Softwarepatente: EU-Rat will kurzen Prozess bei der Richtlinie machen

Die Luxemburger Präsidentschaft will die EU-Parlamentarier zu einem raschen Kompromiss noch vor der 2.

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Die Luxemburger Ratspräsidentschaft macht Tempo bei der heftig umstrittenen EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen". Geht es nach ihrem Willen, soll das lange verzögerte Rahmenwerk noch unter ihrer Ägide vor der turnusmäßigen Weitergabe der Führung des Ministerrates an die Briten in trockene Tücher gepackt werden. Möglich machen soll diese Beschleunigung auf der Zielgeraden die Aufnahme von Verhandlungen mit den Koordinatoren im EU-Parlament vor der entscheidenden 2. Lesung Anfang Juli. Sollte bei diesem so genannten Trilog-Verfahren eine Einigung erzielt werden, könnte die Richtlinie direkt nach dem Votum der Abgeordneten endgültig verabschiedet und ein formales Vermittlungsverfahren mit dem Rat verhindert werden.

Termine für die Absprachen stehen bereits. Am 14. Juni sei die erste Verhandlungsrunde zwischen den Vertretern des Ministergremiums und den Parlamentsberichterstattern geplant, erklärte die Koordinatorin der Christdemokraten, Piia-Noora Kauppi, auf der Patentkonferenz des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) und der Computer & Communications Industry Association (CCIA) in Brüssel. Eine Woche darauf werde der Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses seine Empfehlung für die 2. Lesung abgeben. Versucht werde schon vorab, die knapp vierzig Änderungsvorschläge des Hauptberichterstatters, des Sozialisten Michel Rocard, sowie die 217 Verbesserungsanträge der restlichen Abgeordneten zusammenzufassen.

Der Rat selbst habe bislang noch keine offizielle Haltung zur Position des Parlaments abgegeben, erläuterte Kauppi. Er stehe natürlich prinzipiell zu seinem "Gemeinsamen Standpunkt", den die Ministerrunde allerdings nur mit Hängen und Würgen im März formell bestätigte. Ein Großteil der Vorschläge der Abgeordneten hält dagegen am Ergebnis der 1. Lesung fest, das mit dem Ratspapier über Kreuz liegt und der Patentierbarkeit reiner Software einen effektiven Riegel vorschieben will. FFII-Präsident Hartmut Pilch brachte daher die Befürchtung zum Ausdruck, dass der Rat mit dem neuen Schachzug "den Willensbildungsprozess des Parlaments aus dem Lot bringen will" und auf einen faulen Kompromiss hinarbeite. Er erinnerte gegenüber heise online daran, dass die Ministervertretung beim Festzurren ihrer Position keinerlei Annäherungsbedarf an die Haltung des Parlaments gesehen habe. Bessere Chancen, einen Ausgleich zu finden, bestünden im offiziellen Vermittlungsausschuss.

Ein echter Kompromiss ist bislang nicht in Sicht, auch wenn Experten bei einer Anhörung vergangene Woche sowie in Workshops des Britischen Patentamtes Vorschläge auf den Tisch gelegt haben. Die Lobbyistenschlacht prägte auch die Patentkonferenz, auf der Mark McGann vom Branchenverband EICTA behauptete, dass die Richtlinie "zurückgezogen" werde, falls sich Rocard durchsetze. Der Lobbyist, der wiederholt für sich in Anspruch nahm, für die gesamte digitale Wirtschaft zu sprechen, verstrickte sich jedoch in Widersprüche. So sagte er einleitend: "Wir sind vollkommen gegen Softwarepatente." Kurz darauf betonte er, dass Software inzwischen schon in "Kaffeemaschinen" Einzug halte und einige Sektoren der von ihm vertretenen Industrie zur Patentierung ihrer Erfindungen im Stande sein müssten. EICTA spreche sich gegen die Abschaffung jeder Form von Patenten aus.

Die wahre Bedrohung für die Branche baut sich laut McGann in Ländern wie den USA, Japan oder China auf, wo die Innovation viel größer sei. McGann vergaß dabei nur, dass China bislang einen laxen Umgang mit Geistigem Eigentum pflegt und seine Firmen auch für das Abkupfern bereits anhand von Patenten veröffentlichter Erfindungen bekannt sind. Konferenzteilnehmer von Sun und einem polnischen IT-Verein distanzierten sich trotz ihrer EICTA-Mitgliedschaft zudem vehement von der Softwarepatentlinie des Verbands.

CCIA-Chef Ed Black hielt McGann ferner entgegen, dass ein Monopolschutz in Form von Patenten keineswegs immer Innovation fördere. Dies habe sich nicht nur während der frühen Blütezeit der Computerindustrie im Silicon Valley gezeigt, sondern auch bei der Explosion der Dienstleistungen rund um das auf offenen Standard beruhenden Internet und um Open Source. Der US-Amerikaner warnte die Europäer davor, ihr Patentsystem genauso zu ruinieren wie seine Landsleute. Auch Cornelia Kutterer von der europäischen Verbraucherorganisation BEUC ließ keinen Zweifel daran, dass Softwarepatente schlecht für die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher sowie den Wettbewerb seien. Sollten derlei Monopolansprüche auf Verfahren und ohne Bezug auf ein spezielles Gerät erteilt werden, führe dies technologisch zu Rückschlägen.

Parallel zur FFII-CCIA-Konferenz ging es am Mittwoch bei einem erneuten Runden Tisch des Bundesjustizministeriums um die Softwarepatentrichtlinie. Erstmals war bei dem Gespräch zwischen Regierungsvertretern, Patentexperten und Interessensgruppen Klaus-Jürgen Mellulis, Vorsitzender des Patentsenats am Bundesgerichtshof (BGH), dabei. Die anwesenden Parteien einigten sich darauf, künftig den "technischen Beitrag" einer Erfindung im Softwarebereich gemäß der BGH-Rechtsprechung im Bezug auf die Auswirkungen auf die viel beschworenen "Naturkräfte" -- also auf physikalische Effekte -- näher definieren zu wollen. Der Bundestag hatte die Regierung allerdings klar und einstimmig aufgefordert, die BGH-Definition direkt zu übernehmen. Justizministerin Brigitte Zypries will mit dem Ergebnis nun "aktiv die 2. Lesung der geplanten Richtlinie begleiten". Der Bundesregierung gehe es darum, "die Voraussetzungen konkreter zu fassen, unter denen computerimplementierte Erfindungen patentiert werden können".

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)