O2 ignoriert Kundenrechte bei Handyvertrag

Gehört zu einem Mobilfunkvertrag ein Smartphone, gelten dieselben Gewährleistungsrechte wie beim direkten Kauf. Etwaige Mängel muss der Anbieter beseitigen.

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Von
  • Tim Gerber
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Dies ist ein Beitrag aus unserer Magazin-Rubrik Vorsicht, Kunde!, der erstmals am 23.1.2025 in c't 3/2025 erschienen ist.

Ende November 2023 schloss Axel A. einen Mobilfunkvertrag mit O2 für eine Laufzeit von zwei Jahren und gleichzeitiger Lieferung eines Smartphones vom Typ Google Pixel 8 mit 128 GByte Arbeitsspeicher. Das Telefon sollte wie bei solchen Verträgen üblich über die monatliche Grundgebühr abbezahlt werden. Der damalige Kaufpreis für ein Smartphone dieses Typs hätte etwa 720 Euro betragen.

Nach ein paar Monaten fing das Display des Smartphones an, gelegentlich für einen Sekundenbruchteil auszufallen, also eine Art Flackern zu zeigen. Anfang August 2024 suchte Axel A. deshalb einen Shop von O2 in seiner Nähe auf. Über den Shop wurde das Smartphone zur Überprüfung an eine Vertragswerkstatt des Herstellers eingeschickt. Es kam allerdings wenige Tage später mit der Anmerkung zurück, man habe keinen Fehler feststellen können.

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Axel A. hielt die Display-Ausfälle nunmehr mit mehreren Videos fest und führte die Aufnahmen im O2-Shop vor. Darauf wurde das Smartphone abermals in die Werkstatt geschickt, von wo es Ende August ein zweites Mal unrepariert zurückkam. Auch bei diesem Mal habe die Werkstatt den Fehler nicht feststellen können, hieß es.

Abermals reklamierte Axel A. das Flackern in mehreren O2-Vertragsgeschäften, zunächst vergeblich. Am 15. September wandte er sich per Brief an die deutsche Niederlassung des Telefónica-Konzerns, zu dem die Mobilfunk-Marke O2 nebst zugehörigem Netz gehört. Da der Mangel an seinem Smartphone nun zwei Mal nicht behoben worden sei, wolle er vom Vertrag zurücktreten und verlange den bereits bezahlten Teil des Kaufpreises von etwa 300 Euro zurück, schrieb er dem Provider.

Obwohl der Kunde den Ausfall des Displays in mehreren Videos dokumentiert hatte, wollte O2 den Mangel nicht anerkennen, weil die Werkstatt ihn nicht reproduzieren konnte.

Nun wurde das Smartphone ein drittes Mal an die Werkstatt gesandt. Dieses Mal bestätigte die Werkstatt endlich den Mangel in Form eines Display-Flackerns. Doch statt einer Reparatur oder einem neuen, mangelfreien Gerät erhielt er lediglich ein gebrauchtes Tauschgerät, das nach seinen Schilderungen deutliche Gebrauchsspuren aufwies. Sein eigenes Pixel-Smartphone sei hingegen äußerlich so gut wie neu gewesen.

Abermals reklamierte der Kunde diese Behandlung Ende Oktober im O2-Shop. Doch nach Rücksprache mit dem Mobilfunkanbieter hieß es nur, dass er bei Lieferung eines neuen Telefons auch einen neuen Vertrag abschließen müsse. Mit anderen Worten, die bereits für das mangelhafte Smartphone gezahlte Summe wäre einfach weg. Darauf wollte sich Axel A. aber nicht einlassen. Nach weiterem fruchtlosen Hin und Her mit den O2-Mitarbeitern wandte er sich am 28. Oktober an die c’t-Redaktion und schilderte uns den Vorgang.

Videos by heise

Am 3. Dezember konfrontierten wir die Pressestelle von Telefónica mit dem Vorgang und wiesen darauf hin, dass auch nach unserer Einschätzung der Kunde Anspruch auf Lieferung eines mangelfreien Neugeräts habe, da er ein solches ja definitiv nicht erhalten hatte.

Auf unsere mehrmalige Anfrage bei der Pressestelle von Telefónica teilte ein Sprecher mit, dass der vom Smartphonehersteller autorisierte Reparaturdienstleister bei den Reparaturaufträgen vom 17.8. und 24.8.2024 keinen Defekt am Gerät habe feststellen können. Daher sei damals der Gewährleistungsfall nicht eingetreten.

Es handele sich also nicht um erfolglose Nachbesserungsversuche, sondern es sei seitens des Reparaturdienstleisters kein Fehler beziehungsweise Sachmangel festgestellt worden. Auf dieser Grundlage habe dem Wunsch des Kunden, vom Kauf zurückzutreten, seitens O2 Telefónica nicht entsprochen werden können. Erst beim Reparaturauftrag vom 8.10.2024 sei ein Defekt festgestellt worden.

Der Kunde habe im Zuge der Gewährleistung ein gleichwertiges Ersatzgerät erhalten. Hier sei vom Reparaturdienstleister ein Tauschgerät statt der Reparatur gewählt worden, um dem Kunden eine möglichst kurze Wartezeit zu garantieren. Den Anspruch auf ein Neugerät verneinte der Sprecher.

Am folgenden Tag teilte der Sprecher mit, man habe Axel A. kontaktiert und eine einvernehmliche Lösung mit ihm gefunden. Der wollte davon allerdings nichts wissen. Zwar habe ihn der Kundendienst angerufen, schrieb er uns. Dabei sei ihm ein Austausch gegen ein anderes Gerät in besserem Zustand angeboten worden, was er jedoch abgelehnt habe, weil er ja bereits vom Kauf zurückgetreten sei. Daraufhin habe ihm der Mitarbeiter gesagt, dass der Mobilfunkvertrag mit der SIM-Karte an das Handy gekoppelt sei und ein Rücktritt vom Kaufvertrag daher nicht möglich sei. Der Anruf sei auf "Druck durch die Presse" zustande gekommen, hätte der Anrufer ihm gesagt.

Rechtlich ist das Verhalten aufseiten von O2 höchst fragwürdig. Denn für einen Ratenkauf – und nichts anderes ist der "MyHandy"-Vertrag von O2 – gelten für den Verkäufer exakt dieselben Pflichten wie bei jedem anderen Kaufvertrag auch. Das ist insbesondere die Lieferung einer mangelfreien Sache an den Käufer. Die Sache muss im Lieferzeitpunkt mangelfrei sein. Wann der Mangel erkannt wird, spielt eben gerade keine Rolle. Denn typisch sind ja gerade die versteckten Sachmängel, die man nicht sofort erkennen kann. Für später eintretende Mängel haftet der Verkäufer nicht.

Im ersten Jahr ab der Lieferung gilt die gesetzliche Vermutung, dass später zutage tretende Mängel bereits bei Lieferung vorhanden waren (§ 477 Abs. 1 BGB). Erst im zweiten Jahr entfällt diese gesetzliche Vermutung und nach dessen Ablauf verjährt der Anspruch des Käufers ganz (§ 438 BGB).

Der eigentliche Mangel, wahrscheinlich ein Produktionsfehler in Form einer kalten Lötstelle oder dergleichen, lag hier also von Anfang an vor. Der Kunde hatte ihn bemerkt und O2 darauf hingewiesen. Das Unternehmen hatte nun die Möglichkeit, entweder den Mangel zu beseitigen oder statt des mangelhaften ein mangelfreies Gerät zu liefern. Der Vertrag war über ein Neugerät geschlossen, also kam auch nur ein Neugerät als Nacherfüllung in Betracht. Von seinem Wahlrecht zwischen Reparatur und Ersatzlieferung (§ 439 Abs. 1 BGB) hat der Kunde zunächst keinen Gebrauch gemacht. Da die vertragliche Pflicht von Telefónica hier von Anfang an in der Lieferung eines mangelfreien Neugeräts und nicht eines Gebrauchtgeräts liegt, stellt die Lieferung eines gebrauchten Geräts im Oktober aber so oder so keine wirksame Nacherfüllung dar. Etwas anderes wäre nur dann gegeben, wenn explizit ein gebrauchtes Gerät verkauft worden wäre.

Nach zwei erfolglosen Nachbesserungsversuchen hat der Kunde dann also von seinem gesetzlichen Recht Gebrauch gemacht, vom Kauf zurückzutreten. In diesem Fall muss O2 den gesamten bereits gezahlten Kaufpreis erstatten. Auf die nun angebotene Lieferung eines weiteren gebrauchten Ersatzgeräts musste sich der Kunde nicht einlassen. Zur selben Einschätzung gelangte auch ein Rechtsanwalt, den Axel A. inzwischen mit der Wahrung seiner rechtlichen Interessen betraut hatte. Dies legte der Anwalt in einem Schreiben vom 16. Dezember an Telefónica dar, das c’t vorliegt. Wir konfrontierten Telefónica deshalb am 6. Januar mit dieser rechtlichen Einschätzung der Sache und baten um Auskunft, wie man auf das anwaltliche Schreiben zu reagieren beabsichtige.

Darauf räumte Telefónica am 8. Januar telefonisch ein, dass entgegen bisher mitgeteilter Einschätzungen der Kunde doch im Recht sei und Telefónica ihm nun doch seine Kosten erstatten wolle. Ob dies tatsächlich erfolgt, war zu Redaktionsschluss allerdings noch offen.

Der Vorgang zeigt einmal mehr, dass man als Kunde hartnäckig sein muss und sich unter Umständen auch nicht scheuen sollte, einen Rechtsanwalt einzuschalten, auch wenn es nur um eine vergleichsweise geringe Summe geht. Erfahrungsgemäß kommen Anwaltsschreiben intern in Hände von Mitarbeitern mit mehr juristischen Kenntnissen, als sie das meiste Hotline- und Shop-Personal hat.

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(tig)