Kommentar: Ex-Verkehrsminister Scheuer fehlt die Gabe des Schweigens
Ex-Verkehrsminister Scheuer ist medial wieder präsent. Dabei geht es nur um einen kleinen Teil seines Versagens. Der eigentliche Skandal bleibt unbearbeitet.Â
Andreas Scheuer (CSU) war zwischen 2018 und 2021 Bundesverkehrsminister.
(Bild: Daimler/heise medien)
Auf einmal war er wieder da: Am 20. August war Andreas Scheuer ein Thema in so ziemlichen allen Nachrichtensendungen. Die Staatsanwaltschaft Berlin erhebt Anklage wegen Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss. Der ehemalige Verkehrsminister muss sich einer Debatte stellen, die am Kern seines millionenschweren Versagens haarscharf vorbei zielt, es aber gewissermaĂźen aus einer anderen Perspektive nochmals beleuchtet.
Teurer Murks
In der nun erfolgten Anklage gegen Andreas Scheuer geht es nicht um das finanzielle Desaster, das der Ex-Minister angerichtet hat. Den deutschen Steuerzahler kostet der von ihm verursachte Murks 243 Millionen Euro, für die er nichts bekommt. In einem möglichen Verfahren aber geht es jetzt darum, ob Scheuer vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestages gelogen hat. Da er keine Immunität mehr hat, kann das juristisch durchaus unangenehm für ihn werden. Ihm könnte eine Gefängnisstrafe drohen.
Es gibt widersprüchliche Aussagen dazu, was Ende 2018 eigentlich exakt passiert ist. Akteure eines Konsortiums, das die Pkw-Maut logistisch umsetzen sollte, hatten mehrfach betont, Scheuer angeboten zu haben, eine Entscheidung des EuGH abzuwarten. Denn Österreich hatte dort gegen die deutschen Pläne geklagt, mit denen unterm Strich nur ausländische Autofahrer auf deutschen Autobahnen finanziell belastet werden sollten. Doch Scheuer drückte aufs Tempo, und er hatte seine ganz eigenen Gründe dafür: Eine sogenannte Verpflichtungsermächtigung des Bundestages, mit der er eine Maut für Pkw auf den Weg bringen konnte, galt nur bis Ende 2018. Er sah sich zum Handeln aufgefordert und schloss Ende Dezember 2018 mit dem Konsortium einen Vertrag, ohne die wesentliche Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten. 2019 brachte der EuGH diese Idee dann tatsächlich zu Fall, die Pkw-Maut war damit vom Tisch.
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Von Reue keine Spur
Vor dem Untersuchungsausschuss sagte Scheuer im Oktober 2020 aus, er könne sich nicht erinnern, von den Betreibern des Konsortiums ein Angebot bekommen zu haben, die Unterzeichnung des Vertrags zur Umsetzung einer Pkw-Maut zu verschieben. Die Betreiber des Konsortiums sagen aus, ein solches Angebot hätte es sehr wohl gegeben. Möglicherweise rettet Scheuer die Berufung auf eine fehlende Erinnerung juristisch. Andererseits muss die Staatsanwaltschaft eine Hoffnung sehen, ihm eine Lüge nachweisen zu können, denn sonst hätte sie keine Chance gesehen, mit ihrer Anklage Erfolg zu haben.
Was bis heute vollkommen fehlt, ist das Eingeständnis eines Fehlers. Scheuer, inzwischen aus der Politik ausgeschieden, hat bislang mit keiner Silbe Bedauern über sein katastrophales Handeln zum Ausdruck gebracht. Von Reue keine Spur. Er gehe erhobenen Hauptes und würde wieder so handeln, sagte er 2021. Angesichts des angerichteten Schadens wäre zumindest ein Hauch von Schuldbewusstsein mehr als nur eine angebrachte Geste, zumal sie ihn nichts kosten würde. Politisch ist der Mann ohnehin erledigt, und nach rund 20 Jahren im Bundestag finanziell auch abgesichert.
Doch Selbstreflexion oder gar Fingerspitzengefühl in dem, was man besser nicht sagt, liegt ihm offenkundig nicht. In einem auf Facebook veröffentlichten Statement tönt er, er werde sich mit aller Kraft zur Wehr setzen (was sein gutes Recht ist) und "seine Unschuld verteidigen". Der Staatsanwaltschaft warf er vor, politisch motiviert zu handeln und für die Anklageerhebung das mediale Sommerloch nutzen zu wollen. Statt eigenes Versagen einzugestehen, zieht er auch noch den Rechtsstaat in Zweifel. Wenn Verantwortlichen nach einem Desaster in der Größenordnung von knapp einer viertel Milliarde Euro schon kein glaubhaftes Wort des Bedauerns entweichen mag, wäre wenigstens Schweigen zur Anklage angemessen gewesen. Diese Größe hat Andreas Scheuer nicht aufbringen können.
(mfz)