China bastelt an eigener IP-Technik

Die Volksrepublik China möchte in ihren öffentlichen Netzen ein eigenes Internet-Protokoll einführen: IPv9 soll zwar kompatibel zu IPv4 und IPv6 sein, aber eine logische Abtrennung dieser Netze und bessere Kontrolle ermöglichen.

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Von
  • Monika Ermert

Die Volksrepublik China möchte in ihren öffentlichen Netzen ein eigenes Internet-Protokoll einführen: IPv9 soll auf einem eigenen zehnstelligen Nummerierungs-Schema beruhen, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. Kompatibilität beziehungsweise Adressumsetzungen mit IPv4 (dem gegenwärtigen Standard-Protokoll im Internet) und der nächsten Generation IPv6 (mit erweitertem Adressraum und Sicherheitsfunktionen) sei gewährleistet; Umsetzungen an den Grenzen zu IPv4- beziehungsweise IPv6-Netzen der Welt außerhalb Chinas sollen durch entsprechende Router erfolgen. An diesen Stellen sei auch eine logische Abtrennung und Kontrolle dieser Netze möglich -- was die Regierung offensichtlich zur weiteren Überwachung des Netzwerkverkehrs nutzen möchte.

Die chinesische Protokoll-Technik ist übrigens ernst gemeint. Sie hat nichts mit einem der berühmten RFC-Aprilscherze zu tun: Am 1. April 1994 tauchte IPv9 bereits als Request for Comment (RFC) 1606 auf -- der RFC mit dem Titel "A Historical Perspective On The Usage Of IP Version 9" war allerdings nicht ganz ernst gemeint.

Detaillierte technische Informationen zu dem chinesischen Versuchen, einen eigenen Protokoll-Standard einzuführen, sind bislang allerdings recht rar. Auch ein Artikel in ChinaTechNews gibt nur wenige Aufschlüsse; ein chinesischer Artikel der Newssite sina.com dagegen beschreibt und zeigt immerhin schon einmal Gigabit-Router und per IPv9 kommunizierende Rechner. IPv9 solle jedenfalls nach nunmehr zehnjähriger Forschungsarbeit "für den einfachen Mann und für Unternehmen" eingesetzt werden, heißt es bei sina.com; China beanspruche auch eigene Urheberrechte an der Technik. IPv9 soll eine logische Trennung von bestehenden IPv4- und IPv6-Netzen bieten und dadurch helfen, "Sicherheit in den Griff zu bekommen".

An IPv9 wurde im Rahmen eines vom Ministerium für Informationsindustrie unterstützten Projekts gearbeitet, es steht in der Liste der vom MII in den letzten Jahren geschaffenen 23 Standardisierungsgruppen an erster Stelle. Das Ten-Digit Network Technology Standard Team entwickelte das Protokoll, unter anderem unter Mitwirkung des College for Computer Science an der Universität Zhejiang; das "Team" wurde von Xie Jianping gegründet, der auch am Shanghai Research Institute of General Machinery (SRIGM) an Techniken für ein sicheres Internet der nächsten Generation arbeitet.

Zur Internet-Überwachung in China siehe auch:

Für Grundlagen, Spezifikationen und weitere Berichte zu IPv6 siehe:

(Monika Ermert) / (jk)