Zu viel Bürokratie: Merz fordert Abschaffung des EU-Lieferkettengesetzes

Bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel hat Bundeskanzler Merz entgegen dem Koalitionsvertrag nachdrücklich das Aus für die EU-Lieferkettenrichtlinie verlangt.

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Eine Grafik zeigt eine Weltkarte mit diversen Transportrouten eingezeichnet.

(Bild: Zaie/Shutterstock.com)

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Der frisch gebackene Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat an die EU-Gesetzgebungsgremien appelliert, die erst voriges Jahr beschlossene europäische Lieferkettenrichtlinie möglichst schnell wieder abzuschaffen. "Wir werden in Deutschland das nationale Gesetz aufheben", betonte der Konservative mit Blick auf die hiesigen einschlägigen Bestimmungen, über die die sogenannte Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) der EU teils hinausgeht. "Ich erwarte auch von der Europäischen Union, dass sie diesen Schritt nachvollzieht", erklärte Merz am Freitag bei seinem Antrittsbesuch bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU).

Die EU müsse diese auch im Ministerrat und in der Wirtschaft umstrittene Richtlinie wirklich aufheben, unterstrich Merz vor der Presse. Er begrüße, dass die Kommission systematisch Bürokratie abbauen wolle. Das werde die Bundesregierung unterstützen. "Wir werden auch Vorschläge machen, wie wir weiter darüber hinausgehen können", kündigte der Regierungschef an. Neben einer Verschiebung von Rechtsvorschriften sei die vollständige Aufhebung einiger europäischer Regeln der nächste logische Schritt.

Im schwarz-roten Koalitionsvertrag ist von einem Ende des EU-Lieferkettengesetzes aber keine Rede. Darin heißt es: "Wir unterstützen das europäische Omnibusverfahren zur Lieferkettensorgfaltspflicht (CSDDD), zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), Taxonomie und CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) und setzen uns dabei für eine bürokratiearme Lösung insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen ein." Die drei beteiligten Parteien wollen dabei Rechts- und Planungssicherheit schaffen und die betroffenen Firmen "bei einer guten Rechtsumsetzung" unterstützen.

Der erwähnte Entwurf der Kommission für ein Paket zum Bürokratieabbau sieht vor, dass die CSDDD später greift, dann nur noch ein Fünftel der derzeit vorgesehenen Unternehmen betrifft und weniger Informationen zutage bringt. Mit der Richtlinie sollen generell vor allem große Konzerne verpflichtet werden, ihre negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt wie Kinderarbeit, Sklaverei, Arbeitsausbeutung, Verschmutzung, Entwaldung, übermäßigen Wasserverbrauch oder die Schädigung von Ökosystemen abzumildern. Das bezieht sich auf ihre eigene wirtschaftliche Tätigkeit – aber auch auf die von Tochtergesellschaften und Geschäftspartnern. Sie müssen entsprechende Prüfprozesse aufsetzen und diese dokumentieren. Zuvor wurden etwa bei Apple, Samsung & Co. mehrfach Missstände in den Lieferketten aufgedeckt.

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Der Vize-Parteivorsitzende und Europa-Sprecher der Grünen, Sven Giegold, hält die just am Europa-Tag im "Kommandoton" vorgetragene Merz-Initiative für "völlig deplatziert". Die europäische Idee stehe für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Es widerspreche den Ideen der europäischen Verträge, Menschen in globalen Lieferketten ohne grundlegende Absicherungen für sich schuften zu lassen. Viele Unternehmen achteten längst auf soziale und ökologische Standards in ihren Lieferketten. Für Giegold steht damit fest: Jetzt müssten die SPD und die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) klarmachen, dass der Koalitionsvertrag weiter gelte und sich Deutschland nicht für die Abschaffung von Lieferkettengesetzen starkmache. Diese müssten freilich möglichst unbürokratisch umsetzbar sein.

(nen)