Forscher warnen vor Auskunftsanspruch gegen Provider

Rechtexperten des Deutschen Forschungsnetzes (DFN) halten die geplante standardmäßige Abfrage von Verbindungsdaten zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen für verfassungswidrig.

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Rechtexperten des Vereins zur Förderung des Deutschen Forschungsnetzes (DFN) halten die geplante Schaffung eines Auskunftsanspruchs gegen Internetprovider und die damit einhergehende standardmäßige Abfrage von Verbindungsdaten zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen für verfassungswidrig. Dies geht aus einer aktuellen Stellungnahme (PDF-Datei) der vom Münsteraner Informationsrechtler Thomas Hoeren betreuten Forschungsstelle Recht im DFN hervor. Der entsprechende Gesetzesentwurf des Bundesjustizministeriums (PDF-Datei) weise "erhebliche strukturelle Mängel in Bezug auf die Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Vorgaben" auf, heißt es in dem 8-seitigen Papier. Zudem seien sowohl "die strukturelle Gestaltung des Auskunftsanspruchs als auch die unbestimmte Fassung entscheidender Tatbestandsmerkmale geeignet, ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit zu erzeugen".

Im Detail monieren die DFN-Juristen, dass die doppelte Verwendung des vorgesehenen Ausschlusskriteriums des "gewerblichen Ausmaßes" ins Leere laufe. Sowohl im Blick auf die Tätigkeit der Zugangsanbieter als auch auf das Treiben der Surfer im Netz und deren Rechtsverstöße sei der Entwurf nicht klar genug gefasst. So bleibe offen, ob selbst bei Forschungseinrichtungen aufgrund von Kooperationen mit der Wirtschaft ein möglicher mittelbarer Erwerbszweck im Zusammenhang mit dem einrichtungsinternen Zugang zum Internet unterstellt werden könnte. Wann beim Endverbraucher von einem "den üblichen Konsum" überschreitenden Urheberrechtsdelikt die Rede sein sollte, habe das Justizministerium ebenfalls nicht präzisiert. Da zudem Providern Schadensersatz drohe, falls sie vorsätzlich oder grob fahrlässig eine falsche oder unvollständige Auskunft erteilen, sei davon auszugehen, dass diese im Zweifelsfall lieber Verbindungs- und sogar Nutzungsdaten herausrücken würden. Entgegen dem Ansinnen des Gesetzgebers sei so gerade von einer "Gefahr der Uferlosigkeit" des neuen Ermittlungsinstruments auszugehen.

Insgesamt lasse der Entwurf keinen Zweifel daran, dass künftig mit dem Gesetz die Verwendung von "Verkehrsdaten" in Form von IP-Adressen "zur Identitätsermittlung im Internet den Regelfall" bilden würde. Dies werfe angesichts gleichzeitig geplanter Verschärfungen im Rahmen der laufenden Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) schwere rechtliche Probleme auf. Die dort vorgesehene "Generalklausel" zur Verwendung der begehrten Telefon- und Internetdaten sei schlicht mit dem Grundgesetz nicht in Vereinbarung zu bringen. Widersprüche fänden sich zudem zwischen dem Gesetz zur Schaffung des Auskunftsanspruchs gegen unbeteiligte Dritte und dem geplanten Telemediengesetz (TMG). Auch dessen Entwurf sehe zwar bei Verstößen gegen das geistige Eigentum die Auskunfterteilung vor -- allerdings nur im begründeten Einzelfall.

Woher die Provider die Verbindungsdaten gerade bei Nutzern mit Flatrate-Zugang ohne eigentliche Notwendigkeit zur Protokollierung des Einwahlverhaltens nehmen sollen, steht laut der DFN-Stellungnahme ebenfalls noch in den Sternen. Deren Autoren gehen davon aus, dass die Verwendung der in Bälde voraussichtlich aus sicherheitspolitischen Gründen vorgehaltenen Verkehrsdaten gemäß der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht in Frage komme. Mit der Direktive gehe klar eine Zweckbindung zur Terrorismusbekämpfung und der Aufklärung schwerer Straftaten einher. Eine Ausweitung in Bezug auf die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wäre "von der ohnehin fraglichen Grundrechtsabwägung im Zuge der Einführung der Vorratsdatenspeicherung jedenfalls nicht mehr gedeckt". Es sei daher "insgesamt ernsthaft zu bezweifeln", ob die Einführung eines Auskunftsanspruchs gegen Provider "überhaupt sinnvoll ist". (Stefan Krempl) / (anw)