Kommentar zur Umstellung auf Open Source: Schaut auf Schleswig-Holstein!

Schleswig-Holsteins Digitalminister Schrödter hat einen entscheidenden Beitrag für Deutschlands digitale Souveränität geleistet, kommentiert Christian Wölbert.

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Eine ernste Datenschutzpanne bei der Postfachmigration, Lastprobleme von Mailservern, schlechte Einbindung von Gewerkschaften und Mitarbeitern: Der Umstieg der schleswig-holsteinischen Landesverwaltung von Microsoft auf Open Source lief und läuft holprig. Während viele Angestellte mit Softwareproblemen kämpfen und notgedrungen Überstunden machen, zieht die Staatskanzlei ihren Zeitplan durch. Der zuständige Digitalminister Dirk Schrödter (CDU) versuchte, die Mannschaft mit der ungeschickten Aussage zu motivieren, dass man "Fahrradfahren nicht vom Zuschauen lernt".

Es wäre ein Leichtes, nun Häme über Schrödter auszukippen. Doch bei einer Softwareumstellung sind Probleme normal, das meiste wird sich vermutlich zurechtruckeln. Mit etwas Abstand betrachtet, muss man anerkennen: Der Minister hat einen entscheidenden Beitrag für die digitale Souveränität Deutschlands geleistet.

Eine Analyse von Christian Wölbert
Ein Kommentar von Christian Wölbert

Christian Wölbert recherchiert und schreibt vor allem über digitalpolitische Themen und verfolgt die Digitalisierung der Verwaltung. Außerdem beschäftigt er sich mit Verbraucherschutz- und Umweltthemen. Dabei ist er ständig auf der Suche nach neuen Rechercheansätzen und freut sich über Hinweise an cwo@ct.de oder via Threema (PA6ZC6RE).

Denn nach diversen gescheiterten Open-Source-Initiativen wie in München oder Niedersachsen hatte sich in den Köpfen deutscher Politiker und Behördenchefs ein Mantra festgesetzt: "Bloß keine Experimente, lieber mit Microsoft auf Nummer sicher gehen!"

Schrödter hat dieses Mantra entzaubert. Schleswig-Holstein zeigt, dass Open Source eine taugliche Alternative für die Verwaltung ist. Das ist von großem Wert in einer Zeit, in der zwar viel von digitaler Souveränität geredet, aber häufig immer noch das Gegenteil getan wird. Und in einer Zeit, in der die US-Politik immer unberechenbarer wird.

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Fairerweise muss man erwähnen: Schrödter hat die schleswig-holsteinische Open-Source-Strategie nicht erfunden, sondern von seinem Vorgänger Jan-Philipp Albrecht (Grüne) geerbt. Aber er hat sie mit viel Energie und politischem Kapital vorangetrieben. Und zwar zu einem Zeitpunkt, als nur wenige mit einer Rückkehr Trumps rechneten. Obendrein wurde Open Source speziell in Schrödters Partei, der CDU, überwiegend skeptisch gesehen.

Nun zeigen sich immer mehr Bundesländer und Behörden offen für Open Source. Auch in der CDU ändern sich die Einstellungen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ralph Brinkhaus lobt die Pioniertat Schleswig-Holsteins, der CDU-Digitalminister Karsten Wildberger testet das quelloffene openDesk in seinem Ministerium. All das liegt nicht nur an der Angst vor Trumps Kill Switch, das ist auch Schrödters Verdienst.

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(cwo)