Bundestag verabschiedet Informationsfreiheitsgesetz

Dank rot-grüner Mehrheit soll das Aktengeheimnis in der Verwaltung künftig deutlich gelockert und die Korruption bekämpft werden; noch aber muss das rot-grüne Prestigeprojekt aber durch den Bundesrat.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 104 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Mit rot-grüner Mehrheit hat der Bundestag am heutigen Freitag das lange verschleppte Informationsfreiheitsgesetz doch kurz vor knapp in 2. und 3. Lesung verabschiedet. Mit dem umkämpften, von den Koalitionsfraktionen selbst eingebrachten Prestigeprojekt soll künftig jeder Bürger "gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen" haben. Rot-Grün erhofft sich von diesem wohl letzten gemeinsamen Reformvorhaben vor den Neuwahlen eine lebendigere und kritischere Demokratie sowie eine bessere Möglichkeit zur Bekämpfung der Korruption.

Vorbehaltlos ist die von Rot-Grün nach siebenjährigen Diskussionen beschlossene Aufhebung des Aktengeheimnisses allerdings nicht: Ein weit gefasster Ausnahmekatalog schottet etwa "militärische und sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr", Sicherheitsbereiche, Regulierungsbehörden sowie sämtliche Informationen über "fiskalische Interessen des Bundes" ab. Auch der Schutz von Geschäftsgeheimnissen nimmt breiten Raum in dem Gesetz ein.

Die Union befürchtet trotzdem, dass die vorgesehene Stärkung der Bürgerrechte nur Verwaltungsbeamte und Gerichte beschäftigt, und stimmte gegen die Informationsfreiheit. Das Gesetz sei "überflüssig", meint der Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Wolfgang Zeitlmann. Es gebe bereits "zahlreiche Gesetze", die den Bürgern Einsicht in Verwaltungsakten ermöglichen würden. Ein vorbehaltloser Informationsanspruch ist allerdings neu. Die CDU-Innenpolitikerin Beatrix Philipp stichelte in Richtung Rot-Grün: "Die Bevölkerung hat ihre Probeläufe zu Gesetzesvorhaben leid." Es gebe "ganz massive Bedenken gegen die Umsetzung in die Praxis." Ihre Partei wünsche den angestrebten "Kulturwandel" nicht. Die "weit reichenden Folgen" für das deutsche Rechtssystem hätten laut Philipp eine längere Beratung erfordert.

Der FDP geht gemäß ihrer alt-neuen Positionierung als Bürgerrechtspartei auf ihrem jüngsten Bundesparteitag in Köln der rot-grüne Vorschlag nicht weit genug. In einem Entschließungsantrag hatten die Liberalen daher gefordert, den Schutz öffentlicher Belange deutlich enger zu fassen. "Die Ausnahme ganzer Behörden von der Anwendung des Gesetzes ist sachlich nicht gerechtfertigt und führt zu einem erheblichen Verlust an Informationsfreiheit", heißt es in dem Papier. Zudem sollte die Verwaltung klarer angehalten werden, von sich aus die Informationsversorgung über das Internet und die Einbindung in E-Government-Projekte zu übernehmen. Im Plenum fand die FDP mit diesem Begehr aber keine Mehrheit.

Dass sich die Liberalen letztlich trotz ihrer Kritik enthielten, ist ein klares Signal an die FDP-mitregierten Bundesländer. Der unionsdominierte Bundesrat ist einspruchberechtigt bei dem Gesetz, obwohl es eigentlich die Länderbehörden nicht berührt. Mit der so genannten Kanzlermehrheit könnte Rot-Grün zwar prinzipiell ein Veto der Länderkammer überstimmen. Angesichts des straffen Zeitplans von Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Auflösung des Bundestags im Juli würde das Informationsfreiheitsgesetz jedoch auf der Strecke bleiben. Manfred Redelfs vom Netzwerk Recherche, das gemeinsam mit zahlreichen anderen Organisationen der Zivilgesellschaft immer wieder Dampf beim Akteneinsichtsrecht gemacht hatte, sieht damit nun im Bundesrat "die Bürgerrechtsseite der FDP auf den Prüfstand gestellt". Enthalten sich die Liberalen auch in der Länderkammer, könnte das Gesetz am 1. Januar 2006 in Kraft treten. In einer eventuellen Regierungskoalition mit der Union könnte die FDP ihre Vorstellungen von mehr Informationsfreiheit dagegen kaum durchbringen.

Insbesondere der Ausnahmekatalog war bis zuletzt umstritten. So hatten die gesetzlichen Krankenkassen die zunächst vorgesehene Verabschiedung vor drei Wochen mit Bedenken torpediert, dass der Wettbewerb im Versicherungs- und Pharmabereich durch die Informationsrechte blockiert werden könnte. Rot-Grün hat daher noch zusätzlich eine Klausel eingebaut, wonach auch "die wirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherungen" gesondert geschützt werden. Trotzdem feiern Koalitionsvertreter einen Sieg auf ganzer Ebene: "Wir verpassen den Amtsstuben einen grünen Anstrich, der so einfach nicht mehr zu übermalen ist", freut sich etwa Grietje Bettin, medienpolitische Sprecherin der Grünen. Die Verwaltung werde vom Gegner, der sich nicht in die Karten schauen lässt, zum Partner der Bürger. Gemeinsam mit ihrer für die Innenpolitik zuständigen Kollegin Silke Stokar ermahnte sie die Behörden, von den Ausnahmeregelungen "zurückhaltend und bürgerfreundlich Gebrauch zu machen".

Der medienpolitische Sprecher der SPD, Jörg Tauss, sprach von einem "guten Tag für Deutschland", räumte gegenüber der FDP aber ein, dass sie zu Recht eine etwas weitere Fassung des "Einstiegsgesetzes" angemahnt habe. Die Überprüfungspflicht, die einer erst danach möglichen Verlängerung der neuen Regeln vorauszugehen hat, könne eine gute Chance dazu bieten. Für den SPD-Innenpolitiker Michael Bürsch öffnet sich nun "eine Gasse für die Bürgergesellschaft". Er verwies auf die guten Erfahrungen, welche vier Bundesländer mit eigenen Informationsfreiheitsgesetzen bereits gemacht haben. (Stefan Krempl) / (jk)