KI-Recherche-Tool: InsightPersona für genauere Politik- und Medienanalysen

Der Wahlkampf tobt und viel Medienschelte geht damit einher. Was wird wirklich gesagt, was gezeigt? Ein neues Tool könnte hier mehr Transparenz schaffen.

vorlesen Druckansicht
Mann und Frau schauen auf Laptop

Im Dashboard von InsightPersona ist unter einem Video eine Wortwolke sichtbar, die aus dem Transskript des Medienschnippels generiert wurde.

(Bild: Fraunhofer IDMT/Leona Hofmann)

Lesezeit: 4 Min.
close notice

This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Wie häufig sind bestimmte Politiker und Politikerinnen im Wahlkampf tatsächlich in Videobeiträgen in den Medien vorgekommen und welche Ausschnitte oder Zitate haben es in die mediale Berichterstattung geschafft? Das Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie (IDMT) hat ein Recherche-Tool mit integrierten KI-Modellen entwickelt, das genau solche Fragen beantworten kann. Es heißt InsightPersona und ermöglicht das Durchsuchen und Analysieren großer Medien-Datenbestände zu einzelnen Personen.

Das Fraunhofer-Institut hat eine Demo-Version von InsightPersona auf der Didacta 2025 in Stuttgart vorgestellt. Das Tool könnte etwa im Politikunterricht für genauere Politikanalysen oder in anderen Fächern für den Erwerb von Medienkompetenz eingesetzt werden. Ansonsten richtet sich das Angebot auch an Verlage, Forschungseinrichtungen, Parlamente oder Organisationen der politischen Bildung.

So lässt sich mit InsightPersona unter anderem zeigen, wie häufig eine Kandidatin oder ein Kandidat in einem bestimmten Zeitraum in den Medien vorgekommen ist. Dafür durchsucht die Analysesoftware KI-basiert Bild- und Tonausschnitte aus einem selbst anzulegenden Archiv. Das Tool lässt allerdings noch weitere Analysen zu. Sowohl die Erregtheit der Stimme wird analysiert als auch, welche Themen in den Ausschnitten genannt werden. Die Erregtheit wird durch eine Farbskala, die Themen durch Wortwolken visualisiert.

Wie ist Annalena Bearbock in den Tagesthemen oder bei Maischberger vorgekommen und wurde eher ihr Gesicht gezeigt oder auch ihre Stimme gehört? InsightPersona gibt Aufschluss über Rede- und Bildanteile, wie gesprochen wurde und über was.

(Bild: Fraunhofer IDMT)

Damit auch untersucht werden kann, ob ein bestimmtes Zitat beispielsweise verkürzt oder aus dem Kontext gerissen wurde, werden die Ausschnitte genau angegeben und einander gegenübergestellt. So ist durch das Archiv, mit dem das Fraunhofer-Institut gearbeitet hat, etwa sichtbar, welcher TV-Sender längere oder kürzere Ausschnitte gezeigt hat oder in welchen Zusammenschnitten – auch welche sich eher ähneln und welche nicht. Dadurch kann auch sichtbar werden, ob eine Person viel selbst zu Wort kommen durfte oder eine Kommentierung überwiegt. Das lässt sich auch geschlechtsbezogen untersuchen.

Videos by heise

Diese Analyse kann über ein weiteres Angebot ergänzt werden, das noch vor seiner abschließenden Integration in das Dashboard steht. Das Fraunhofer-Institut hat die öffentlich zugänglichen Redeprotokolle aus Parlamenten in das Demo-Archiv aufgenommen. Mit einem integrierten GPT 4.0 können auch diese Protokolle im Dialog mit einem Chatbot durchstöbert werden. Wurden also nur sehr kurze Ausschnitte aus einer Debatte in Medienschnipseln gezeigt, können die Redeprotokolle den ganzen Redebeitrag zeigen und weitere Aussagen zu einem bestimmten Thema aus anderen Protokollen aufführen. Dies könnte zudem noch mit längeren Videobeiträgen verknüpft werden, die ebenfalls in den Parlamentsarchiven zu finden sind. Wie eine Person tatsächlich einen politischen Sachverhalt darstellt oder sich die Darstellung über verschiedene Redebeiträge verändert hat, kann dadurch deutlicher werden. Auch verschiedene Wahlprogramme könnten durch diesen Angebotsteil leichter durchforstet werden.

Was hat Scholz wann und in welchem TV-Beitrag zu Erneuerbaren Energien gesagt? Der Chatbot liefert die Antworten.

(Bild: Fraunhofer IDMT)

An der Entwicklung von InsightPersona sind sowohl Forschende aus Oldenburg als auch aus Ilmenau beteiligt. In Oldenburg ist der Institutsteil Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA angesiedelt, der zu Sprach- und Ereigniserkennung, Klangqualität und Sprachverständlichkeit forscht.
In Ilmenau wird unter anderem an der KI-basierten Erkennung und Klassifizierung von Audio- und Videodaten gearbeitet.

Die Idee für das Recherche-Tool kam den Fraunhofer-Mitarbeitern während einer Zusammenarbeit mit Soziologinnen, die eine Studie zu der Frage anfertigten: "Klimawandel und Biodiversität: Was zeigt das Fernsehen – Was wollen die Zuschauer:innen?"
Die Studie wurde von der MaLisa-Stiftung und den vier Fernsehsendern ARD, ZDF, ProSiebenSat.1 und RTL Deutschland initiiert. Für die im Studienzusammenhang erfolgte Programmanalyse hat das Fraunhofer IDMT Sendungen in einem festgelegten Zeitraum im Jahr 2022 EPG-gesteuert aufgezeichnet und anschließend automatisiert analysiert.
Insgesamt wurden hierfür 1,4 Millionen Sendeminuten aufgezeichnet, transkribiert, analysiert und in einem Dashboard für weitere Auswertungsschritte zur Verfügung gestellt. Das entspricht laut Fraunhofer etwa 2,7 Jahren Sendematerial und 63 Terabyte Programmdaten.

Welches Zitat hat es aus der Parlamentsrede in verschiedene Medien geschafft und welche Formulierungen hat Bundeskanzler Scholz im Herbst 2022 hauptsächlich genutzt? Angaben zu Videolängen und Stimm- und Transkript-Analyse helfen weiter.

(Bild: Fraunhofer IDMT)

Für die Softwarelösung InsightPersona stehen verschiedene Lizenzierungsmodelle zur Verfügung. Sie könne laut Fraunhofer lokal beim Kunden (On-Premises) oder bei einem Dienstleister (Off-Premises) ausgeführt werden. Das Angebot ist individuell anpassbar.

(kbe)