Festplatten-Betrug: Hinweise auf Ursprung in China verdichten sich
Fast 200 Leser haben mittlerweile hohe Laufzeiten bei ihren neuen Seagate-Festplatten feststellen müssen. Zudem häufen sich die Meldungen aus dem Ausland.
(Bild: Seagate)
Viele Onlinehändler haben in den vergangenen Wochen Seagate-Festplatten als neu verschickt, die bereits viele, viele Stunden irgendwo gelaufen sind. Noch unbekannte Betrüger hatten die SMART-Werte gebrauchter Laufwerke zurückgesetzt und sie über ebenfalls noch unbekannte Wege wieder in die Distribution eingeschleust. Auch offizielle Seagate-Händler sind davon betroffen.
Server-Festplatten von Seagate protokollieren jedoch noch an anderer Stelle ihre Laufzeiten und andere Parameter: Die sogenannten FARM-Werte können die Betrüger (noch?) nicht zurücksetzen (FARM steht für Field Accessible Reliability Metrics). Diese lassen sich ebenfalls mit den smartmontools oder den Seatools von Seagate auslesen. Im Durchschnitt sind die betroffenen Laufwerke nach Angaben der Leser rund 25.000 Stunden in Betrieb gewesen.
Fälle aus aller Welt
Es sind jedoch nicht nur deutsche Kunden betroffen. Uns liegen Meldungen aus der Schweiz, Österreich, Luxemburg, Großbritannien und Tschechien sowie den USA vor. Der Onlinehändler East Digital aus Hongkong soll ebenfalls solche Laufwerke verschicken. Mittlerweile sind die Platten bei ihm ausverkauft, anscheinend aber hat er des Öfteren solche "Sonderangebote" im Programm. Wir haben auch Foreneinträge von australischen East-Digital-Kunden gesehen, die nun ebenfalls hohe Laufzeiten bei den FARM-Werten feststellen müssen.
Auch aus Japan erreichten uns Meldungen, dass dort über den Fall berichtet wird. Weitere Hinweise nehmen wir gerne per Mail entgegen – wer lieber anonym bleibt, kann dies über unseren anonymen Briefkasten tun.
Platten aus Chia-Farmen?
Woher die Platten stammen und wie sie nach Deutschland kamen, ist bislang ungeklärt. Allerdings sollen derzeit in China sehr viele solcher gebrauchten Laufwerke im Angebot sein. Diese könnten aus ehemaligen Rechenfarmen für die Kryptowährung Chia stammen, die nun abgeschaltet werden, nachdem sich das Farmen solcher Coins nicht mehr trägt: Die Energiekosten liegen mittlerweile über dem zu erwartenden Gewinn.
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Der verfügbare Speicherplatz in diesem Netz lag anfangs bei nur wenigen Exabyte, stieg aber später stark an. Seit dem Sommer 2024 sinkt der Speicherplatz im Chia-Netz, und zwar von damals rund 34 Exabyte auf nunmehr noch rund 19 Exabyte. Der Verlust von rund 15 Exabyte entspricht rund einer Million Festplatten mit 16 TByte Bruttokapazität. Diese werden nicht alle von Seagate stammen; der Hersteller hat am Festplattenmarkt jedoch aktuell einen Anteil von mehr als 40 Prozent. Es könnten ganz grob also mehr als 400.000 gebrauchte Seagate-Laufwerke mit 16 TByte aus den Chia-Farmen ausgemustert worden sein.
Dazu passt die Nachricht eines Betroffenen in einem Forum. Auf seine Nachfrage hätte Seagate angegeben, dass seine Festplatte ursprünglich an ein chinesisches Unternehmen aus der Mongolei verkauft wurde. Die deutsche Vertretung von Seagate ist bei der Herkunft der Laufwerke nicht so aussagefreudig, man beruft sich auf den Datenschutz und versichert, dass das Unternehmen nicht in den Schwindel verwickelt sei.
Viel zu kurze Garantie
Einige der Platten haben noch ein paar Monate Garantie, bei den meisten aber ist diese schon lange abgelaufen. Viele wurden als Teil eines größeren Systems verkauft – und damit als sogenannte OEM-Platte, für die der Hersteller keinerlei Garantie gibt. Wenn sie beispielsweise in einem Dell-System verkauft wurden, dann ist Dell für die Garantieabwicklung in diesem System zuständig, es ist quasi keine Seagate-Platte mehr.
Viele unserer Leser haben sich, auch schon lange vor diesen Betrugsfällen, über die Praxis der Händler beschwert, OEM-Platten ohne Herstellergarantie zu verkaufen. Wir empfehlen daher, direkt nach Erhalt eines Laufwerks die Garantieabfragen der Hersteller aufzusuchen und den Status zu prüfen (Seagate, Toshiba, Western Digital). Die Seriennummer ist manchmal bereits auf der Rechnung vermerkt und ansonsten vor dem Öffnen der Antistatik-Verpackung durch diese lesbar; so lässt sich auch das Produktionsdatum erkennen. Liegt dieses einige Jahre in der Vergangenheit, ist Vorsicht angebracht und eine Rücksendung zumindest überlegenswert.
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(ll)