Volksabstimmung: 50,39 Prozent der Schweizer stimmen für E-ID
In der Schweiz wurde zum zweiten Mal über die Einführung eines "digitalen Passes" abgestimmt. Die äußerst knappe Mehrheit stellte sich erst spät ein.
(Bild: muhammadtoqeer/Shutterstock.com)
Was lange währt: Die Schweizer E-ID wird nun doch eingeführt – so hat es die Bevölkerung am Sonntag entschieden. Eine Abstimmung mit eher seltener Begleitmusik: Beim Ergebnis fiel sehr knapp aus.
Es gab in der Schweiz bislang nur wenige Volksabstimmungen, die zweimal zum gleichen Thema durchgeführt wurden. Eine davon war die erneute Abstimmung über das Bundesgesetz über den elektronischen Identitätsnachweis und andere elektronische Nachweise (E-ID-Gesetz). Der Grund dafür war, dass die elektronische Identitätskarte seit der gescheiterten ersten Abstimmung komplett neu entwickelt wurde. Die E-ID 2.0 hat also nicht mehr viel zu tun mit der Version, die zur ersten Abstimmung 2021 vorlag und an der Urne durchfiel.
Laut ersten Analysen gab es einen deutlichen Stadt-Land-Graben. Daher sieht der Politologe Lukas Golder von gfs.bern im SRF "eine tief gespaltene Schweiz – in allen Details". Knapper ging es auch kaum noch: 50,39 Prozent stimmten für die E-ID.
Erste Abstimmung scheiterte
Bei der ersten E-ID-Abstimmung im Jahr 2021 war die Angelegenheit deutlich klarer: Damals sprach sich beispielsweise eine Reihe von Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik in einem offenen Brief dafür aus, das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (BGEID) abzulehnen. Auf dem BGEID basierend sollte, wie sie bereits in anderen Ländern existiert, eine digitale, nationale und einheitliche Identifikationsmöglichkeit eingeführt werden.
Verschiedene Gruppen von E-ID-Gegnern, wie die Parteien SP und Grüne, Digital-Aktivisten oder Konsumentenschützer bildeten eine "Allianz gegen private E-ID". Sie lancierten eine erfolgreiche Unterschriftensammlung für ein Referendum gegen die Inkraftsetzung des BGEID, welches im März 2021 zur Abstimmung kam und mit 64 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt wurde.
Viele Kritiker waren überhaupt nicht gegen eine E-ID, sondern befürworten sogar eine "E-Democracy". Eine Umfrage zeigte, dass an und für sich 87 Prozent der Befragten für die Ausgabe einer digitalen ID waren. Allerdings wollten die meisten diese vom Staat erhalten. Doch, so entschieden es damals Regierung und Parlament, sollte der "digitale Pass" nicht vom Bund ausgestellt werden, sondern quasi durch Privatunternehmen. Zwar hätte allein der Staat weiterhin die Daten der Bürgerinnen und Bürger in seinen IT-Systemen behalten; bei Beantragung einer E-ID wäre die Identität einer Person durch den Bund amtlich überprüft worden, um sie einem sogenannten Identity Provider (IdP) zu bestätigen. Die IdP sollten dann schließlich die E-ID herausgeben. Als IdP vorgesehen waren große kommerzielle Unternehmen wie staatsnahe Betriebe, Finanzunternehmen, Krankenkassen. Dagegen mobilisierten die E-ID-Gegner erfolgreich.
Zweiter Anlauf
Gleichwohl war die E-ID nicht tot. Der Bund strebte immer noch nach einer Möglichkeit für Schweizerinnen und Schweizer sowie Personen mit Aufenthaltsberechtigung, mittels eines elektronischen Nachweises ihre Identität zu belegen. Ein neues E-ID-Gesetz wurde erarbeitet. Im Dezember 2024 kam es schließlich zu einer Abstimmung über die Neuauflage des BGEID. In revidierter Fassung wurde das E-ID-Gesetz von beiden Kammern des Parlaments mit großer Mehrheit verabschiedet.
Nun wird alles anders werden, sagen die Befürworter. Denn dieses Mal liegt die Verantwortung vollständig beim Staat. Der Bund entwickelt und betreibt die erforderliche Infrastruktur, gibt die E-ID heraus. Dazu stellt er eine offizielle Smartphone-App, ein Wallet namens "Swiyu" bereit. Mit ihr können die Nutzer eine E-ID beantragen, aufbewahren und vorweisen (Beta-Tests mit fiktiven Daten können damit bereits getätigt werden).
Wer eine E-ID möchte, lädt also Swiyu herunter, installiert die App auf dem Smartphone und muss dann einen Schweizer Ausweis mit der Kamera scannen. Nachdem ein Selfie hochgeladen wurde, prüft das Bundesamt für Polizei die Angaben. Beim Hochladen des Selfies wird das Verfahren "Presentation Attack Detection" (PAD) eingesetzt, das überprüft, ob es sich um eine echte, reale Person handelt oder ob nur ein Video oder Bild einer Person gezeigt wird. Um solche Präsentationsangriffe zu erkennen, checkt PAD etwa (Augen-)Bewegungen, Reflexionen, 3D-Tiefe und Texturen. Alle weiteren Prozessschritte und Abfragen sind kryptografisch gesichert – Details dazu und zur Technik der E-ID en detail finden sich hier.
Kostenlos und sicher
Die E-ID sei nicht nur freiwillig, kostenlos und sicher, betont der Bund stets. Für sehr viel höheres Vertrauen in die E-ID 2.0 – im Gegensatz zum Erstvorhaben – sorgt jetzt nicht nur, dass der Staat die für die Funktion der E-ID notwendige "Vertrauensinfrastruktur" betreibt. Das Basisregister speichert den Widerruf von Nachweisen, das Vertrauensregister verifiziert die Identität der Aussteller und die App ist das Werkzeug des Nutzers, um digitale Identitäten und Nachweise zu verwalten. Der Schutz der Privatsphäre und die Datensicherheit sollen so bestmöglich gewährleistet werden.
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Laut Bund können auch andere Behörden und Unternehmen die staatliche Infrastruktur nutzen und damit eigene elektronische Nachweise anbieten können, zum Beispiel einen Führerschein, Wohnsitzbestätigung oder einen Mitgliederausweis. Zudem soll die E-ID auch für Altersnachweise in der physischen Welt benutzt werden können. Außerdem soll das elektronische Organspende-Register mit der E-ID verknüpft werden. Voraussichtlich ab 2027 müssen Menschen ihren Einspruch gegen eine postmortale Organentnahme in dem Register oder auf traditionelle Weise festhalten (Widerspruchsregelung).
Datensparsamkeit
Das neue E-ID-Gesetz beherzigt jetzt auch die Prinzipien der Datensparsamkeit und das der "Self-Sovereign Identity" (selbstbestimmte Identität). Für die E-ID-Umsetzung ist etwa vorgesehen, dass Ämter und Firmen nur jene Daten abfragen dürfen, die für die jeweilige Nutzung nötig sind. So wird beim Altersnachweis lediglich bestätigt, dass die Person das Mindestalter erreicht hat, ohne ein genaues Geburtsdatum zu verraten. Die persönlichen Daten sind außerdem dezentral, also lediglich auf dem eigenen Mobilgerät gespeichert.
Bekämpft wurde die Neuauflage des E-ID-Gesetzes von diversen Gruppen wie den Corona-Maßnahmengegnern "Mass-voll" oder der Piratenpartei Schweiz (PPS). Von letzterer gab es aufgrund parteiinterner Streitereien rund um die E-ID eine Abspaltung von Mitgliedern der PPS, welche gar eine neue Partei gründeten, die "Digitale Integrität Schweiz". Diese war eine der Säulen des Komitees "E-ID-Gesetz NEIN". Dort dabei auch die Junge SVP, die EDU sowie die "Freunde der Verfassung".
Der kommende digitale Pass ist offenbar nur für Nutzer*innen von Mobiltelefonen mit iOS oder Android installierbar – zumindest anfänglich, heißt es seitens des Bundes. Die Ausgabe von E-IDs soll frühestens ab dem Sommer 2026 beginnen.
(dahe)