Internet Governance Forum will neues Mandat

Das Internet Governance Forum (IGF) der Vereinten Nationen soll weiter Fragen der globalen Netzpolitik diskutieren. Für eine Verlängerung des in diesem Jahr auslaufenden Mandats sprachen sich am Dienstag bei der offiziellen IGF-Eröffnungsveranstaltung in der litauischen Hauptstadt Wilna Regierungsvertreter aus aller Welt aus.

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  • Monika Ermert

Das Internet Governance Forum (IGF) der Vereinten Nationen (UN) soll weiter Fragen der globalen Netzpolitik diskutieren. Für eine Verlängerung des in diesem Jahr auslaufenden Mandats sprachen sich heute bei der offiziellen IGF-Eröffnungsveranstaltung in der litauischen Hauptstadt Wilna Regierungsvertreter aus aller Welt aus. Neben vielen schönen Worten gibt es allerdings auch handfeste Konflikte, eine Auseinandersetzung innerhalb der UN zur künftigen Aufhängung und die üblichen Widersprüche zwischen hehren Idealen, zu denen man sich beim IGF bekennt und der Realpolitik.

Andrew McLaughlin, Deputy CTO der Obama-Regierung bekräftigte die Unterstützung der USA für eine nahtlose und unveränderte Weiterführung des Forums. EU-Kommissarin Neelie Kroes forderte demgegenüber auf, Lehren aus den ersten fünf Jahren zu ziehen. Einfach nur so weitermachen, sei nicht angezeigt, sagte auch Jomo Kwame Sundaram, Assistent Secretary General der UN Organisation für Economic and Social Affairs (UNDESA).

Die endgültige Entscheidung über die Mandatsverlängerung des im Rahmen des Weltgipfels der Informationsgesellschaft eingerichteten Forums liegt in der Hand der Generalversammlung der UN, die laut Sundaram bis Ende des Jahres darüber zu entscheiden hat. Gleichzeitig sollen in einer Arbeitsgruppe des in Genf ansässigen UN Committee on Science and Technology for Development (CSTD) Veränderungsvorschläge beraten werden. Ganz einig ist man sich in der UN-Bürokratie offenbar nicht, wer das Sagen zum Thema globale Netzpolitik hat.

Auch die Frage, ob das IGF Sekretariat in Genf bleibt oder zum Hauptquartier nach New York zieht, wird diskutiert. Der CEO der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), Rod Beckstrom, warnte davor, aus dem IGF eine zwischenstaatliche Organisation zu machen. Eine reine Regierungsveranstaltung will aber ganz offensichtlich niemand in Wilna. Ein Wunsch von verschiedenen Seiten, etwa von der brasilianischen Regierung, ist allerdings, dass das IGF künftig Empfehlungen zur globalen Netzpolitik verabschiedet. Der härteste Gegner des IGF, China, blieb heute still.

Der Streit um die US-Rolle bei der Aufsicht über Änderungen in der Root bleibt dem IGF weiter erhalten. Kroes und die französische Staatssektretärin Nathalie Kosciusko-Morizet sprachen das Auslaufen des Vertrags der Internet Assigned Numbers Authority während der Eröffnung an. Bei der ICANN habe man große Fortschritte gemacht, räumte Kroes ein. Sie hoffe, dass man in dieser Richtung im kommenden Jahr auch bei IANA (Internet Assigned Numbers Authority) weiterkomme. Die ICANN wird mittlerweile nicht mehr unilateral von der US-Regierung beaufsichtigt.

McLaughlin sagte gegenüber heise online, in den USA werde derzeit geprüft, welche Flexibilität man mit Blick auf das Verfahren bei der Neuausschreibung der IANA-Funktion habe. Teilweise sei man durch gesetzliche Vorgaben gebunden. "Wir werden diese Woche hier viele Gespräche führen", sagte er mit Blick auf die Forderungen der Europäer. "Und dann kommen noch viele Gespräche in den kommenden Monaten."

Die Chefin der Internet Society (ISOC), Lynn St. Amour, erinnerte die Regierungen in Wilna daran, dass sie ihrem Lob für die offene Debatte über Netzpolitik mehr Taten folgen lassen müssten. "Die Diskussion über Netzneutralität findet etwa in den USA zunehmend hinter verschlossenen Türen und mit wenigen Teilnehmern statt, kritisierte St. Amour. Auch ACTA sei kein gutes Beispiel für das so gelobte "Multi-Stakeholder-Modell", bei dem Regierungen, Wirtschaft und NGOS mit am Tisch sitzen. Die ISOC halte es für äußerst unwahrscheinlich, dass geschlossene Prozesse zu einer Politik führen, die ein offenes Internet wirklich unterstützen.

Kritik an der deutschen Regierung kommt mittlerweile von den Grünen. Die Bundesregierung glänze erneut durch Abwesenheit, kritisierten sie in einer Pressemitteilung. Zwar gebe es ein wahres Kompetenzgerangel um die Netzpolitik zwischen den Ministerien, echte Ergebnisse zu wichtigen Fragen wie dem Datenschutz ließen aber auf sich warten.

"Da können Herr de Maizière, Frau Aigner oder Frau Leutheusser-Schnarrenberger noch so laut herumposaunen, wie man das Internet politisch neu angehen müsste. Wenn die Regierung beim zentralen Treffen im Rahmen der Vereinten Nationen fehlt, zeugt das von mangelnder Ernsthaftigkeit und der alleinigen Suche nach nationalen Lösungen", so die Kritik. Die Bundesregierung müsse endlich über den Tellerrand hinausschauen, sonst verpasse sie mit nationaler Kleinstaaterei den Anschluss. (pmz)