KI-Update kompakt: KI auf dem MWC, Europol, Intel Foundry, 60-Stunden-Woche
Das "KI-Update" liefert werktäglich eine Zusammenfassung der wichtigsten KI-Entwicklungen.
- Isabel Grünewald
- The Decoder
KI Telefone auf dem MWC
Auf dem Mobile World Congress in Barcelona steht wenig überraschend erneut Künstliche Intelligenz im Mittelpunkt.
Zu den kuriosesten Konzepten gehört das Newnal Phone mit seinem KI-Betriebssystem auf Android-Basis. Die Grundidee: Die KI zeichnet praktisch alle Nutzeraktivitäten auf und erstellt daraus einen personalisierten Assistenten. In einer (albernen) Demonstration zeigte Newnal, wie die KI einen personalisierten Brief zum Hochzeitsjubiläum verfasst, basierend auf gespeicherten Chatverläufen und Netflix-Sehgewohnheiten des Nutzers.
Das ungewöhnliche Design umfasst einen zweiten Bildschirm, auf dem permanent ein selbsterstellter KI-Avatar angezeigt wird, mit dem Nutzer interagieren können. Ob dieses Konzept jemals als echtes Produkt auf den Markt kommt, erscheint jedoch fraglich.
Im Gegensatz dazu hat die Telekom ein konkretes Produkt angekündigt: Das "KI Phone" soll in der zweiten Jahreshälfte 2024 verfügbar sein. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich das Gerät jedoch als wenig innovativ. Im Kern ersetzt es lediglich den Google Gemini-Assistenten durch einen von Perplexity entwickelten KI-Assistenten.
Die Telekom betont zwar die nahtlose Integration des Assistenten, der beispielsweise Restaurantreservierungen ohne zusätzliche Apps ermöglichen soll - ein echter Mehrwert gegenüber Gemini ist aber nicht erkennbar.
Fraglich bleibt, ob der Perplexity-Assistent überhaupt mit den Fähigkeiten von Googles Gemini mithalten kann. Eine abschließende Bewertung wird erst nach praktischen Tests möglich sein.
Whispp lässt Menschen mit Sprachbehinderung in Echtzeit sprechen
Ebenfalls auf dem MWC präsentierte das niederländische Start-up Whispp neue KI-Unterstützung für Menschen mit Sprachbehinderungen. Die Whispp-Anwendung wandelt beispielsweise leise Stimmen in verständlichere Sprache um und soll dabei Emotionen und Betonung erhalten. Nun soll sie auch KI-Unterstützung für direkte Gespräche bieten. Dazu wird, ähnlich wie bei Apps für Simultanübersetzer, direkt in das Handy gesprochen. Der Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin benötigt dann an das Handy angeschlossene Kopfhörer oder Lautsprecher, um die geboostete Stimme zu hören. Eine möglichst geringe Latenz sei bei solchen persönlichen Gesprächen besonders wichtig, sagt CEO Joris Castermans im Gespräch mit heise online. Deshalb wolle man ab Sommer auch auf eine lokale KI-Verarbeitung der Spracheingaben umstellen.
Bislang geschieht dies noch in der Cloud. Bei einer Demonstration auf dem MWC wurde mit einem kabelgebundenen Lautsprecher eine Verarbeitungslatenz von 220 Millisekunden erreicht. Das ist zwar etwas mehr, als man vom Telefonieren mit Bluetooth-Kopfhörern gewohnt ist, reicht aber für ein natürliches Gespräch aus. Dass es überhaupt so schnell geht, liegt an der Funktionsweise von Whispp: Im Gegensatz zu anderen Anwendungen wandelt die KI Audio direkt in Sprache um. Das Programm spart sich also den Zwischenschritt, Sprache erst in Text und dann wieder in Sprache umzuwandeln.
Europol gelingt Schlag gegen KI-generierte Kinderpornographie
Internationale Ermittler haben nach Angaben von Europol eine Verbrecherbande ausgehoben, die online mit KI generierte Bilder vom sexuellen Missbrauch von Kindern verbreitet hat. Bei der Operation "Cumberland" haben Behörden aus 19 Ländern insgesamt 25 Verdächtige festgenommen. Die Operation war von globalem Ausmaß und laufe noch weiter, teilte Europol mit. Mit weiteren Verhaftungen wird gerechnet. Operation "Cumberland" ist einer der ersten Fälle, bei denen es um KI-generierte Darstellungen von Kindesmissbrauch geht. Die Ermittler sehen sich dabei vor große Herausforderungen gestellt, insbesondere weil es in den betroffenen Ländern noch keine Rechtsprechung bezüglich dieser Straftaten gibt.
EU-Mitgliedsstaaten diskutieren derzeit jedoch eine gemeinschaftliche Regelung, die die EU-Kommission vorgeschlagen hat, so Europol. Selbsterstelltes Bildmaterial von Kindesmissbrauch stelle inzwischen einen signifikanten Anteil am gesamten Kindesmissbrauchsmaterial dar. Auch in Fällen, in denen das Material vollständig künstlich ist und keine echten Opfer dargestellt werden, tragen die KI-erzeugten Missbrauchsdarstellungen zur Objektifizierung und Sexualisierung von Kindern bei, erklärt die europäische Polizeibehörde. Im Rahmen der Operation "Cumberland" soll es darum nicht nur um Strafverfolgung gehen, sondern auch um Aufklärung, um weitere Vorfälle zu verhindern. Europol plant mit den Partnern eine Kampagne, die die Konsequenzen der Nutzung von KI für illegale Zwecke hervorhebt und potenzielle Täter da antrifft, wo sie am häufigsten aktiv seien, nämlich online.
Intel testet Foundry-Prozess mit Nvidia und Broadcom
Laut Reuters führen die Chip-Designer Nvidia und Broadcom derzeit Tests mit Intels fortschrittlichem 18A-Fertigungsprozess durch. Dieser konkurriert mit der modernsten Technologie des taiwanesischen Unternehmens TSMC. Die Tests sind zwar noch kein Garant, aber ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu möglichen Großaufträgen für Intel. Trotz der Tests gibt es weiterhin Verzögerungen bei Intels Zeitplan. Die Unterstützung bestimmter Vertragskunden wurde hauptsächlich aufgrund von Problemen bei der Qualifizierung wichtiger geistiger Eigentumsrechte für den 18A-Prozess auf Mitte 2026 verschoben.
Intel erwartet bis 2025 zwar einen Foundry-Umsatz von über 16 Milliarden US-Dollar, der Großteil davon wird aber aus der Produktion eigener Chips stammen. Im vergangenen Jahr verzeichnete das Segment sogar einen Umsatzrückgang von 60 Prozent. Vereinbarungen mit Microsoft und Amazon zur Chipproduktion auf 18A hat Intel zwar bekannt gegeben, konkrete Details zu Produkten und Produktionsvolumina bleiben aber noch unklar.
Die Leistung von Intels 18A-Prozess soll laut Experten zwischen TSMCs fortschrittlichstem Verfahren und dessen Vorgänger liegen. Angesichts der Spannungen mit China zeigt aber auch die US-Regierung Interesse an einer möglichen Zusammenarbeit zwischen Intel und TSMC.
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Stability AI bringt KI-Audio auf Smartphones
Stability AI und Arm haben gemeinsam das generative Audio-Modell Stable Audio Open für Smartphones optimiert. Dort kann es nun Soundeffekte und Audio-Samples ohne Internetverbindung erstellen. Für 11 Sekunden Audio soll es statt früher 4 Minuten nur noch 8 Sekunden dauern. Da das Modell nun vollständig auf Arm-CPUs läuft, ist es ohne hohe Hardware-Anforderungen für jeden mit einem kompatiblen Mobilgerät verfügbar.
Für Stability AI ist Audio aber nur der Anfang: Das Unternehmen plant, alle seine fortschrittlichen Modelle für Bild-, Video- und 3D-Generierung langfristig auf Endgeräte zu bringen. Das Start-up, das mit dem Open-Source Bildmodell Stable Diffusion bekannt wurde, hatte zuletzt mit finanziellen Schwierigkeiten und Mitarbeiterabgängen zu kämpfen. Der Fokus auf mobil ausführbare Modelle könnte einen Richtungswechsel bedeuten.
Deepseeks KI-Dienste mit potenziellen Traummargen
Der chinesische KI-Anbieter Deepseek hat einen seltenen Einblick in die Betriebskosten und potenzielle Profitabilität seiner KI-Dienste gewährt. Laut den veröffentlichten Zahlen könnte das Unternehmen bei voller Monetarisierung seiner Dienste eine theoretische Gewinnmarge von 545 Prozent erreichen- trotz der Open-Source-Strategie und deutlich geringerer Preise als bei OpenAI. Um Ressourcen optimal zu nutzen, hat Deepseek ein dynamisches System implementiert: Während der Spitzenzeiten am Tag werden Inferenzdienste auf allen Knoten bereitgestellt, in der Nacht bei geringerer Auslastung werden Ressourcen für Forschung und Training umgewidmet. Würde Deepseek alle verarbeiteten Token zum Preis seines Premium-Modells R1 abrechnen, käme das Unternehmen auf Tageseinnahmen von knapp 560.000 Dollar. Das ist auch eine Botschaft an mögliche Investoren.
Die tatsächlichen Einnahmen liegen jedoch deutlich darunter: Das Standardmodell V3 ist günstiger als R1, viele Dienste sind kostenlos nutzbar – lediglich API-Zugänge sind derzeit monetarisiert – und in der Nacht gelten Rabatte. Die von Deepseek veröffentlichten Zahlen verdeutlichen, dass KI-Sprachmodelle theoretisch enorme Gewinnmargen bieten könnten. Gleichzeitig zeigt sich, wie schwierig es in der Praxis ist, diese Margen auch wirklich zu realisieren. OpenAIs jüngstes GPT-4.5 kostet ein Vielfaches bisheriger Modelle. Dies könnte einer der Gründe sein, warum OpenAIs Marketing Stratege Adam Goldberg kürzlich betonte, dass der Wettbewerbsvorteil möglicherweise weniger in den Modellen selbst liegt, sondern vielmehr in der Fähigkeit eines Unternehmens, den gesamten Technologie-Stack zu integrieren und zu optimieren.
Google-Gründer fordert 60 Stunden Arbeitswoche
Googles Mitgründer Sergey Brin sorgt mit einem internen Schreiben für Aufsehen. In der Nachricht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von DeepMind, Googles KI-Abteilung unter der Leitung von Demis Hassabis, fordert Brin eine Änderung der Arbeitskultur: 60 Wochenstunden sollen zur Norm werden, zudem verlangt er die vollständige Rückkehr ins Büro.
In seinem Schreiben bezeichnet Brin 60 Stunden pro Woche als den "Sweet Spot" - die ideale Arbeitszeit für die meisten Mitarbeiter. Er räumt zwar ein, dass bei noch mehr Arbeit Menschen ausbrennen und an Kreativität verlieren würden, deutet aber gleichzeitig an, dass manche Mitarbeiter durchaus noch mehr leisten könnten. Seine Vorstellung einer ausgewogenen Work-Life-Balance: Zwölf Stunden Arbeit an jedem Wochentag im Büro, mit der "großzügigen" Erlaubnis, am Wochenende von zu Hause aus zu arbeiten.
KI verhilft Callcenter-Mitarbeitern in Echtzeit zu akzentfreier Sprache
Der weltweit größte Callcenter-Betreiber Teleperformance will mit Künstlicher Intelligenz seinen Service verbessern. Dabei bedroht KI die Existenz traditioneller Callcenter. Vor knapp einem Jahr hatte Zahlungsdienstleister Klarna erklärt, dass eine KI-Technik dort die Arbeit von 700 Vollzeit-Angestellten erledigt. Der Erfolg des KI-Assistenten von Klarna führte daraufhin zum Absturz der Aktien des französischen Callcenter-Konzerns. Nun soll also Feuer mit Feuer bekämpft werden: Teleperformance hat 13 Millionen US-Dollar in das kalifornische Start-up Sanas investiert. Es hat ein KI-System entwickelt, dass Akzente in Echtzeit abschwächt und gleichzeitig Hintergrundgeräusche ausfiltert. Klareres Englisch in Callcenter-Gesprächen soll laut Teleperformance dazu führen, dass die Kundenzufriedenheit erhöht wird. Gleichzeitig sollen damit die Gesprächszeiten verkürzt und die Lösungsfindung beschleunigt werden. Strategisch setzt Teleperformance auf das menschliche Element bei der Kommunikation mit Kunden. Mithilfe von KI soll diese ähnlich zu Gesprächen mit Nachbarn werden. Deshalb will der französische Callcenter-Konzern in diesem Jahr bis zu 100 Millionen Euro in KI-Partnerschaften wie mit Sanas investieren. Zu den Kunden gehören Apple, Samsung, Amazon oder auch Uber.
(igr)