Studie: KI verhindert Fehldiagnosen nicht

KI-basierte Entscheidungshilfen in der Notfallmedizin sind derzeit keine Hilfe. Zu diesem Ergebnis kommt eine Schweizer Studie.

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Futuristische Symbole aus dem Medizinbereich liegen auf einer flachen Hand. Die weitere Hand zeigt von oben auf eines der Symbole.

(Bild: ImageFlow/Shutterstock.com)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Große Hoffnungen stecken in KI-Systemen, die Ärzten bei der Entscheidungsfindung helfen sollen. In welchem Maße sogenannte Computerised Diagnostic Decision Support Systems (CDDSS) tatsächlich helfen, wird kontrovers diskutiert. Aus einer in "Lancet Digital Health" erschienenen Studie geht jetzt hervor, dass zehn Prozent der durch ein CDDSS gestellten Diagnosen falsch sind. Dabei gehören Fehldiagnosen laut den Wissenschaftlern zu den "häufigsten und kostspieligsten medizinischen Problemen weltweit".

Aufgrund des hohen Zeitdrucks stellt die Diagnosestellung speziell in Notaufnahmen eine Herausforderung dar. Darum wollten das Inselspital, das Universitätsspital Bern und die Universität Bern herausfinden, ob KI eine Erleichterung darstellen kann. Nach Angaben der Forscher handelt es sich bei ihrer Arbeit um die "weltweit erste Studie zu KI-basiertem Diagnosesystem in der Akutmedizin".

Untersucht wurden 1204 Patienten, die zwischen Juni 2022 und Juni 2023 mit "unspezifischen Beschwerden" wie Ohnmacht, Bauchschmerzen oder Fieber in vier Notaufnahmen in der Schweiz behandelt wurden. 559 davon wurden mithilfe des CDDSS "Isabel Pro DDx Generator" von dem aus dem Vereinigten Königreich stammenden Unternehmen Isabel Healthcare untersucht, das laut Forschern zum damaligen Zeitpunkt über die höchste Akkuratheit verfügte.

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In der Kontrollgruppe, die 645 Probanden umfasste, wurde auf die Unterstützung durch Isabel Pro verzichtet. Die Forscher maßen die Qualität der Diagnose daran, wie es den Patienten zwei Wochen nach der Behandlung ging, ob sie "ungeplante medizinische Nachsorge benötigten, Diagnosen im Nachhinein geändert wurden, eine unerwartete Intensivaufnahme erforderlich war oder ob es zu Todesfällen kam", heißt es vom Inselspital.

Heraus kam bei der Studie, dass sich die Ergebnisse zwischen den beiden Testgruppen nicht unterschieden. Bei beiden Gruppen trat bei 18 Prozent der Patienten ein "diagnostisches Qualitätsrisiko" auf. "Auch bezüglich schwerwiegender unerwünschter Ereignisse und dem Ressourcenverbrauch, gemessen in Schweizer Franken, gab es keine Unterschiede zwischen den Gruppen", sagen die Studienleiter.

"Aktuell verfügbare KI wird das Problem der Fehldiagnosen nicht lösen", so Prof. Dr. med. Wolf Hautz, Leitender Arzt der Universitätsklinik für Notfallmedizin und Erstautor der Studie. "KI-basierte Diagnoseunterstützung hat in der Notfallmedizin keinen für die Patientinnen und Patienten messbaren Effekt. Unabhängig davon, ob man nach medizinischen, ökonomischen oder prozeduralen Unterschieden schaut", resümiert Hautz.

Gefördert wurde die Studie unter anderem mithilfe des Nationalen Forschungsprogramms "Digitale Transformation" des Schweizerischen Nationalfonds, der auch den Aufbau einer Arbeitsgruppe zur "Kollaborativen Entscheidungsfindung" unterstützt. In der Zukunft wollen die Forscher verschiedene Einsatzgebiete für CDDSS evaluieren. Hierzulande gibt es ebenfalls entsprechende Bemühungen. In Niedersachsen will beispielsweise das Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz und kausale Methoden in der Medizin (CAIMed) herausfinden, wie KI bei der Entscheidungsfindung helfen und dadurch das Gesundheitssystem entlasten kann.

(mack)