Bitcoins: Finger weg!

Wer nicht seine Finger von Kryptowährungen lassen kann und mit seinen Bitcoin-Millionen prahlt, riskiert, sie zu verlieren – die Millionen und die Finger.

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(Bild: Erzeugt mit Midjourney durch heise online)

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Glaubt man Tageszeitungen und Boulevardpresse, leben Bitcoin-Millionäre besonders gefährlich: Die Gefahr besteht nicht nur darin, dass der Handel verboten werden, US-Präsident Trump mit einer Randbemerkung den Kurs abstürzen lassen könnte oder ein Festplattendefekt das Wallet zerstört. Bitcoin-Millionäre und ihre Angehörigen sind ins Fadenkreuz von Kriminellen geraten. Vor allem in Frankreich sollen in den letzten Monaten gleich mehrere Personen, die mit Kryptowährungen zu tun hatten, entführt und erpresst – und am Ende um ihr Kryptovermögen und einen Finger gebracht worden sein.

Eines der Opfer ist der Vater eines Kryptomillionärs. Er wurde laut der französischen Tageszeitung Le Monde Anfang Mai 2025 entführt, um den Sohn um sein Kryptovermögen zu bringen. Bei seiner Befreiung fehlte ihm ein Finger.

Auch David Balland, der Gründer des französischen Hardware-Wallet-Herstellers Ledger wurde Anfang 2025 entführt. Für seine Freilassung verlangten die Entführer einen großen Betrag in Kryptowährungen von Ledger – und sollen Balland einen Finger abgeschnitten haben.

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Hardware-Wallets für Kryptowährungen, abgetrennte Finger – angesichts der Umstände könnte man auf die Idee kommen, dass die Kriminellen mit den Fingern die Hardware-Wallets ihrer Opfer entsperren und so an die Bitcoins gelangen wollten. Dabei hat Ledger gar keine Hardware-Wallets im Programm, die per Fingerabdruck entsperrt werden. Dafür ist stattdessen eine PIN erforderlich.

Zwar gibt es mit dem D'Cent oder dem Keystone 3 Pro auch Hardware-Wallets, die biometrische Fingerabdrücke verwenden. Es ist aber fraglich, ob sich deren Sensoren mit einem abgetrennten Finger austricksen lassen – indes, selbst ausprobiert haben wir das mangels freiwilliger Testpersonen noch nicht.

Vielmehr scheint das Abschneiden von Gliedmaßen bei Entführern zur üblichen Vorgehensweise zu gehören, um der Lösegeldforderung Nachdruck zu verleihen. Ein durchaus bekanntes Phänomen aus Hollywood und aus Entführungen abseits der Krypto-Szene. Eine regelrechte Salamitaktik, wo neben Fingern mitunter auch andere, größere Körperteile entfernt werden, falls nicht gezahlt wird, um den Druck Stück für Stück zu erhöhen.

Diese Vorfälle zeigen, dass Kryptowährungen im Mainstream angekommen sind und nicht mehr nur von Kriminellen aus der Cyber- oder Darknet-Szene genutzt werden. So stand auch die "Nutzung digitaler Währung durch die Italienische organisierte Kriminalität (IOK)" auf der Agenda der Messe GPEC digital 2025 (General Police Equipment Exhibition & Conference) in Leipzig. Die zuvor genannten Opfer wurden nicht entführt, weil sie eine bestimmte Kryptowährung besaßen, sondern schlicht, weil sie oder jemand aus dem Familienkreis reich ist.

Damit haben Kryptomillionäre das gleiche Risiko wie Euro-Millionäre oder reiche Erben: Wird ihr Reichtum bekannt, können sie unerwünschte Aufmerksamkeit durch Kriminelle auf sich ziehen. So wurde ein 21-Jähriger aus dem Saarland Mitte 2024 auf dem Nachhauseweg entführt und gefoltert, bis er seine Zugangsdaten für Handy und Krypto-Wallet preisgab. Die Kriminellen transferierten dann rund 150.000 Euro in Solana auf ihr eigenes Wallet. Nachdem die Täter gefasst wurden, gaben sie an, über eine WhatsApp-Gruppe auf den Saarländer aufmerksam geworden zu sein, der dort von seinem Krypto-Reichtum berichtet haben soll.

Indem man seinen eigenen (Krypto-)Reichtum hinausposaunt, gefährdet man sich nicht nur selbst, sondern auch seine Angehörigen – Lebenspartner, Kinder, Eltern oder gar Freunde. Rechnen die Verbrecher damit, dass die Bitcoins besonders gut verwahrt sind, etwa in Hardware-Wallets die wiederum im Bankschließfach lagern, werden sie nicht den Kryptomillionär selbst entführen – er käme dann nicht an das benötigte Wallet. Zielführender ist es dann, eine möglichst nahestehende Person zu entführen und so das Geld zu erpressen – so wie im eingangs berichteten Fall des französischen Kryptomillionärs. Gegen diese Form des Bitcoin-Raubs hilft auch keine noch so ausgefeilte und sichere Aufbewahrungstechnik.

(mid)