Deutsch-österreichischer Angriff auf Metas Geschäftsmodell
5.000 Euro für jeden deutschen Facebook- oder Instagram Nutzer fordert eine neue Verbandsklage gegen die Meta Business Tools. Doppelt so viel für Kinder.
(Bild: nitpicker/Shutterstock.com)
Facebook soll einen deutschen Nutzer mit 5.000 Euro entschädigen, weil es ihn im Internet außerhalb Facebooks überwacht hat, sagt das Landgericht Leipzig. Doch warum nur den einen Nutzer, schließlich werden doch alle ausgewertet? Diesem Gedanken folgend erhebt eine Berliner Kanzlei mit Unterstützung aus Österreich Verbandsklage gegen Facebook-Betreiber Meta Platforms. Zusätzlich wird in Österreich prozessiert, dort auch im Namen der mit ausgewerteten österreichischen Nicht-Facebook-Nutzer.
Das Projekt wurde Donnerstagvormittag in Wien vom österreichischen Verbraucherschutzverein (VSV) vorgestellt. Die Klagen sind ein Angriff auf ein wesentliches Standbein des Geschäftsmodells von Meta Platforms: Die Meta-Business-Tools, die auf Abertausenden Webseiten und Apps eingebaut sind. Diese Meta-Dienste unterstützen Betreiber von Webseiten, Apps und Online-Werbung "bei der Integration ihrer Apps und Websites und beim Teilen ihrer Daten mit Meta", wie Meta es formuliert.
Unter anderem durch unsichtbare "Meta Pixel" sammeln Meta-Business-Tools personenbezogene Daten über alle Internetnutzer und erstellen daraus für jeden Meta-Nutzer ein Profil. Wer kein Meta-Konto hat, erhält, ob er will oder nicht, ein sogenanntes Schattenprofil. "Instagram kennt Ihre sexuellen Vorlieben, Facebook weiß von Ihrem Alkoholproblem", fasst es der VSV zusammen, "Jeden Klick, jede Suche, jeden Kauf im Internet kann der Meta-Konzern mitlesen."
Mangels Zustimmung der Betroffenen verstoße Meta massiv gegen europäischen Datenschutz und fahre in der Folge Milliardengewinne mit personalisierter Werbung ein, hat das Landgericht Leipzig im Juli geurteilt (Az. 05 O 2351/23, nicht rechtskräftig). Einem durchschnittlichen Facebook-Nutzer stünden dafür 5.000 Euro Schadenersatz zu, außerdem habe Meta Auskunft über die bisherige Datensammlung zu erteilen und sie fortan zu unterlassen. Meta sieht sich hingegen im Recht und führt Berufung.
Tausende Klagen, über alle deutschen Landgerichte
Tatsächlich sind in Deutschland bereits an allen 120 Landgerichten Klagen gegen die Meta-Business-Tools anhängig. Die Berliner Kanzlei BK Baumeister & Kollegen vertritt rund 7.000 rechtsschutzversicherte Kläger und hat auch das Leipziger Urteil erstritten. Die erste solche Klage wurde im Oktober 2023 eingebracht; rund 2.000 Verfahren sind bislang in erster Instanz entschieden, kein einziges rechtskräftig.
Zunächst urteilten die deutschen Gerichte überwiegend für Meta, doch nach und nach gewinnen die Datenschutzargumente Boden bei deutschen Richtern. "In den letzten zwei Monaten ist es ungefähr 50/50", schilderte Max Baumeister im Gespräch mit heise online. Insgesamt sind circa 700 der rund 2.000 erstinstanzlichen Urteile zugunsten seiner Mandanten ausgefallen.
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Die juristischen Begründungen sind nicht immer gleich, die zugesprochenen Schadenersatzbeträge variieren um den Faktor 100, von 100 Euro bis 10.000 Euro reicht die Bandbreite. Etwa 100 der 700 erfolgreichen Urteile sind vierstellig ausgefallen. Für öffentliches Aufsehen sorgte vor allem die Leipziger Entscheidung mit 5.000 Euro Schadenersatz. Inzwischen sind weitere deutsche Kanzleien auf den Zug aufgesprungen.
Meta und Baumeister haben gegen praktisch jedes verlorene Urteil Rechtsmittel eingelegt. Die ersten Termine der zweiten Instanz sind für November anberaumt, im März 2026 dürften die ersten Berufungsentscheidungen ergehen. Zusätzlich zu den circa 7.000 eingebrachten Klagen hat Baumeister noch einmal rund doppelt so viele Deutsche in der Kartei, die sich bei ihm für eine Klage gegen Meta angemeldet haben. Hier rächt sich, dass die Rechtsordnung der Bundesrepublik keine Sammelklagen kennt.
Neu: Verbandsklage
Doch im Oktober 2023 hat Deutschland die EU-Verbandsklagenrichtlinie umgesetzt. Sie sieht die sogenannte Abhilfeklage vor, mit der Verbraucherverbände gleichartige Ansprüche von Verbrauchern gegen ein Unternehmen geltend machen können. Und im österreichischen VSV hat Baumeister einen solchen Verbraucherverband als Partner für den juristischen Angriff auf Metas Überwachung gewonnen. Fehlte noch jemand, der das Ganze bezahlt, und auch den gibt es in Österreich: den Prozessfinanzierer Padronus. Er erhält im Erfolgsfall 9,5 Prozent des ausgezahlten Schadenersatzes, der Rest geht an die sich registriert habenden Verbraucher.
Im Auftrag des VSV hat Baumeister nun Meta Platforms im Namen aller deutschen Facebook- oder Instagramnutzer (ab 2018) vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg verklagt, weil Meta dort seine deutsche Niederlassung hat. Gefordert werden umfassende Auskunft über die Datensammlung, Löschung der Daten, und Schadenersatz: 5.000 Euro für Erwachsene, 10.000 Euro für jene, die irgendwann (2018 oder später) als Minderjährige betroffen waren.
"Wir machen diese Verbandsklage, weil es unserer Meinung nach der Sache nicht guttut, wenn wir die Gerichte mit 100.000 Klagen eindecken", sagte Baumeister. "Es geht um die Überwachung des Privatlebens. Mit den Business-Tools zeichnet Meta auf, was die Leute im Internet tun." Der Nachteil der Abhilfeklage sei, dass die Gerichte keine Einzelpersonen anhören und damit besondere Einzelschicksale nicht berücksichtigen. Schadenersatz kann es damit nur in durchschnittlichem Ausmaß geben, womöglich differenziert nach Fallgruppen.
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Allerdings geht das in Deutschland (im Unterschied zu vielen anderen Ländern) nicht automatisch: