Lottohelden.de will vererbtes Guthaben behalten
Zum Erbe gehören ohne Zweifel auch sämtliche Guthaben, die der Erblasser bei Dritten hat. Glücksspielbetreiber lottohelden.de verweigert trotzdem die Auszahlung
- Tim Gerber
Dies ist ein Beitrag aus unserer Magazin-Rubrik Vorsicht, Kunde!, der erstmals am 25.7.2024 in c't 17/2024 erschienen ist.
Seit dem Tod seines Vaters im Dezember 2022 betreut Jochen B. unter anderem das frühere E-Mail-Konto des Verstorbenen, um etwa noch eingehende E-Mails lesen zu können. Am 17. Mai trudelte eine Nachricht folgenden Inhalts im Postfach des Vaters ein:
"Hallo Volker B., wussten Sie, dass Sie noch 75,05 Euro Guthaben auf Ihrem Kundenkonto haben? Warum nicht einfach für den heutigen EuroJackpot nutzen? Der ist mit 63 Mio. Euro nämlich prall gefüllt." Die Nachricht stammte von dem Lotterieanbieter lottohelden.de. Allerdings hatte Jochen B. nicht vor, Geld mit Glücksspiel zu verplempern, zumal alleinige Erbin seines Vaters seine Mutter war. Deshalb wollte er das Guthaben bei den Lottohelden zu ihren Gunsten auflösen.
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Dazu meldete er sich zunächst mit den Zugangsdaten des Vaters auf der Webseite an, um das Geld abzurufen. Doch dies gelang ihm nicht, da das hinterlegte Referenzkonto des Vaters inzwischen aufgelöst war. Deshalb schrieb er den Kundensupport an und bat um Überweisung des Guthabens auf das Konto seiner Mutter.
Die Reaktion lieĂź nicht lange auf sich warten: Noch am selben Tag schrieb ihm Melina von lottohelden.de "mit glĂĽcklichen GrĂĽĂźen", dass Gewinne leider nicht ĂĽbertragbar seien. Jochen B. traute seinen Augen kaum und fragte deshalb nach: Er hoffe, die Nachricht falsch verstanden zu haben. "Wollen Sie damit andeuten, dass die rund 75 Euro Guthaben auf dem Konto meines verstorbenen Vaters zu Ihren Gunsten verfallen?", fragte er und bat darum ihm mitzuteilen, auf welcher rechtlichen oder vertraglichen Grundlage diese Entscheidung beruhe.
Nicht ĂĽbertragbar
Nun verwies Melina auf die AGB der Lottohelden, in deren Nummer 2.7 es heiĂźt: "Der Spieler ist weder zum Verkauf noch zum Ăśbertrag noch zur Ăśberlassung seines Spielerkontos an Dritte noch zur Verwendung oder dem Erwerb der Spielerkonten Dritter berechtigt." Das sei hier nicht zutreffend, antwortete Jochen B. postwendend. Sein Vater habe schlieĂźlich nichts ĂĽbertragen, sondern seine Mutter sei Alleinerbin unter anderem des Guthabens bei den Lottohelden und er bitte nochmals um Auszahlung auf ihr Konto.
Doch nun erhielt er nur noch die stereotype Antwort, Kundenkonten und Gewinne seinen nicht übertragbar. Am Tag darauf wandte sich Jochen B. als langjähriger Leser an c’t und schilderte uns den Fall. Wir fanden das Vorgehen der Lottohelden ebenfalls merkwürdig und recherchierten zunächst, wer sich hinter der Domain verbirgt. Laut Impressum handelt es sich um die Deutsche Lotto- und Toto-Agentur Ltd. mit Sitz auf Malta. Solche Konstrukte, bei denen Kunden es schwer haben dürften, im Zweifel Auszahlungen rechtlich durchzusetzen, sind das Ergebnis einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, durch die das zuvor in Deutschland geltende staatliche Glücksspielmonopol zu Fall gebracht wurde.
Immer wieder bekommen wir E-Mails, in denen sich Leser über schlechten Service, ungerechte Garantiebedingungen und überzogene Reparaturpreise beklagen. Ein gewisser Teil dieser Beschwerden ist offenbar unberechtigt, weil die Kunden etwas überzogene Vorstellungen haben. Vieles entpuppt sich bei genauerer Analyse auch als alltägliches Verhalten von allzu scharf kalkulierenden Firmen in der IT-Branche.
Manchmal erreichen uns aber auch Schilderungen von geradezu haarsträubenden Fällen, die deutlich machen, wie einige Firmen mit ihren Kunden umspringen. In unserer Rubrik „Vorsicht, Kunde!“ berichten wir über solche Entgleisungen, Ungerechtigkeiten und dubiose Geschäftspraktiken. Damit erfahren Sie als Kunde schon vor dem Kauf, was Sie bei dem jeweiligen Unter nehmen erwarten oder manchmal sogar befürchten müssen. Und womöglich veranlassen unsere Berichte ja auch den einen oder anderen Anbieter, sich zukünftig etwas kundenfreundlicher und kulanter zu verhalten.
Falls Sie uns eine solche böse Erfahrung mitteilen wollen, senden Sie bitte eine chronologisch sortierte knappe Beschreibung Ihrer Erfahrungen an: vorsichtkunde@ct.de.
Spezielle Kontaktmöglichkeiten für Presseanfragen gibt es bei dieser "Deutschen" Lottoagentur auch nicht. Wir versuchten trotzdem unser Glück und fragten am 24. Juni unter der allgemeinen Service-Adresse an, ob das Unternehmen tatsächlich Auszahlungen von Guthaben an Erben des Nutzers ausschließe und wie es dies begründe. Außerdem wollten wir wissen, was Nutzer von lottohelden.de und anderen Plattformen des Unternehmens tun könnten, um einen Verlust von Guthaben und Gewinnen bei eigenem Ableben und Eintritt des Erbfalles zu verhindern. Schließlich war in den Mails von "Melina" zu lesen, dass auch Gewinne nicht an Erben ausgezahlt würden. Wenn also jemand den Jackpot knackt und verstirbt, bevor er den Gewinn abgerufen hat, dann würden die Erben leer ausgehen. Dass man bei derartigen Firmen ohnehin nicht weiß, ob sie versprochene Millionengewinne jemals auszahlen, steht auf einem anderen Blatt.
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Schmutzige Geldwäsche
Am folgenden Tag erhielten wir eine Antwort des Anbieters: Bei dem benannten Betrag von 75,05 Euro handele es sich um ein Guthaben aus einer Einzahlung vom 8.11.2022, welches zweckgebunden sei und das man gemäß den Auflagen als Glücksspielanbieter entsprechend dem Geldwäschegesetz (GwG) nicht wieder auszahlen dürfe. Es könne zweckgebunden, zum Beispiel für den Kauf eines Spielscheins verwendet werden.
Im Gegensatz dazu könnten Kunden über Guthaben aus Gewinnen jederzeit verfügen, hieß es weiter. Sie unterlägen folglich auch der Erbfolge. Obwohl im Fall von Jochen B. kein Nachweis der Erbfolge vorliege, werde man nach Rücksprache mit der Compliance-Abteilung den Betrag zurücküberweisen.
Nach einem Nachweis war Jochen B. nie gefragt worden. Die Antwort stand zudem im Widerspruch zu den AGB, denen zufolge sich Jochen B. ja unberechtigt Zugang zum Nutzerkonto seines verstorbenen Vaters verschafft hatte. Wollten die Lottohelden noch bestehende Guthaben aus Einzahlungen Verstorbener etwa doch behalten, wie es der bisherige Schriftwechsel mit Jochen B. nahelegte?
Inaktiv
Nun verwiesen die Lottohelden in einer weiteren Antwort darauf, dass auf dem Konto weit über ein Jahr keine Aktivitäten stattgefunden hätten und man deshalb nach den eigenen AGB schon längst berechtigt gewesen wäre, es zu schließen. Den Grund für eine Inaktivität könne man nicht wissen. Immerhin räumte man ein, dass man im Fall B. kulanter hätte sein können. Man habe dieses in seinen Handlungsanweisungen bereits nachgebessert. Dass Ansprüche im Allgemeinen nicht nach einem, sondern erst nach drei Jahren verjähren und man das per AGB kaum verkürzen kann, scheinen die Lottohelden also auch nicht auf dem Schirm zu haben.
Kurz vor Redaktionsschluss teilte uns Jochen B. mit, dass seine Mutter inzwischen das Geld auf ihrem Konto erhalten hätte. Bleibt zu hoffen, dass die Lottohelden sich im Umgang mit den Angehörigen früherer Kunden künftig tatsächlich angemessener verhalten werden. Immerhin dürften die Chancen dafür etwas besser stehen, als tatsächlich einen Jackpot zu knacken.
(tig)