Führungskultur in Techkonzernen: Die Wiederentdeckung der Peitsche
Techkonzerne wie Microsoft nehmen "Low-Performer" aufs Korn und schwören auf Leistungskultur. Das hatte schon früher fatale Folgen, findet Axel Kannenberg.
(Bild: Me dia/Shutterstock.com)
Was haben Sie heute eigentlich geleistet? Und was tragen Sie überhaupt zum Erfolg des Unternehmens bei? Entschuldigen Sie, wenn ich so direkt frage, aber wir müssen laut zahlreichen Sonntagsreden zur Lage der Wirtschaft jetzt endlich wieder zurück zur Leistungskultur. Das sagt unter anderen SAP-CEO Christian "Leistung, Leistung, Leistung!" Klein und führt das L-Wort bei Interviews mit einer solchen Penetranz im Munde, dass man sich unwillkürlich fragt, ob SAP vor seiner Ägide das tiefenentspannte Landschulheim zur klappernden Mühle am rauschenden Bach gewesen ist.
Seinem Unternehmen hat Klein auch gleich ein Bewertungsprogramm verordnet, das die Belegschaft einteilt: Blau sind die Leistungsträger, Grün erfüllt noch die Erwartungen und Gelb muss man an die Kandare nehmen, damit sie schnell nachlegen. Gleiches Spiel bei Microsoft. Hier hat die neue Personalchefin Amy Coleman Maßnahmen vorgestellt, um "Hochleistung zu verstärken und schwache Leistungen schnell anzugehen". Sogenannte Low Performer können dabei unter einen Leistungsverbesserungsplan gestellt werden, der klare Erwartungen und einen Zeitplan für Verbesserungen vorgibt. Wer das nicht will, darf gerne einem Aufhebungsvertrag zustimmen.
Und bei Meta ist man schon längst da angekommen, worauf solche Programme dann im Regelfall hinauslaufen: Hier sollen pauschal die unteren fünf Prozent bei der Leistungsbewertung gefeuert werden, wie Chef Mark Zuckerberg Anfang des Jahres ankündigte.
KPIs statt echter Arbeit
In der aktuellen Situation kann man solche Maßnahmen leicht einführen. Es gab schon mehrere Entlassungsrunden, die Konjunktur kühlt ab und es werden weniger neue Jobs ausgeschrieben. Da bleiben Angestellte mangels guter Alternativen dann doch lieber beim Arbeitgeber und lassen sich eher ins Korsett zwängen. Es ist schließlich so: Menschen wirklich für eine Aufgabe und Leistung zu begeistern, das lässt sich schwer von oben verordnen. Pauschaler Druck hingegen schon. Da unterscheidet sich der Softwarekonzern nicht groß von der Sklavengaleere: Das Prinzip Peitsche ist bewährt, kostet nicht viel und jeder versteht es – spätestens mit Striemen auf dem Rücken.
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Doch letztlich bleibt das Signal nach innen fatal: Das Unternehmen misstraut prinzipiell seinen Leuten, muss mikromanagen und irgendwelche pseudoobjektiven Kennzahlen aufstellen. Intrinsische Motivation gedeiht in so einer Atmosphäre nicht. Eine positive Unternehmenskultur erst recht nicht. Zudem birgt es die Gefahr, dass die Leute ihr Gehalt als Schmerzensgeld nehmen und schulterzuckend ihre Tätigkeit auf dumme KPIs optimieren, statt die reale Arbeit zu machen – die sie vielleicht sogar gerne gemacht hätten, hätte man ihnen denn Raum und Vertrauen dafür gewährt.
Zurück zur Kannibalenkultur
Und vorausschauend ist es auch nicht gerade: Keine Konjunkturdelle dauert ewig. Bei der nächsten großen Wachstumsphase stellt man im Unternehmen mit überraschtem Pikachu-Gesicht fest, dass man die Motivierten vertrieben oder ausgebrannt hat und keine Neuen nachkommen wollen. Ja, woher auch, wenn man beim Arbeitgeberimage mit dem siebten Kreis der Hölle konkurriert? Donnerknispel, das konnte niemand vorher wissen.
Doch, das hätte man vorher wissen können. Ein Unternehmen wie Microsoft muss da auch nicht allzu weit zurückblicken: 2013 wurde dort genau so ein Bewertungsprogramm wieder eingestampft. Stack Ranking hieß das, wurde seinerzeit von Steve Ballmer eingeführt und machte feste Vorgaben, wie viele Leute bei den mies Bewerteten zu landen hatten. Stack Ranking habe zu einer toxischen und teamarbeitsfeindlichen Unternehmenskultur geführt, ist das einhellige Fazit der damaligen Berichte. Ein Beobachter schrieb von einer "Kannibalenkultur". Da müssen wir also unbedingt wieder hin, ja?
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Es ist eben leichter, die Geschichte zu wiederholen, als aus ihr zu lernen. Und so muss jetzt der Schweinezyklus der Leistungskultur neu aufgeführt werden, damit die Chefetage ihre Selbstwirksamkeit empfindet. Da wünsche ich uns ein dickes Fell, bis auch ganz oben wieder durchgesickert ist, dass solche Programme so einiges mit der Leistung eines Unternehmens anstellen. Außer sie zu verbessern.
(axk)