Münchner CSU sorgt sich um die städtische Linux-Migration

Die konservative Stadtratsfraktion verlangt Aufklärung über die Auswirkungen der Brüsseler Softwarepatent-Richtlinie auf das LiMux-Projekt.

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Nach den Grünen zeigt sich nun auch die CSU im Münchner Stadtrat besorgt um die geplante Linux-Migration der Verwaltung. Auslöser ist die Verwirrung über die möglichen Folgen der momentan in Brüssel verhandelten Direktive über die Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen". In einem Dringlichkeitsantrag an Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) fordert die CSU-Fraktion bis Ende September eine "detaillierte" Darstellung, "welche Auswirkungen die EU-Richtlinie zur Einführung von Softwarepatenten auf das Münchner Linux-Projekt hat". Insbesondere sei auf die Frage einzugehen, welche Mittel bisher für die Linux-Umstellung aufgewendet worden sind und welche zusätzlichen erhöhten Kosten entstehen können. Wissen wollen die Konservativen ferner, ob das viel beachtete Projekt überhaupt zeitnah realisiert werden kann und seit wann der Stadtverwaltung bekannt ist, dass eine derartige EU-Richtlinie erlassen werden könnte.

Die CSU begründet die gewünschte Eilauskunft mit der Angabe, dass allein der künftige Basis-Client der Stadtverwaltung mindestens 50 verschiedene Patente, die beim Europäischen Patentamt angemeldet sind, im Falle einer Verabschiedung der Brüsseler Gesetzgebung in ihrer aktuellen Version des EU-Rates verletzen würde. Sie beruft sich damit -- wie die Grünen -- indirekt auf eine kurzfristige Patentrecherche des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII), die allerdings nicht unumstritten ist. Die CSU fürchtet entweder das Aus für das gesamte LiMux-Projekt oder seine "nicht abschätzbare" Verteuerung. Aus denselben Ängsten hat die Stadtverwaltung vergangene Woche wichtige Etappenziele der Migration auf Eis gelegt und damit heftige Reaktionen ausgelöst.

Erstaunlich ist an der Anfrage, dass der Experte der CSU in Brüssel, der Europaparlamentarier Joachim Wuermeling, eigentlich keinen Einfluss der umstrittenen Richtlinie auf die Münchner Linux-Migration erkennen kann. Dies verlautbarte auf Anfrage von heise online am heutigen Montag aus dem Büro des Abgeordneten. Wuermeling geht davon aus, dass sich die Ratsposition trotz der Einsprüche aus dem niederländischen Parlament nicht mehr verändern wird. Zudem: Obwohl der Ministerrat die Position des Europaparlaments vom vergangenen September in entscheidenden Punkten wie der Technizitätsdefinition oder der Frage der Umgehung von Softwarepatenten zur Herstellung von Interoperabilität revidiert hat, sieht er beide Entwürfe "nur Zentimeter" voneinander entfernt, erklärte der CSU-Politiker kürzlich gegenüber der Financial Times Deutschland. Die Münchner CSU, die gegen die Linux-Migration der Stadtverwaltung gestimmt hatte und jüngst "Feierabendprogrammierer" in der Open-Source-Szene am Werk sah, kommt nun zu einer anderen Meinung.

Im LiMux-Projektbüro im Rathaus der bayerischen Landeshauptstadt erhofft man sich derweil endlich ein verlässliche Versicherung der Politiker in Berlin und Brüssel, dass freie Software nicht durch die verhandelte Richtlinie gefährdet wird. Dass die Expertenwelt vehement über diese Frage streitet, zeige den Klärungsbedarf auf, hieß es in München. Wenn durch die EU-Richtlinie Open Source nicht verhindert werden solle, müsse dies auch handfest aus dem Text des Gesetzes hervorgehen. Generell sind die Projektmitarbeiter nach wie vor fest davon überzeugt, dass die komplette Umstellung der Computerlandschaft in der Stadtverwaltung machbar ist.

Zum Thema Linux-Migration in München siehe auch:

Zum Thema Softewarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)