Kupfer statt Glasfaser

Eine 100 Jahre alte Netzwerktechnik könnte den Datendurchsatz über traditionelle Telefonleitungen deutlich erhöhen.

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Eine 100 Jahre alte Netzwerktechnik könnte den Datendurchsatz über traditionelle Telefonleitungen deutlich erhöhen.

Der optischen Datenübertragung gehört die Zukunft: Die Glasfasertechnik schickt bei Privatleuten viele Megabits, im professionellen Bereich Gigabits und bald in Backbone-Netzen sicher auch Terabits pro Sekunde durch eine einzige dünne Leitung – beschickt mit Lasern. Das Problem: Es könnte noch viele Jahre dauern, bis wirklich jeder Haushalt mit dieser Technik versorgt ist. So liegen in Deutschland zwar in immer mehr Straßen Glasfasern, doch der direkte Heimanschluss bis zur Dose in der Wohnung ist aufwendig und teuer. Aus diesem Grund versuchen Wissenschaftler, aus den bereits verlegten regulären Kupfer-Telefonleitungen mehr Bandbreite herauszuholen.

Der französisch-amerikanische Telekommunikationskonzern Alcatel-Lucent hat nun ein neues Verfahren vorgestellt, mit dem bis zu 300 Megabit pro Sekunde über eine gewöhnliche Kupferverbindung übertragen werden können – auf bis zu 400 Metern, was ausreicht, um die Distanz zwischen Wohnung und Glasfaser-Vermittlungskasten auf der Straße zu überbrücken. Auf einen Kilometer Entfernung werden immerhin noch 100 Megabit erreicht. Zum Vergleich: Für die aktuell verfügbaren VDSL-Technik auf Basis des Telefonkabels zum Hausanschluss werden in Deutschland derzeit nur maximal 50 Megabit angeboten.

Das Alcatel-Lucent-Verfahren basiert auf der Kombination dreier Techniken. Die erste, das sogenannte Vectoring, erlaubt ein besseres Ausfiltern von Störsignalen. Der zweite Prozess, das Bonding, verknüpft mehrere Kupferkabel zu einer Leitung, was die Bandbreite erhöht. Technik drei, der sogenannte Phantom-Modus, ist bereits über 100 Jahre alt und erlaubt eine dritte zusätzliche "virtuelle" Leitung über zwei bestehende digitale Kupferverbindungen, indem das Zusatzsignal über mehrere Kabel gesplittet und am Empfangsort wieder zusammengesetzt wird. Einzige Voraussetzung ist, dass der Kunde bereits zwei analoge Telefonanschlüsse im Haus hat, was mittlerweile in Industrieländern fast überall Standard ist.

Alcatel-Lucent hofft, seine High-Speed-Kupfertechnik in den nächsten zwei Jahren kommerziell anbieten zu können, momentan gibt es erste Diskussionen mit Telekommunikationsunternehmen. Außerdem müssen noch passende Drei-Kanal-Modems entwickelt werden, die mit dem höherwertigen Signal umgehen können.

100 Megabit per regulärem DSL sind laut Alcatel-Lucent ab 2015 denkbar. Damit wäre das Fernziel der US-Regierung, ab 2020 alle amerikanischen Haushalte mit solchen Bandbreiten zu versorgen, durchaus erreichbar – auch ohne direkten Glasfaserausbau zum Endkunden. Allerdings muss die entsprechende Backend-Infrastruktur aufgebaut werden, damit die 100 Megabit nicht am Vermittlungskasten enden, sondern auch im "richtigen" Internet genutzt werden können. Aus diesem Grund setzt man bei Alcatel-Lucent auf eine intelligente Kombination aus optischer und elektrischer Technik, aus Glasfaser und Kupfer.

Jedoch sind beide Verfahren nicht ohne Konkurrenz. Derzeit holt auch in Deutschland das Koax-Kabel, einst für den TV-Empfang entwickelt, als Internet-Versorgungsmedium auf. Aufgrund des Aufbaus der Leitung und der besseren Dämpfung gegenüber Störungen sind hier im Produktivbetrieb bereits 100 Megabit pro Sekunde möglich, theoretisch wären wohl auch 300 Megabit drin. Allerdings sind auch diese Kabelstrecken nicht überall auf dem Land verfügbar oder für das Internet aufgerüstet. (bsc)