Linsen in VR-Brillen: Zwischen Schärfe, Gewicht und optischen Nebenwirkungen

Fresnel, Pancake oder asphärisch: In VR-Brillen steckt viel optisches Know-how, doch die Wahl der richtigen Linse bleibt ein Kompromissgeschäft.

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Der Blick von innen auf die Linsen der VR-Brille Meta Quest Pro.

Die Linsen in VR-Brillen haben einen entscheidenden Anteil an der Bildqualität und Immersion des VR-Erlebnisses.

(Bild: Meta)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Die Wahl der richtigen Linse ist entscheidend für die Bildqualität, den Komfort und letztlich das Nutzererlebnis in Virtual Reality. Der Markt bietet heute drei etablierte Linsentypen – Fresnel, Pancake und asphärisch –, die jeweils spezifische Vor- und Nachteile aufweisen. Eine ideale Lösung gibt es jedoch bislang nicht. Der Versuch, das perfekte Headset zu bauen, ist und bleibt ein Balanceakt zwischen physikalischen Grenzen und wirtschaftlichen Zwängen. Doch worin unterscheiden sich die gängigsten Linsentypen und worauf sollten Käufer achten?

Arne Engler ist Diplom-Ingenieur (FH) für Augenoptik und Geschäftsführer von vroptiker.de. Er und sein Team arbeiten mit zahlreichen VR-Herstellern zusammen und bieten austauschbare Sehstärkelinsen für alle gängigen VR-Brillen an. Engler warnt davor, technische Spezifikationen isoliert zu betrachten: "Das Auge ist kein Objektiv, sondern ein Organismus." Das Gehirn gleiche viele Unzulänglichkeiten aus, etwa den blinden Fleck, an dem der Sehnerv austritt.

"Schließt man ein Auge, nimmt man keine Stelle wahr, an der man nichts sieht. Auf solchen Effekten beruhen fast alle optischen Täuschungen. Was das Auge sieht, ist nicht gleich dem, was wir visuell wahrnehmen." Diese Fähigkeit zur Interpolation erklärt, warum Linseneffekte wie Glare (diffuse Lichtüberstrahlung), Halo-Effekte (Leuchtränder), chromatische Aberration (Farbsäume) oder ein enger Sweetspot von Person zu Person unterschiedlich stark wahrgenommen werden.

Auch, wenn man sie nicht sofort wahrnimmt, schlechte optische Eigenschaften einer VR-Brille können besonders bei langem Gebrauch zu Ermüdung, Unwohlsein oder sogar Sehschädigungen führen. In diesem Zusammenhang spielt die Gefahr der Myopsierung eine wichtige Rolle. VR-Brillen projizieren das Bild so, dass das Auge auf eine virtuelle Entfernung von etwa 1,5 bis 2 Metern fokussiert wird, obwohl das dargestellte Objekt oft viel näher erscheint.

Diese permanente Naharbeit kann, ähnlich wie bei der intensiven Nutzung von Smartphones und Monitoren, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen die Entwicklung von Kurzsichtigkeit fördern oder bestehende Kurzsichtigkeit bei Erwachsenen verstärken. Einige VR-Linsentypen, wie etwa asphärische Linsen, stehen zudem in Verdacht, aufgrund ihrer Bauart die Verstärkung von Kurzsichtigkeit eher zu begünstigen. Wer kurzsichtig ist, sollte deshalb immer Korrekturlinsen unter der VR-Brille tragen oder entsprechende VR-Sehstärkeeinsätze anschaffen.

Ebenfalls wichtig ist, dass beim Kauf einer VR-Brille immer auf eine stufenlose IPD-Einstellung geachtet wird, damit der Abstand der Linsen genau auf den Abstand der eigenen Pupillen eingestellt werden kann. Bei zu starker Abweichung wird das Bild unscharf, was die Augen zusätzlich anstrengt.

VR-Linsen - Fresnel, Pancake, asphärisch (3 Bilder)

Fresnel-Linsen bestehen aus konzentrischen Rillen, was eine flache Bauweise ermöglicht, Gewicht spart und die chromatische Abberation reduziert. (Bild:

Josef Erl

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Fresnel-Linsen waren jahrelang der Standard in vielen VR-Headsets, gelten heute allerdings als technisch überholt. Sie stecken in der Meta Quest 2, der Playstation VR2 oder Metas aktueller Einsteiger-VR-Brille Quest 3S. Ihr Vorteil liegt in der einfachen und flachen Bauweise. Durch die konzentrischen Rillen wird das Gewicht reduziert und ein vergleichsweise breites Sichtfeld ermöglicht. Doch gerade diese Rillenstruktur ist auch ihre größte Schwäche.

Ein häufig kritisiertes Phänomen sind "God Rays" – strahlenartige Lichtartefakte, die vor allem bei kontrastreichen Szenen auftreten. Sie entstehen durch Lichtstreuung an den Rillen und lassen sich physikalisch kaum vermeiden. Zudem fällt bei vielen Fresnel-Systemen der "Sweetspot", also der Bereich mit maximaler Bildschärfe, vergleichsweise klein aus. Dadurch können schon leichte Augenbewegungen oder eine suboptimale Positionierung zu Unschärfen, Verzerrungen oder Farbsäumen im Bild führen.

Ein jüngerer Linsentyp, der sich vor allem in kompakten Standalone-Headsets etabliert hat, ist die Pancake-Optik. Sie nutzt mehrere Spiegel und Polarisationsfilter, um den Lichtweg zu falten und so eine flachere Bauform zu ermöglichen. Die Meta Quest 3 und die Pico 4 Ultra setzen auf dieses Prinzip. Pancake-Linsen ermöglichen eine hohe Bildschärfe bis zu den Rändern und minimieren Verzerrungen sowie Farbsäume (auch "chromatische Aberration" genannt). Das Resultat ist ein großzügiger Sweetspot und eine gute Spontanverträglichkeit, wie Engler betont.

Doch der Preis für die flache Bauweise ist hoch: "Jede zusätzliche optische Oberfläche absorbiert Licht", erklärt Jaap Grolleman, Kommunikations-Chef von VR-Hersteller Pimax. Während asphärische Glaslinsen bis zu 99 Prozent des Displaylichts durchlassen, erreichen Pancake-Systeme oft nur rund 15 Prozent. Die Folge sind geringere Helligkeit, verminderter Kontrast und eine weniger kräftige Farbdarstellung, insbesondere am Rand des Sichtfeldes.

Auch das maximal darstellbare Field of View (FOV) fällt in der Regel kleiner aus als bei Fresnel-Systemen, auch wenn Marketingangaben gelegentlich etwas anderes suggerieren. "Da die Linsen zum Rand hin steiler werden, kann das FOV nur zu Lasten einer höheren Bautiefe, eines höheren Gewichts und zunehmender chromatischer Aberrationen vergrößert werden", erklärt Engler.

Asphärische Linsen gelten als die optisch hochwertigste Variante. Sie kommen ohne Rillenstruktur aus, bieten ein durchgängig scharfes Bild und verursachen keine God Rays. Die gezielte Krümmung der Linse sorgt stattdessen für minimale Verzerrung und eine hohe Bildklarheit über ein großes Sichtfeld. High-End-Modelle wie die Crystal-Serie von Pimax setzen konsequent auf Glaslinsen mit asphärischer Form.

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Allerdings hat diese Qualität ihren Preis: Die Linsen sind schwer, benötigen mehr Platz zwischen Display und Auge und eignen sich daher kaum für kompakte Bauformen. Zudem kann es bei Blickbewegungen zu einem sogenannten "Wobbeleffekt" kommen, also einer leichten Bildverzerrung, die durch die flachere Bildpunktkugel entsteht.

Engler weist darauf hin, dass diese Linsenform unter Umständen sogar eine Myopsierung begünstigen könne, also eine Zunahme der Kurzsichtigkeit. Pancake-Linsen schneiden hier deutlich besser ab: "Nach der aktuellen wissenschaftlichen Lage sollten Pancake-Linsen einer Myopsierung auch bei Dauernutzung entgegenstehen", so Engler.

"Ein Headset ist immer ein Kompromiss aus verschiedenen Aspekten. Verbessert man den einen, verschlechtert man wiederum einen anderen. Deshalb muss man erst einmal schauen, was die Zielsetzung ist", so Engler. Für ihn ist derzeit die Meta Quest 3 das nahezu perfekte Standalone-Headset: "Sehr gute Spontanverträglichkeit, hoher Sweetspot, niedrige chromatische Abberation." Nur in Sachen Komfort und Gewicht sieht er die Pico 4 Ultra vorn.

"Eine Kombination aus beiden wäre für mich die perfekte Standalone-VR-Brille." Auf dem PC-VR-Markt sieht Engler derzeit kein vergleichbares Produkt. Viele Headsets seien zu schwer und hätten zu viele Nachteile zugunsten eines hohen FOVs. "Im Grunde würde ich in meine uralte Valve Index einfach die Meta Pancake Linse und ein besseres Display einbauen. Komfort, Anbindung und Tracking sind nach wie vor erstklassig." Gut möglich, dass Valve hier bald nachlegt. Gerüchten zufolge könnte eine Hybrid-VR-Brille mit dem Codenamen "Deckard" noch dieses Jahr erscheinen.

"Ein perfektes Headset gibt es nicht", sagt hingegen Grolleman. "Es müssen immer Kompromisse hinsichtlich Preis, Größe, Gewicht, Sichtfeld, Stereoüberlagerung, Klarheit, Auflösung, Wärmeverteilung und Funktionen wie Eye-Tracking gefunden werden." Bei der Crystal-Serie setze man konsequent auf optische Qualität, auch wenn das Gewicht im Gegenzug steige. "Für Simulationen ist das ideal", erklärt er. "Für mobile Anwendungen wie Social VR oder Filme braucht es wiederum leichtere Geräte." Für diese Einsatzzwecke hat Pimax mittlerweile die kompakte Dream-Air-Serie mit Pancake-Linsen angekündigt. Auch die kommenden schlanken XR-Brillen für Medienkonsum von ByteDance und Meta dürften wieder auf diesen Linsentyp setzen.

Wer heute eine VR-Brille kauft, sollte sich bewusst machen, dass keine Linse alle Anforderungen gleichzeitig erfüllen kann. Es kommt immer auf den Einsatzzweck an: Wer ein leichtes, kompaktes Gerät für Filme oder soziale Anwendungen sucht, ist mit Pancake-Linsen gut beraten. Die höchste Bildqualität liefern asphärische Systeme, die dafür größer und schwerer ausfallen. Wer vor allem Wert auf einen günstigen Einstieg legt, findet mit Fresnel-Linsen eine Kompromisslösung, muss aber mit optischen Einschränkungen leben.

Langfristig könnten modulare Linsensysteme eine Lösung sein. Denkbar wäre ein Konzept mit einer schwächeren Hauptlinse im Headset, die durch austauschbare Zusatzlinsen mit Sehstärke ergänzt wird – ähnlich wie bei Mikroskopen. Arne Engler hält ein solches System für High-End-PC-VR für durchaus realistisch, nicht aber bei mobilen Headsets für den Massenmarkt. Bis dahin bleibt VR optisch gesehen ein Balanceakt zwischen Klarheit, Lichtstärke, Sichtfeld und Komfort. Und jeder Nutzer muss für sich entscheiden, welche Kompromisse er bereit ist, einzugehen.

(joe)