Forschungsdatenzentrum Gesundheit: Anträge können jetzt gestellt werden

Mit dem Start der Antragsstellung nimmt das Forschungsdatenzentrum Gesundheit nach jahrelanger Vorbereitung offiziell seine Arbeit auf.

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Website des FDZ Gesundheit

Website des Forschungsdatenzentrums Gesundheit.

(Bild: BfArM)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Ab heute können Forscher aus Wissenschaft und Wirtschaft beim Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) ihre Anträge auf Datenzugang stellen. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) erhofft sich davon die Kombination zweier vermeintlicher Gegensätze: Gesundheitsforschung auf höchstem Niveau und gleichzeitig eine Einhaltung höchster Datenschutzstandards.

Die Hoffnungen sind groß. Es ist ein ganz besonderer Datenschatz, den das FDZ Gesundheit ab heute heben helfen soll: Alle Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenkassen von 2009 bis 2023 liegen dort nun vollständig vor, bei denen es auch keine Widerspruchsmöglichkeit für die Betroffenen gab. Weitere Datensätze sollen künftig folgen – unter anderem aus der elektronischen Patientenakte, bei der ein Opt-Out dann möglich ist. Wie viele Nutzer bei ihren Krankenkassen bereits einen Widerspruch hinterlegt hatten, konnten die Teilnehmer der Startschuss-Pressekonferenz am Vormittag in Berlin nicht sagen.

Der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, bei dem das FDZ Gesundheit organisatorisch angegliedert ist, schilderte den aktuellen Stand: 20 Mitarbeiter würden sich um Datenhaltung und Anträge kümmern. Noch sei unklar, wie viele Anträge tatsächlich eingereicht würden, berichtete Karl Broich am Vormittag. Diese müssen mehrere Kriterien erfüllen, bevor sie genehmigt werden können – unter anderem müssen Antragsteller nachweisen, dass ihr Vorhaben unter die gesetzlich vorgegebenen Zwecke fällt.

Zu denjenigen, die solche Anträge stellen dürfen und wollen, gehören die Pharmaunternehmen. Für Han Steutel, den Präsidenten des Verbands forschender Pharmaunternehmen (VfA), geht es um Erkenntnisse zu Wirksamkeit, Risiken und Nebenwirkungen von Medikamenten. Es sei gut, dass Deutschland jetzt mit dem FDZ handeln würde. Dass auch Pharmaunternehmen mit diesen Daten forschen könnten, sei extrem wichtig, da sie einer der wichtigsten Treiber des medizinischen Fortschritts seien. Nationale Datenbanken seien bei selteneren Krankheiten oft nicht ausreichend. Daher hofft er auf weitere Datenquellen, etwa aus den Krebsregistern, aber auch eine schnellere Verknüpfung mit dem European Health Data Space (EHDS).

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Der Onkologe Sebastian Hallek erläuterte, dass aus seiner Sicht etwa endlich die Frage beantwortet werden könnte, inwieweit Änderungen an Therapiekonzepten schnell und richtig eingesetzt würden. Der Krebsforscher von der Universität Köln nannte als Beispiel die Blutkrebsbekämpfung, wo Bestrahlung heute nicht mehr stattfinde – wo das Wissen um Unterschiede in der Wirksamkeit aber vor allem durch Studien belegt würde. Mit den Daten des FDZ würde das endlich überprüfbar – und etwa Resistenzen hoffentlich besser erkennbar.

Auch die Krankenkassen erhoffen sich viele Erkenntnisse anhand der im FDZ Gesundheit zusammengebrachten Datensätze. "Der entscheidende Vorteil im Vergleich zu den bisherigen Analysemöglichkeiten liegt in der Vollständigkeit der Daten", erklärte Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherungen. Gleich auf zwei Ebenen sei das eine Besonderheit. Zum einen die schiere Zahl der Personen, deren Daten dort genutzt werden könnten: 75 Millionen Versicherte. "Und zum anderen über nahezu sämtliche Leistungsbereiche der Gesundheitsversorgung", so Stoff-Ahnis. 600 Millionen Fälle mit 8 Milliarden Datensätzen würden übermittelt, genau wie zu vielen anderen Daten aus dem Gesundheitssystem. Sichtlich erfreut war Stoff-Ahnis, dass diese nun sektorübergreifend und zeitnah vorliegen würden.

Während Deutschland gerne als Entwicklungsland bei Datenauswertungen gesehen wird, ist es mit seinem weitgehend einheitlich organisierten gesetzlichen Krankenversicherungssystem ein datenqualitativer Ausreißer. Entsprechend wollen auch die Krankenkassen selbst Forschung auf eben diesen Daten betreiben. Stoff-Ahnis verspricht sich eine deutliche Verbesserung der Versorgungsqualität, angesichts der Kosten des Systems wird aber absehbar die Suche nach in den Daten begründeten Einsparpotenzialen ein weiterer maßgeblicher Faktor sein.

Die Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) gibt sich zuversichtlich, dass sowohl Datenschutz als auch Datennutzung möglich werde. Sowohl mit der Bundesdatenschutzbeauftragten Louisa Specht-Riemenschneider als auch mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sei das Vorhaben aufs Engste abgestimmt worden. "Wir sind überzeugt davon, dass wir einen guten Rahmen gefunden haben", sagte Warken.

Das FDZ Gesundheit sei dabei auch ein Beitrag zu mehr Souveränität. Bürger würden derzeit ihre höchstpersönlichen Gesundheitsdaten privaten Anbietern ohne Weiteres zur Verfügung stellen, bei den vom Staat angestoßenen Vorhaben würden zu Recht jedoch ganz andere Maßstäbe angelegt. "Was wir jetzt heute hier auf den Markt bringen, sucht seinesgleichen und ist etwas, wo wir uns an die Spitze der Bewegung setzen und für die Versorgungslandschaft und die Industrie eine Möglichkeit schaffen", so die Ministerin.

(mack)