3 mit ihren beiden Controllern sind Augentracking und Finger/Hand-Bedienung bei Android XR Standard, ob es später noch Controller geben wird, ist unklar.

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Innovativ ist die Google-Gemini-Integration, so kann man angepasste Apps wie Google Maps recht flott per Spracheingabe steuern. Die Vision Pro hat keinerlei direkte KI-Integration, Apple Intelligence läuft trotz M2-Prozessor nicht. Schön an Android XR ist auch, dass die meisten Android-Apps aus dem Play Store laufen sollen; wie die Bedienung ausfällt, bleibt abzuwarten. Nervig scheint zu sein, dass man sehr ausladende Gesten wie "Circle to Search" vollführen muss, um Gemini-Features zu nutzen. Das ist dann gut für die Armmuskeln.

Fazit: Während man Google dafür loben muss, mit Android XR endlich Leben in den Augmented-Reality-Markt zu bringen – schließlich wird es jetzt mehr und mehr Hersteller von Headsets mit dem System geben –, kann man bei Samsung nur mit dem Kopf schütteln. Die Südkoreaner sind eine innovative Firma, haben etwa Foldables nach vorne gebracht, bauen die wohl besten Smartphone-Bildschirme und holten eine vernünftige Stiftbedienung auf Galaxy-Geräte. Warum der Konzern es für notwendig hielt, seinen Formfaktor derart an Apple zu orientieren, bleibt ein Rätsel, zumal die Vision Pro keineswegs als Verkaufshit interpretiert werden kann. Hoffentlich kopiert Samsung beim Project-Moohan-Headset nicht auch noch Apples Mondpreise.

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(bsc)