Buchkritik: Careless People

Der Insiderbericht über den Aufstieg von Facebook – einem Unternehmen, in dem sich alles um "Macht, Gier und Wahnsinn" dreht.

06.06.2025, 08:19 Uhr

Lesezeit: 2 Min.

c't Magazin

Von

Jo Bager

Als neuseeländische Diplomatin sieht Sarah Wynn-Williams früh das ungeheure politische und soziale Potenzial von Facebook. Sie arbeitet verbissen daran, eingestellt zu werden. Als sie ihren Traumjob bekommt, nimmt sie hin, dass man sie ohne Unterstützung nach Myanmar schickt, das zu der Zeit von einer Militärjunta regiert wird. Oder dass sie im Kreißsaal bei der Geburt ihres ersten Kindes noch schnell ein Memo für ihre Chefin Sheryl Sandberg schreiben soll.

Facebooks Top-Leute, die titelgebenden "Careless People", beschreibt Wynn-Williams allesamt als problematisch: Mark Zuckerberg, ein Nerd, der keine Niederlagen verkraftet. Ihr direkter Vorgesetzter Joel Kaplan verpasst ihr eine negative Leistungsbeurteilung, weil sie nicht schnell genug auf seine Mails reagiert – während sie im Koma liegt. Ihm (und Sandberg) wirft sie zudem sexuelle Belästigungen vor.

Alle Entscheidungen, die den Kurs des Unternehmens betreffen, werden ausschließlich für das Wachstum getroffen; Menschenrechte und "das Soziale" im sozialen Netzwerk gehen dafür über Bord. Facebook schafft für die chinesische Regierung eine umfangreiche Zensur- und Überwachungsinfrastruktur, trotzdem wird die Plattform dort nie zugelassen. In Myanmar ignoriert das Unternehmen jahrelang Warnungen, dass auf der Plattform der Hass gegen die muslimische Rohingya-Minderheit geschürt wird; der Konzern muss sich vorwerfen lassen, eine Mitschuld am 2017 an dieser Ethnie verübten Völkermord zu tragen.

Irgendwann ist Facebook zu groß, als dass es sich noch um die Konsequenzen seines aus dem Ruder gelaufenen Netzwerks zu kümmern bräuchte. Politiker buhlen stattdessen um gute Beziehungen mit dem Unternehmen, etwa für Unterstützung bei den nächsten Wahlen. Vieles von dem, was Wynn-Williams beschreibt, war vorher bekannt, zum Beispiel aus den Veröffentlichungen der Whistleblowerin Frances Haugen. Es hat allerdings eine eigene Qualität, dass die Autorin vieles selbst erlebt hat – und lebendig erzählt.