Zehntausende Teilchen pro Sekunde: Am LHC wird Blei in Gold umgewandelt

Dass am Large Hadron Collider gewissermaßen nebenbei Blei- in Goldkerne umgewandelt werden, war bereits bekannt. Nun wurde erstmals gezählt, wieviele.

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Eine riesige, rote Maschine mit Menschen auf einem Kran davor

Arbeiten am ALICE-Instrument

(Bild: Â© 2020 CERN)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Am weltgrößten Teilchenbeschleuniger LHC werden gegenwärtig etwa 89.000 Bleikerne pro Sekunde in Goldkerne umgewandelt. Damit wird ein alter Traum der Alchemie gewissermaßen Wirklichkeit. Das hat eine Forschungsgruppe am Large Hadron Collier ermittelt. Ihrer Analyse zufolge sind auf diese Weise zwischen 2015 und 2018 insgesamt 86 Milliarden Goldkerne erschaffen worden, beim anschließenden dritten Lauf waren es sogar doppelt so viele. Weil das aber trotzdem nur wenige Dutzend Pikogramm des Edelmetalls sind, bräuchte man immer noch das Billionenfache dieser Menge, um auch nur ein Stück Schmuck herzustellen, ergänzt das Team noch.

Illustration der Umwandlung

Wie das Kernforschungszentrum CERN erläutert, kann bei den hochenergetischen Kollisionen am LHC jenes Quark-Gluonen-Plasma entstehen, aus dem das Universum eine Millionstel Sekunde nach dem Urknall bestanden hat und aus dem die Materie entstanden ist. Viel häufiger würden die aufeinander geschossenen Teilchen einander aber knapp verfehlen und lediglich Interaktionen ihrer elektromagnetischen Felder ermöglichen. Dabei können Photonen entstehen, die wiederum Neutronen und Protonen aus den Atomkernen herausschlagen können. Um so einen Goldkern zu erschaffen, müssen also auf diesem Weg genau drei Protonen aus einem Bleikern entfernt werden. Wie oft das passiert, wurde für die Studie nun erstmals direkt gezählt.

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FĂĽr die Analyse hat die Forschungsgruppe mit dem LHC-Instrument ALICE ermittelt, bei wie vielen dieser Interaktionen keins, eins, zwei oder drei Protonen aus einem Bleikern entfernt wurden und damit Blei, Thallium (Ordnungszahl 81), Quecksilber (Ordnungszahl 80) beziehungsweise eben Gold (Ordnungszahl 79) entstanden ist. Die Goldkerne sind demnach seltener entstanden als die Thallium- oder Quecksilberkerne. Allen gemein ist die hohe Energie, die sie direkt nach ihrem Entstehen haben und die dafĂĽr sorgt, dass sie fast unmittelbar danach auf ein Hindernis stoĂźen und in einzelne Protonen, Neutronen und andere Partikel zersplittert werden. Die winzigen Mengen an Gold existieren also jeweils nur Bruchteile von Sekunden.

Die jetzt im Fachmagazin Physical Review C vorgestellte Analyse ist die erste systematische Auswertung der Goldproduktion im LHC, erklärt das Forschungsteam. Ermöglicht wurde sie vom Detektor ZDC (Zero Degree Calorimeter) am ALICE-Instrument. Anhand des Ergebnisses könnten nun auch die theoretischen Modelle dazu überprüft und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit sowie die Verluste von Teilchen am LHC und künftigen Teilchenbeschleunigern vorhergesagt werden. Die Umwandlung von Blei in Gold auf diesem Weg ist dem Team zufolge bereits vorher gelungen, ermittelt habe man jetzt vor allem, wie häufig das am LHC gewissermaßen nebenbei geschieht.

Der Large Hadron Collider ist das weltweit größte wissenschaftliche Instrument und ist in Genf an der Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich unterirdisch aufgebaut. Zu den größten wissenschaftlichen Erfolgen des riesigen Teilchenbeschleunigers gehört der Nachweis des Higgs-Bosons, für dessen Vorhersage es später den Physik-Nobelpreis gab. In dem langen Tunnel werden Protonen mit immensen Energien aufeinander geschossen, die angeschlossenen Großexperimenten ALICE, CMS, ATLAS und LHCb analysieren dann ganz genau, welche Teilchen bei diesen Kollisionen entstehen. In jahrelanger Arbeit werden aus den immensen Datenmengen dann neue Einblicke in die grundlegenden Eigenschaften unseres Universums gewonnen.

Update

Es handelt sich um Goldkerne, keine kompletten Atome. Die falsche Formulierung wurde korrigiert.

(mho)