Info-Monitor: Ein Viertel der BundesbĂĽrger meidet Nachrichten bewusst

Die hohe Dichte negativer Berichte oder mangelndes Vertrauen in Inhalte und Absender macht viele nachrichtenmüde. Medienwächter warnen vor "digitalem Putsch".

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Mädchen mit skeptischem Blick am Smartphone

(Bild: Natashilo/Shutterstock.com)

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Ein großer Teil der Bevölkerung in Deutschland hat weiterhin Bedarf an verlässlichen und seriösen Informationen zum aktuellen Zeitgeschehen. Dies geht aus dem Info-Monitor 2025 hervor, den die Landesmedienanstalten am Donnerstag veröffentlicht haben. Mehr als 90 Prozent der Bundesbürger interessieren sich demnach für aktuelle Themen, 96 Prozent informieren sich mindestens einmal wöchentlich über Medien. Knapp ein Viertel (24 Prozent) hat in letzter Zeit aber auch bewusst Nachrichten gemieden, die meisten davon (67 Prozent) aufgrund der vielen negativ konnotierten Berichte. Ein Fünftel zeigt sich nachrichtenmüde auch aus Mangel an Vertrauen in Absender und Inhalte.

Unter 45-Jährige geben laut der repräsentativen Studie etwas häufiger an, manchmal bewusst Nachrichten zu vermeiden. Bei unter 30-Jährigen ist mangelndes Interesse der zweithäufigste Grund, bei Älteren mangelndes Vertrauen. Mit Blick auf die unter 30-Jährigen fällt aber auch auf: Anteilig überwiegt eine vermehrte Nachrichtennutzung die Nachrichtenvermeidung.

Etwa ein Zehntel "blickt zynisch" auf etablierte Medien wie öffentlich-rechtliche Sender oder die Tagespresse. Sie sieht diese als "Sprachrohr der Mächtigen" oder kritisiert "zu viele Denkvorschriften". Ein knappes Fünftel stimmt solchen Aussagen eher zu. Wenig verbreitet ist Medienskepsis bei den unter 30-Jährigen und Befragten mit formal hoher Bildung. Insbesondere Befragte, die mit der AfD sympathisieren, misstrauen den Medien. Auf der anderen Seite zeigen Anhänger der Grünen ein besonders ausgeprägtes Vertrauen in die Medien.

Gut vier von zehn der Befragten (42 Prozent) geben an, dass sich ihr Informationsnutzungsverhalten in Bezug auf das aktuelle Zeitgeschehen in den letzten fünf Jahren verändert hat. Spontan führen sie vor allem eine vermehrte digitale Nachrichtennutzung an.

Die etablierten Medien erfüllten den Bedarf an Informationen zum aktuellen Zeitgeschehen nur noch für einen Teil der Bundesbürger, erklärte Peter Matuschek, Geschäftsführer des mit der Umfrage beauftragten Meinungsinstituts Forsa, bei der Präsentation des Info-Monitors. 34 Prozent fänden sich nicht mehr in der Berichterstattung wieder, 59 hielten die Themenwahl dagegen für gut. Die etablierten Medien würden zwar überwiegend positiv anhand der Punkte schnell, verständlich, sachlich und vertrauenswürdig bewertet, "aber auch ambivalent wahrgenommen": 37 Prozent betrachteten sie als politisch gesteuert und wirtschaftlich nicht unabhängig.

Eine deutliche Mehrheit (acht von zehn) ist mit der Demokratie in Deutschland beziehungsweise dem politischen System auf Basis des Grundgesetzes zufrieden. Nur sechs von zehn goutieren es aber auch, wie die Demokratie in Deutschland tatsächlich funktioniert. Laut Matuschek gibt es generell einen deutlichen Zusammenhang zwischen Medienvertrauen und Demokratiezufriedenheit. Ablehnende seien mit dem ganzen politischen System unzufrieden. Fundamentale Medienkritik gehe aber über diese Gruppe hinaus: Auch in der breiten Mitte der Gesellschaft gebe es Vorbehalte gegenüber den etablierten Medien.

Das Internet ist zum wichtigsten Informationsmedium geworden. Dies zeigte schon die Mediengewichtungsstudie der Medienwächter aus dem Vorjahr, die letztere mit dem neuen Format etwa über den Einbezug politischer Einstellungen weiterentwickelt haben. Soziale Medien seien für die allermeisten aber noch keine Alternative, führte Matuschek aus. Sie hätten inzwischen zwar einen festen Platz auch bei Informationsbeschaffung zum Zeitgeschehen, aber diese erfolge dort häufig nebenbei. Bei der gezielten Suche nach Nachrichten liegen die öffentlich-rechtliche Sender vorn mit 64 Prozent im Bereich TV und 37 Prozent beim Radio. Es folgen Suchmaschinen, Zeitungen und erst im Anschluss soziale Netzwerke (17 Prozent).

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Das Vertrauen in solche Online-Plattformen ist sehr gering. Positiv bewerten die BĂĽrger dort nur die Schnelligkeit mit 67 Prozent. Sonst dominieren negative Zuschreibungen. Mehr als vier von fĂĽnf halten soziale Netzwerke fĂĽr weniger beziehungsweise ĂĽberhaupt nicht vertrauenswĂĽrdig (49 Prozent). Als GrĂĽnde nennen sie Fake News, Desinformation, Polarisierung und Diffamierung sowie fehlende Moderation und Kontrolle. Matuschek hob hervor: Auch Social-Media-Nutzer beklagten keine mangelnde Freiheit in den Medien, sondern eine Schutzlosigkeit gegenĂĽber Angriffen.

YouTube liegt über alle Altersgruppen hinweg bei sozialen Medien und Streaming-Diensten als Informationsquelle mit 56 Prozent Nutzungsquote vorn. WhatsApp, Instagram und Facebook unterstreichen hier mit Anteilen von 47 bis 31 Prozent die Relevanz von Meta als News-Lieferant. Die unter 30-Jährigen nutzen vor allem YouTube, Instagram und Spotify.

"Wir stehen vor großen Herausforderungen, was unser gesellschaftliches Miteinander betrifft", interpretierte Albrecht Bähr, Leiter der Gremienvorsitzendenkonferenz der Landesmedienanstalten, die Ergebnisse. Mit Blick auf die Entwicklungen in den USA, wo X und Meta ihre Moderationsbemühungen angesichts des Machtwechsels im Weißen Haus zurückgefahren haben, zeigte er sich besorgt.

"Algorithmen beeinflussen unsere Vorstellung von Realität", gab Bähr zu bedenken. Online-Plattformen dürften aber nicht unkontrolliert Nachrichtenräume formen, sodass klare Vorgaben für die algorithmische Steuerung genauso wichtig seien wie eine Stärkung der Medienkompetenz in allen Generationen. Angesichts des Weckrufs gelte es, Qualitätsjournalismus zu fördern. Die wachsende Gruppe derjenigen, die sich ablehnend gegenüber den etablierten Medien zeige, "muss uns aufhorchen lassen".

Die Online-Befragung fĂĽr den Info-Monitor erfolgte zwischen Juli und November 2024 in zwei Runden mit je ĂĽber 3000 Teilnehmern.

(mho)