Simulationen bestätigt: Fehlende herkömmliche Materie des Universums gefunden
Die Astronomie konnte nicht nur die Dunkle Energie und Dunkle Materie nicht nachweisen, auch viel herkömmliche Materie fehlte. Das hat sich nun wohl geändert.
Simulation der Netzstrukturen zwischen den Galaxien
(Bild: Illustris Simulation/ESA)
Ein internationales Forschungsteam hat eine gigantische Struktur aus heißem Gas zwischen mehreren Galaxien entdeckt, die ein wichtiger Teil jener herkömmlichen Materie sein dürfte, die bislang nicht nachweisbar war. Das hat die Universität Bonn mitgeteilt, wo mit Florian Pacaud einer der Forschungsleiter arbeitet. Das riesige Gasfilament legt demnach nahe, dass die bestehenden Modelle zur Verteilung der sogenannten baryonischen Materie tatsächlich stimmen. Es bestehe hauptsächlich aus freien Elektronen und Protonen mit einer Temperatur von über zehn Millionen Grad Celsius. Die Dichte betrage etwa zehn Teilchen pro Kubikmeter und damit 30- bis 40-mal so viel wie der Durchschnitt des Universums.
Großteil der Materie im Kosmos noch nicht lokalisiert
Wie der Astronom Pacaud anlässlich der Entdeckung noch einmal in Erinnerung ruft, besteht das Universum nach unserem Verständnis zu 70 Prozent aus Dunkler Energie und zu 25 Prozent aus Dunkler Materie. Beide sind bislang nur theoretisch beschrieben, aber zur Erklärung der Rotationsraten von Galaxien und der zunehmenden Expansionsgeschwindigkeit des Kosmos nötig. Aber auch die verbleibende herkömmliche Materie – die insgesamt nur 5 Prozent beiträgt – haben wir noch nicht vollständig lokalisiert: "Nicht nur, dass die moderne Physik die Natur von 95 Prozents des Inhalts unseres Universums nicht kennt – wir sind bisher auch nicht in der Lage, die Hälfte der verbleibenden 5 Prozent zu lokalisieren", zitiert ihn die Universität Bonn.
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Simulationen hätten ergeben, dass die bislang fehlende herkömmliche Materie vor allem in Form von warmer ionisierter Materie vorkommen muss. Gefunden habe man aber bislang nur Teile davon und diese Nachweise hätten auch nicht zu den Simulationen gepasst. Das habe man nun ändern können. Möglich war das demnach nur dank der Daten zweier Weltraumteleskope aus Europa und Japan. In einem ersten Schritt habe man die Ausrichtung der Gasstrukturen bestimmt und dann mithilfe des japanischen Suzaku-Röntgenteleskops ein Spektrum der gesamten Region erstellt. Mit den Daten des europäischen XMM-Newton-Teleskops habe man dann Störungen durch Schwarze Löcher herausrechnen können.
Auf diese Weise habe man ermitteln können, wie genau die gigantische Gasstruktur aufgebaut ist, die die Galaxienhaufen A3532 und A3530 sowie A3528-N und A3528-S verbindet. Alle vier sind demnach Teil einer Ansammlung von über 8000 Galaxien, die 650 Millionen Lichtjahre von uns entfernt sind. Das analysierte Gasfilament kommt demnach auf die zehnfache Masse der Milchstraße, und die Arbeit soll jetzt den Weg für ähnliche Studien ebnen. Die könnten nicht nur bei der Lokalisierung der bislang fehlenden Materie helfen, sondern auch die Verbindungen zwischen Galaxien offenlegen. Vorgestellt wird die Arbeit und die Entdeckung im renommierten Wissenschaftsmagazin Astronomy & Astrophysics.
(mho)