Studie bestätigt: Digitale Medien bedrohen vor allem etablierte Demokratien

Schon vor drei Jahren hat eine Forschungsgruppe auf Basis zahlreicher Studien ermittelt, dass digitale Medien der Demokratie schaden. Nun wurde das ĂĽberprĂĽft.

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Viele Hände an Smartphones

(Bild: ultramansk/Shutterstock.com)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Soziale Medien, Gruppenchats in Messengern, Kommentarspalten und andere digitale Medien üben überwiegend negativen Einfluss auf demokratische Prozesse aus. Dieses Ergebnis einer drei Jahre alten Analyse wurde jetzt im Rahmen einer Replikationsstudie anhand aktualisierter Daten bestätigt, berichtet das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPIB). Demnach haben digitale Medien durchaus positive Auswirkungen, aber das Negative überwiege. So verschärfen sie Polarisierung, verstärken Misstrauen in demokratische Institutionen sowie Medien und fördern die Verbreitung von Fehlinformationen. Gefährlich sei auch die damit verbundene emotionale Abwertung Andersdenkender und die Fragmentierung gesellschaftlicher Diskurse.

Für die ursprüngliche Forschung hat das Team um den Computational Social Scientist ("computergestützten Sozialwissenschaftler") Philipp Lorenz-Spreen über 500 Studien ausgewertet und ermittelt, dass digitale Medien Polarisierung und Populismus – besonders in etablierten Demokratien – befeuern können. Ermittelt wurde etwa, dass Nutzer und Nutzerinnen sozialer Medien dazu tendieren, sich nicht mehr aktiv zu informieren, weil "sie davon ausgehen, dass wichtige Informationen sie automatisch erreichen". Zudem hätte sich gezeigt, dass die Nutzung digitaler Medien das Vertrauen in demokratische Institutionen und klassische Medien beschädigt und dass sich in sozialen Netzen tatsächlich "Echokammern" bilden.

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Um das Ergebnis zu überprüfen, haben Forschende der Tongji University, der University of Cambridge und der Duke University die Methodik der ursprünglichen Arbeit "systematisch repliziert" und dafür Daten benutzt, die bis zum März 2024 reichen. Am Ergebnis hat das nichts geändert, erklärt das MPIB jetzt. Damit gebe es nun genügend Beweise für die zentrale Aussage der Studie, um die "Herausforderungen ernst zu nehmen und Strategien zu entwickeln, die die Risiken minimieren", meint Co-Autor Ralph Hertwig vom MPIB. Dabei müssten die demokratischen Potenziale digitaler Medien aber bestmöglich geschützt werden.

Mit dem Bezug auf diese Potenziale weist der Experte auf jenen Teil der jetzt bestätigten Studie hin, der die positiven Beobachtungen umfasst. So würden sich Menschen, die digitale Medien nutzen, häufiger politisch betätigen, hätten Zugang zu vielfältigen Informationen, könnten sich frei äußern und würden im Mittel über ein höheres politisches Wissen verfügen. Ob das aber die Folge der Nutzung ist, sei bislang unklar. Was genau die Nutzung digitaler Medien diesbezüglich mit den Menschen macht, müsste dringend erforscht werden, meint Lisa Oswald, die ebenfalls an der Arbeit beteiligt war. Die Replikationsstudie ist online abrufbar.

(mho)