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Was war. Was wird. (In lauschiger Sommernacht gerätselt)

Ja, es gibt wirklich unvorstellbare Inhalte. Im Internet. Und auch anderswo. Aber Hal Faber ist gar nicht wirklich entsetzt. Stattdessen startet er lieber das traditionelle Sommerrätsel für laue Sommernächte.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

Es ist Sommer, richtiger Sommer. Apple verteilt Telefon-Kondome, Bumper genannt, und die Junge Union Berlin fordert ein Verbot der Pornoseiten, weil "Filme mit fast unvorstellbarem Inhalt" im Internet laufen. Jeder pflegt zärtlich seinen Dachschaden und die Dächer sind heiß, die Logik ist weggeschmolzen. Es ist Sommer und Zeit für Porno und alle schauen zu: "Die Politik schaut zu wie die Jugendlichen zuschauen, wenn Filme mit fast unvorstellbarem Inhalt laufen", so der der vollständige Satz der Jungpolitiker. Es ist Sommer und die Post verteilt Werbung für ihren E-Postbrief an alle Haushalte, auf jeder Seite mit einem kleingedruckten Disclaimer. "Sofern keine besonderen Formerfordernisse bestehen", soll der Abschluss einer Versicherung oder eines Kaufvertrages über das Internet möglich sein, in dem Post mit fast unvorstellbarem Inhalt zirkuliert. Dazu gibt es einen neckischen Trailer: "Das Internet, eine Welt, in der jeder alles und jeder sein kann, in der jeder alles vom anderen weiß." Ohje, wie konnte sich dieses Internet nur entwickeln? Hatte nicht der Gilb dieses wuselige Datennetz bekämpft wie kein Zweiter? Und nun das: "Wir bringen das Briefgeheimnis ins Internet." Das Ganze mit zünftigen Bedingungen 2.0 im Kleingedruckten: "Der Nutzer erkennt sein Nutzerkonto als seinen Machtbereich an, zu dem er Zugang hat und das für die Kommunikation mit anderen Nutzern oder Kommunikationspartnern bestimmt ist. Der Nutzer wird daher aufgefordert, mindestens einmal werktäglich den Eingang in seinem Nutzerkonto zu kontrollieren." Es ist Sommer, die Dächer sind heiß und die Briefkästen noch heißer.

*** Es ist Sommer, die Sommerlöcher öffnen sich und die Kaimane planschen in den Baggerseen. Zeit für unser kleines Sommerrätsel in den Sparten Hardware, Software und schwitzender Wetware. Den Anfang macht die Hardware mit einem Teil, dass die Vertreter der Jungen Union kaum noch kennen dürften. Die Floppy-Disk, der Träger von Informationen mit fast unvorstellbarem Inhalt, steht vor dem Ableben, wenn diese Meldung einer kleinen, aber tapferen Redaktion stimmt. Begeben wir uns ins kühle Nass der Talsperren, in denen sich nicht nur Kaimane tummeln können, sondern eine Fischart, die wie die Floppy vom Aussterben bedroht ist.
Also Frage 1: In jedem Anfang wohnt ein kleines Ende. Was schwimmt denn da an Technik herum?

*** Ob am Baggersee, an der Talsperre oder an den großen Teichen, an denen die norddeutsche Tiefebene endet, überall wird jetzt gebadet, was das Zeug hält. Wobei das Zeug sehr minimalistisch ausfallen kann, wenn Männchen und Weibchen zur fio dental greifen, wie Wikipedia liebevoll bis ins hinterste Detail aufklärt. Laut Wäschereport stellen die Dinger mittlerweile 50 Prozent Marktanteil im Unterwäschesegment da, wobei 13 Prozent der heterosexuellen Männer und 27 Prozent der Homosexuellen diese Wäsche tragen. Die man zumindest in den USA bedauern muss, wie eine Warnung der Federal Trade Commission bezeugt. Da gibt es tatsächlich ein Schwulenmagazin, das die Nutzerdaten seiner Leser als Handelsware betrachtet: Privatsphäre for Sale titelte die TAZ treffend. Doch zurück zum Tanga, der Platz ist knapp –
Frage 2: Welche Floppy wird gesucht?

*** Oh heilige Gentrifizierung: Drei Jahre länger als der Bundesgerichtshof brauchte die Bundesanwaltschaft für den Nachweis, dass sie keine terroristische Vereinigung ist und in der Lage ist, ein Verfahren nach dem Paragrafen 129a einzustellen. Da wurde gerätselt, entschlüsselt und gegooglet, weil ein anerkannter Wissenschaftler gebodigt werden sollte. An der Universität verfügte Andrej Holm "über Zugang zu Bibliotheken, um dort die Recherchen durchzuführen, die notwendig sind, um Texte für eine militante Gruppe zu verfassen". Was bleibt, ist eine erleichterte Familie, die vier Jahre lang rund um die Uhr überwacht wurde und eine blamierte Bundesanwaltschaft. Vielleicht ballen dort die Hardliner die Fäuste und rufen "Holm, der Kampf geht weiter!" Denn schon ist das nächste verdächtige Wort aus diesen komischen Bibliotheken entschlüpft und macht die Runde. Gleich neben dem Einstellungs-Berichtwar in der TAZ ein Gespräch zum Thema Resilienz zu lesen. Nein, damit ist nicht die gedankliche Resistenz gemeint, die das Bundeskriminalamt an den Tag legt, wenn es wieder einmal Sperrgelüste äußert.
Was Frage 3 auslöst, auf Bibliotheksniveau für die wirklichen Freunde der Floppy. Hard Sectored und Soft Sectored, was fehlt? Aber nicht geruht:
Frage 4, man lebt nicht ewig, folgt auf dem Fuß: Stephen Hawkings, der berühmte Wissenschaftler, der uns das Universum und den ganzen Rest erklärt, war Vorbild für einen Film, in dem eine berühmte Floppy ihren Auftritt hatte. Wie heißt der Film? Und welche Floppy ist gemeint?

*** Fritz Teufel begraben, stilecht mit Goodbye vom Nasenflötenorchester, Tuli Kupferberg in New York gestorben, ein grottenschlechter Musiker und großer Poet, immerhin einer, der sich als ältester Rockstar der Welt verstand und nicht auf die ewige Jugend setzte. Es gehört zu den großen Momenten der Pop-Geschichte, dass die Fugs bei Bernhard Stollmans ESP-Disk (nein, kein Floppy-Format) erscheinen konnten, dem Label, das dem Free Jazz von Ornette Coleman und Albert Ayler gewidmet war und unbedingt Free Poetry wie CIA Man veröffentlichen wollte. Wer das Gejammer der Plattenindustrie nicht mehr hören kann, sollte dieses Lehrstück über Musik-Lizenzen lesen, in dem der Raubtier-Kapitalismus nüchtern geschildert wird. Was das alles mit IT und dieser Unterhose namens Internet zu tun hat? Aber bitteschön: Bis zu seinem Tod hat Tuli Kupferberg als tulifuli auf Youtube seine wunderbare Kunst mit anderen geteilt. Prophetisch war sie auch noch, man höre nur This land is their land, wo Kupferberg den Gulf Stream Oil Slick beklagt und die schlichte Wahrheit singt: "This land is sold for company. "Und wenn das Land gekauft ist, bleibt noch Geld übrig für die Wissenschaft.

Frage 5: Wie hieß das Programm?

*** In der Anfangszeit der Floppy-Disks, als Al Shugart die 5 1/4''-Floppy erfunden hatte und Sony die mit 3,5''-Format, versuchte sich jeder Rechner-Produzent in der Kunst, proprietäre Formate zu produzieren. Als Beispiel sei DECs Rainbow genannt, dessen DOS zunächst nicht einmal das Formatieren von Disketten erlaubte – sie mussten beim Händler erworben werden. Mehrere Formatierprogramme versprachen Abhilfe. Sehr populär war ein Programm (die nebenstehende Abbildung zeigt die Rückseite des Manuals), das aktiv gegen diese Fremdenfeindlichkeit kämpfte.
Frage 5: Wie hieß das Programm?

*** Womit Blizzard bei World of Warcraft scheiterte, das geht der chinesischen Regierung locker von der Hand. In einer wunderbaren Kultur der Offenheit, in der der Bitkom viele Taler wittert, verbietet man kurzerhand allen Forenmoderatoren die Nutzung von Pseudonymen. Außerdem wurde allen Angehörigen der Volksbefreiungsarmee die Teilnahme an Blogs und sozialen Netzwerken untersagt: Wer erkannt wird, wird degradiert. Passend zu dieser Aktion der Volksdemokratie ist ein Blaubuch der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaft erschienen, in dem bekannte Forscher vor subversiven Wirkungen von Internet-Diensten wie Facebook warnen. Auf lange Sicht droht die Realnamenspflicht für 400 Millionen Menschen, ganz ohne "sichere" Zusatzdienste wie De-Mail oder die eingangs erwähnte ePost der gelben Schnecken. So erschrecken wir vor China und demonstrieren in aller Offenheit, wie in Deutschland die Verfassung nichts gilt, wenn man per Heirat erpressbar wird in unserer ach so offenen Kultur.

*** Wer kennt ihn nicht, den viralen Rap von Don't copy that Floppy, einer Aufklärungskampagne über das nicht erlaubte Kopieren von Computerspielen, stark angelehnt an die TV-Serie California High School, gestaltet von der Software Publishers Association und unter Beteiligung von America Online, Adobe Systems, Broderbund Software und – Microsoft, obwohl der Film einen Apple LC zeigt, der 1992 in Amerikas Schulen sehr weit verbreitet war. Aus dem "welcome to the end of the computer age" wurde ein Internet-Meme.
Was Frage 6 ergibt: Was stimmt nicht mit der Floppy? Aber, wo wir schon bei den Teenagern sind, –
gleich Frage 7: Gesucht wird ein Film, in dem ein junger Nerd ein Mädchen bittet, ihm den Slip zu geben. Sie fragt ihn, wozu das gut sei. Er verweist auf eine Wette unter Freunden und darauf, wie teuer 3,5''-Disketten sind. Mit ihr schlafen wollte er nicht, die Disketten waren wichtiger.So ist das. Aber warum eigentlich immer nur die USA?
Also Frage 8: In welchem "Tatort" spielte erstmals ein Computer mit welcher Floppy-Disk eine wichtige Rolle?

Was wird.

Noch zwei kleine Rätsel, dann wird zum Montagabend hin die Auflösung nachgereicht. Wenn es machbar ist, werden Hal-Avatare im Forum die Treffer bei Frage 1 bis 9 kommentieren. Niemand soll quälend lange auf die Auflösung warten, wie etwa die Preisträger der nunmehr verschobenen Big Brother Awards. Üblicherweise werden sie im Oktober verliehen, doch nach einer etwas unglücklich formulierten Pressemitteilung des AStA der Uni Wuppertal über die durchaus gerechtfertigte Nominierung von INDECT für den Negativpreis kam es anders. Der Ausrichter FoeBuD dementierte und teilte gleichzeitig mit, dass die Big Brother Awards 2010 erst am 1. April 2011 in Bielefeld verliehen werden. Aktionen wie Freiheit statt Angst, und die Verfassungsbeschwerde gegen das extrem bedrohte Zivilisationsprojekt ELENA zehren an den Kräften.

Seit Kurzem ist eine Verfassungsbeschwerde gegen den Zensus 2011 hinzugekommen, die einige Bürgerrechtler erschreckt, während Datenschützer Wichtigeres zu tun haben. Die neue Verfassungsbeschwerde ist insofern kurios, als dass sie Bezug auf das Karlsruher Urteil zur Vorratsdatenspeicherung nimmt, das den Parlamentariern nicht bekannt gewesen sein konnte, als sie im Juli 2009 das Zensusgesetz beschlossen. Ein bisschen Zeitreise muss immer sein, auch wenn nicht jeder Petent einen DeLoran in der Garage haben dürfte. Schließlich operiert die Gegenpartei auch mit temporären Kunststücken wie dem Projekt saubere Rechtsgrundlage.
Also Frage 9: Wie überwachte man früher die Überwacher mit einer Floppy?

Mit Frage 10 feiert das Sommerrätsel eine Premiere, weil die Antwort der "Weisheit der Massen" überlassen werden muss. Als Rätselvorschlag schickte ein Forumsleser diesen Vorschlag, auf den bislang niemand aus der Rätselcrew eine Antwort gefunden hat:
"Der 5,25er Staubschutz muss rein!!!!! Unbedingt! Da gab es doch mal einen in Deutschland, der hat das Schieberprinzip von der 3,5er auf die 5,25er übertragen und wirklich viel Aufwand reingesteckt, das zu promoten. Aber zu mehr als ein paar Erwähnungen in Zeitungen hat das aber nicht geführt. Das muss so zweite Hälfte der 80er gewesen sein." Der Vorhang zu und diese Frage offen: Was oder wen meint der Einsender? (jk)