Delphi wird 30 Jahre alt – Totgesagte leben länger

Heute vor 30 Jahren hat Borland Turbo Pascal für Windows als Delphi veröffentlicht. Viele Besitzer haben seitdem gewechselt, eine aktive Community blieb.

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Aufmacher Delphi, griechischer Tempel

(Bild: erstellt mit Dall-E durch iX)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Delphi? – Fast jeder IT-Mensch kennt Delphi, die älteren werden irgendwann im Leben direkt damit in Berührung gekommen sein und die jüngeren haben zumindest davon gehört, meist in einem Kontext wie: "Da steckt bestimmt noch alter Delphi-Code drin". Heute, zum Valentinstag, feiert die Programmiersprache ihr Dreißigjähriges – iX Developer gratuliert.

Der Info-Dialog von Delphi 1 zeigt bereits die Ausrichtung hin zur vernetzten Anwendung.

(Bild: Embarcadero)

Warum steckt überall noch irgendwie Delphi drin (im Herkunftsland USA spricht man übrigens von Delph-ei, nicht Delph-i)? – Die Sprache war immer schon technisch modern, früh objektorientiert, gut mit Datenbanken zu verwenden, schon beim Entwurf für Netzwerke konzipiert und mit vielen Bibliotheken ausgestattet. Außerdem verfügte sie bald über eine durchdachte IDE, die für viele nachfolgenden als Vorbild diente. "Die eigentliche Innovation war, dass man eine leistungsfähige Programmierumgebung mit einem benutzerfreundlichen GUI-Designer statt einer Klassenbibliothek sowie einem optimierenden Compiler, einem Debugger und einer Datenbankzugriffs-API ausstattete", erinnert sich David Intersimone, einer der Gründungsväter bei Borland im heise-Interview.

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Pascal war einfach zu erlernen und einfach zu verstehen – ohne auf Komplexität zu verzichten. Und weil es einfach zu lernen war, wurde es viel gelehrt (der Autor hat selbst mit Turbo Pascal seine ersten ernsthafteren Programmierschritte getan) und fasste festen Fuß im schulischen und universitären Umfeld.

Der Pascal-Erfinder Niklaus Wirth.

(Bild: Tyomitch)

Die steil aufsteigende und später eher wechselvolle Geschichte von Delphi beginnt 1985 mit Object Pascal, einer objektorientierten Pascal-Erweiterung, an der auch der Pascal-Erfinder Niklaus Wirth mitgewirkt hat. Der Schweizer Informatiker und Träger des Turing Award verstarb letztes Jahr im Alter von 89 Jahren. 1986 führte der Software-Hersteller Borland die ersten objektorientierten Merkmale in seinem Turbo Pascal ein – der ersten integrierten Entwicklungsumgebung, die Editor, Compiler, Debugger usw. in einem Tool vereinte. Die ersten Versionen gab es für den Macintosh, ab 1989 auch für DOS.

Das folgende Beipiel zeigt Object Pascal:

program ObjectPascalExample;

type
    THelloWorld = class
    public
        procedure Greet;
    end;

procedure THelloWorld.Greet;
begin
    Writeln('Hello, World!');
end;

var
    HelloWorld: THelloWorld;            { impliziter Zeiger }
begin
    HelloWorld := THelloWorld.Create;   { Konstruktor gibt einen Zeiger auf eine Instanz der Klasse THelloWorld zurück }

    try
        HelloWorld.Greet;
    finally
        HelloWorld.Free;                { Freigeben der Instanz }
    end;
end.

Mit der ersten Windows-Version von Turbo Pascal änderte Borland den Namen: Delphi wurde heute vor dreißig Jahren geboren. In der Namenswahl, dem griechischen Orakel, steckte ein intendierter Bezug zu Oracle, der Datenbank. Danny Thorpe, einer der Beteiligten, schreibt von einer "strategischen Entscheidung, Datenbank-Tools und Konnektivität zu einem zentralen Punkt des neuen Produkts zu machen."

Delphi 1 erzeugte nur Code für 16-Bit-Anwendungen unter Windows 3.x und beschränkte die Größe aller Datentypen auf maximal 64 Kilobyte und Zeichenketten auf 255 Zeichen. Delphi 2 (1996) erweiterte dies auf 32-Bit-Anwendungen sowie 2 Gigabyte für Datenstrukturen und Zeichenketten. Borland baute in Folge sowohl die Sprache um neue Funktionen als auch die IDE um weitere Tools aus.

Ab Delphi 7 und 8 (2002/2003) kommt ein Compiler für .NET und eine eigene IDE dafür hinzu. Mit Delphi 2005 (schon im Herbst 2004) vereinigt Borland die IDEs als Borland Developer Studio. C++ findet sich im Jahr 2006 ein, wobei Borlands den C++Builder als eigenständiges Produkt daneben weiter vertreibt.

Die weitere Geschichte von Delphi zerfällt in Unterversionen, Auskoppelungen und schließlich in Firmenverkäufen und -übernahmen. 2006 gliedert Borland seine Developer-Sparte in CodeGear aus, das 2008 für 24 Millionen US-Dollar von Embarcadero gekauft wurde. Parallel vertrieb Borland selbst erfolglos die Turbo-Linie, die einzelne IDEs für Delphi, .NET usw. enthielt, sogar in kostenlosen Varianten. Der Pascal-Delphi-Komplex geriet immer stärker unter Druck durch Visual Studio und Open Source.

Der Datenbankspezialist Embarcadero – bekannt durch Rapid SQL – führte die Entwicklung von Delphi sieben Jahre fort: Mit Delphi XE2 kommen ein 64-Bit-Windows-Compiler und mit XE5 (2013) ein ARM-Compiler für Android hinzu. Version XE6 (2014, die Benamung der Delphi-Versionen ist eine Wissenschaft für sich) unterstützt schließlich Cloud-Dienste. Eine Zeit lang bot Embarcadero erfolglos Delphi Prism als eigenständiges Produkt an, bei dem es sich allerdings nicht um Pascal, sondern um eine .NET-Erweiterung für Visual Studio handelte, die auch Mono für Linux- und macOS-Programme unterstützte.

Die neueste Delphi-Version bietet einen KI-Assistenten.

(Bild: Embarcadero)

2015 kaufte Idera, ebenfalls ein Datenbankspezialist, Embarcadero und entwickelte Delphi unter der Marke Embarcadero weiter. Rapid-SQL gliederte Idera allerdings ins eigene Portfolio ein. Das letzte Update 2 für Delphi 12 Athens vom 12. September 2024 führt eine API für KI-Copiloten ein. Delphi lebt! – nicht nur als Problem beim Legacay-Refactoring. Oder?

Lebt Delphi? – David Intersimone sagt im heise-Interview, Ja! "Natürlich wundern sich Leute immer darüber, wie lange eine bestimmte Technologie noch lebt. Ich bin allerdings der Meinung, dass erfolgreiche Produkte sehr, sehr lange leben. Im Fall von Delphi könnten Sie beispielsweise Ihre Delphi-2-Lizenz nach wie vor wie gewohnt verwenden – sie werden nicht deaktiviert." Eine Version mit der internen Nummer DB30 steht auf der Roadmap ("coming sometime in 2025") und in den Foren kursiert die Vermutung, dass es als Delphi 13 oder Delphi 30 zum Jubiläum, also vielleicht heute, erscheint.

Seit 2018 existiert Delphi als echte Freeware, die sich unter dem Namen Community Edition kaum von der Pro Edition unterscheidet und nur Unternehmen ausschließt, deren Jahresumsatz 5000 US-Dollar übersteigt. Schon seit 1997 gibt es Free Pascal, als freien Compiler unter GPL-Lizenz, auf dem wiederum OmniPascal und Lazarus – der von den Toten erweckte – aufsetzen.

Während OmniPascal ein Plug-in für Visual Studio Code bietet, kommt Lazarus als komplette IDE im Stil von Delphi daher und bietet eine ähnliche Komponentenstruktur. Und es erfreut sich einer lebhaften Community. Ein Leser schreibt zum Beispiel im heise-Forum: "Ich wüsste jetzt wirklich nix, was alles vereint bzw. womit man schnell ne GUI hochziehen kann, während man CPU-nahen performanten Multi-Threaded-Code schreiben kann."

Update

Aus dem Forum kam noch der Hinweis, dass Borland sich zwischen 1998 und 2001 in Inprise umbenannt hatte. Die Namensänderung wirkte sich nicht positiv auf das Geschäft der Firma aus.

(who)