Gesundheitswesen: Warken kĂĽndigt Update der Digitalisierungsstrategie an

Die Gesundheitsministerin will das System "neu denken": mehr Digitalisierung, Apotheken einbinden, klare KI-Regeln – Krankenkassenbeiträge sollen stabil bleiben

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(Bild: Skorzewiak/Shutterstock.com)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hat die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) umfassende Reformpläne für das Gesundheitssystem skizziert. Ihr Fokus liegt dabei auf einer beschleunigten Digitalisierung, einer neuen Aufgabenverteilung in der Versorgung und strikten Kontrollen beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Gleichzeitig verspricht Warken, die Krankenkassenbeiträge stabil zu halten.

Warken betont, man müsse das gesamte Gesundheitssystem "neu denken" und klassische Rollenmuster hinterfragen. Angesichts des Fachkräftemangels und einer alternden Gesellschaft will sie die Versorgung auf mehr Schultern verteilen. Apotheken sollen etwa stärker eingebunden werden – eine Lösung, die in mehreren europäischen Ländern erfolgreich erprobt wurde. So plant Warken, Apotheken unter klaren gesetzlichen Regeln zu erlauben, verschreibungspflichtige Medikamente abzugeben, etwa an chronisch Erkrankte oder bei unkomplizierten Fällen. Dies soll in fachlicher Abstimmung mit der Arzneimittelbehörde BfArM erfolgen. Kritikern hält Warken entgegen, dass eindeutige Vorgaben die Patientensicherheit gewährleisten; wirtschaftliche Interessen der Apotheken spielten ihrer Ansicht nach keine Rolle.

Die Ministerin präsentiert die elektronische Patientenakte (ePA) im Interview als Vorzeigeprojekt der bisherigen Digitalisierungsstrategie. Praxen und Versicherte würden die ePA zunehmend nutzen. "Rund 90 bis 95 Prozent der Praxen" seien laut Ministerium bereits angeschlossen, mit Millionen von Dokumenten und Medikationslisten, die pro Woche in die Akten eingestellt oder abgerufen werden. Warken räumt zwar technische Probleme und die frühere Unzuverlässigkeit beim elektronischen Rezept (E-Rezept) ein, sieht aber deutliche Verbesserungen im Alltag. Apotheker hatten in der Vergangenheit wiederholte E-Rezept-Ausfälle beklagt. Die Performance der Telematikinfrastruktur habe sich erhöht. Durch gesetzliche Maßnahmen – weitere Digitalgesetze sind für das Frühjahr 2026 angekündigt – soll die technische Stabilität weiter verbessert werden. Geplant sind etwa die elektronische Überweisung und der Ausbau einer modernen digitalen Infrastruktur im Gesundheitswesen.

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Wie ihr Amtsvorgänger sieht auch Warken erhebliche Potenziale für Künstliche Intelligenz in Medizin und Pflege. KI-Systeme könnten bei Diagnostik, Dokumentation und administrativen Aufgaben unterstützen und so Pflegekräfte entlasten sowie die Versorgung effizienter machen. Zugleich beharrt die Ministerin auf klaren Regeln: Die Verantwortung für Diagnosen und Behandlungen müsse stets beim Menschen bleiben. KI könne Ärztinnen und Ärzte lediglich ergänzen, nicht ersetzen. Diese Linie – Chancen nutzen bei zugleich menschlicher Kontrolle – solle auch in der überarbeiteten Digitalstrategie des BMG fest verankert werden.

Zur Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen betont Warken, die Bundesregierung habe ein abgestimmtes Vorgehen vereinbart. Man warte nun auf belastbare Zahlen zum erwarteten Defizit. Erst danach würden gezielte Maßnahmen folgen, um weitere Belastungen für Bürger und Wirtschaft zu vermeiden. Gleichzeitig sind die Digitalisierungsprojekte im Gesundheitswesen selbst teuer: Allein das neue Digitalgesetz belastet die Sozialversicherung einmalig mit rund 809 Millionen Euro. Dem gegenüber stünden zwar Einsparpotenziale, etwa durch mehr Arzneimitteltherapiesicherheit. Warken hält dennoch an ihrem Kurs fest, die Beitragszahler vor zusätzlichen Kosten zu schützen.

Erst Mitte Dezember haben Bundesrat und Bundestag zentrale Digitalgesetze für bessere Versorgung und Forschung beschlossen. Warkens Vorstöße schließen daran nahtlos an: Sie adressieren Kernpunkte, die auch in der bisherigen Digitalstrategie des Gesundheitsministeriums im Fokus standen – von der elektronischen Patientenakte über das E-Rezept bis zur besseren Datennutzung. Digitalisierung gilt als große Chance, doch die praktische Umsetzung bleibt anspruchsvoll. So wurden im Parlament bereits heftige Datenschutz-Debatten um den "gläsernen Patienten" geführt.

Experten warnen zudem, dass technische Infrastruktur und IT-Sicherheit mit dem Fortschritt Schritt halten mĂĽssen: Ohne stabile Telematikinfrastruktur (TI) wĂĽrden die TI-Produkte schnell zur Mehrbelastung fĂĽr Praxen und Kliniken.

Auch Warkens Apothekenreform dürfte kontrovers bleiben – Ärzteverbände warnen vor einer Aufweichung der klaren Rollenverteilung in der Patientenversorgung. Unter Warkens Vorgänger Karl Lauterbach wurde bereits beschlossen, die bisherige Betreibergesellschaft Gematik zur bundeseigenen Digitalagentur umzubauen. Damit sollen Projekte wie die ePA stringenter vorangetrieben und TI-Ausfälle schneller behoben werden. Allerdings hagelt es Kritik an der geplanten Doppelrolle der Gematik: Sie wäre zugleich Standardisierungsinstanz und operativer Dienstleister, was Branchenvertreter als problematisch ansehen. Insgesamt greifen Warkens Pläne viele dieser Dauerbaustellen auf.

(mack)