Justizministerium: Keine 3 Jahre Haft für Tauschbörsen-Nutzer geplant

Im reformierten Urheberrecht soll eine "Bagatellklausel" die Kriminalisierung von Peer-2-Peer-Usern im großen Stil verhindern, zivilrechtliche Ansprüche bleiben davon aber unberührt.

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Am Wochenende sorgte eine auch über Nachrichtenagenturen verbreitete Meldung für Aufsehen, wonach auf die Nutzung von Online-Tauschbörsen künftig drei Jahre Haft stehen sollen. Dies sehe der Entwurf für die weitere Reform des Urheberrechts vor, hieß es. Doch da scheinen griffige Knüller-News zu sehr im Vordergrund gestanden zu haben, was auch laut Bundesjustizministerium zu einer verzerrten Darstellung der geplanten Änderungen geführt hat.

Den Entwurf für die weitere Novellierung des Urheberrechts stellte c't aktuell vor knapp zwei Wochen vor. Auf die Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken ohne Einwilligung der Rechteinhaber steht zwar momentan bereits generell -- und auch künftig -- eine Haftstrafe bis zu maximal drei Jahren. Das ist in Paragraph 106 des Urheberrechtsgesetzes (UrHG) bereits klar geregelt; eine Änderung der Passage ist in dem neuen Entwurf nicht vorgesehen. Neu ist allerdings die von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries geplante "Klarstellung" in Paragraph 53, der das Privileg der Privatkopie regelt. Demnach soll das Kopieren "offensichtlich rechtswidrig genutzter Vorlagen" kriminalisiert werden. Künftig soll demnach gemäß Justizministerium gelten: Wenn für den Nutzer einer Tauschbörse etwa angesichts des noch gar nicht gestarteten Kino-Blockblusters oder einer aktuellen Hit-Single klar ersichtlich ist, dass es sich um ein illegitimes Angebot im Internet handelt, darf er keine Privatkopie davon erstellen.

Um durch die Regelung nicht etwa surfende Schulkinder bei Downloads urheberrechtlich geschützter Songs oder Videos aus P2P-Netzen von vornherein zu kriminalisieren, will Zypries aber mithilfe einer "Bagatellklausel" die Änderung von Paragraph 53 abmildern. "Damit wird es einen Strafausschluss für den geringen Gebrauch von Tauschbörsen geben", stellte ein Sprecher des Justizministeriums gegenüber heise online klar. Nur bei Surfern, die sich massenweise illegal die Platte volladen, greife die strafrechtliche Vorschrift aus Paragraph 106. Darüber hinaus bestehe aber -- wie bisher bereits -- ein zivilrechtlicher Anspruch geprellter Rechteinhaber gegenüber auffällig gewordenen Tauschbörsen-Nutzern unabhängig von Grad der Inanspruchnahme der Gratis-Dienste. Der lässt sich in der Praxis allerdings nur mit einem gewissen Aufwand durchsetzen. Die am Wochenende durch einzelne Medien gegangenen Überschriften seien damit aber "falsch", betonte der Ministeriumssprecher.

Viele Fragen offen lässt der Entwurf zur Änderung des Urheberrechts trotzdem. So werden die vorgesehenen "Bagatellen" im Gesetz nicht definiert. Es lässt sich also beispielsweise keine Grenze an Download-Volumen aus Tauschbörsen ableiten. Genauso schwammig bleibt die "Offensichtlichkeit" der genutzten Kopiervorlagen. "Immerhin muss ein erhebliches Maß an Kenntnis über die Rechtswidrigkeit bei dem Nutzer vorhanden sein", erläutert Till Kreutzer vom Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS) den Begriff. "Ob und wann das dann der Fall ist, werden die Gerichte zu klären haben." Bis dahin werde es mit der Rechtssicherheit nicht weit her sein. Auch detailliertere Regelungen würden aber die Gefahr in sich tragen, ihrerseits zu Unsicherheiten im Stile "es gilt eine Ausnahme der Ausnahme" zu führen. Der beste Ausweg aus dem Schlamassel bestehe darin, die geplante Einschränkung der Privatkopie wegzulassen. Ein weiterer Vorschlag Kreutzers: "Man könnte auch die strafrechtliche Verfolgung auf gewerbliche Urheberrechtsverletzungen beschränken."

Zu dem Entwurf des Bundesjustizministeriums für die weitere Novellierung des Urheberrechts siehe auch:

Zur Auseinandersetzung um das Urheberrecht siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)