Des Händlers Cloud-Bedenken
Fachhändler lassen immer noch den rechten Enthusiasmus für die Cloud vermissen. Sie haben ihre Gründe – heise resale hat bei Microsoft-Partnern Fragen eingesammelt, beim Hersteller Antworten. Die Zweifel werden nicht alle ausgeräumt. Microsoft empfiehlt: Einfach ausprobieren, kostet nichts!
Marktforscher wie AMI-Partners prognostizieren, dass in den nächsten Jahren rund 30 Prozent der heutigen Value Added Reseller verschwinden werden, da die Wertschöpfung in die "Cloud" abwandert. Gleichzeitig bestätigten Analysten dem Cloud Computing eine beachtliche Akzeptanz bei Unternehmen. Deshalb richten die Hersteller gerne mahnende und besorgte Worte an ihre Fachhandelspartner, wenn sie feststellen, dass sich diese immer noch nicht mit vollem Herzen auf das Experiment Cloud einlassen wollen: Zu befürchten sind verpasste Umsatzchancen, der Rutsch ins Abseits, schlimmstenfalls der komplette Wegfall der alten Geschäftsmodelle – lauter bedrohliche Konsequenzen für Unternehmer. Entsprechend treibt die Händler die Frage um, ob sie einen gravierenden Fehler machen, wenn sie sich nicht an die Lokomotive Cloud anhängen.
Dennoch, gerade kleinere Reseller tun sich offenbar schwer, den Nutzen für ihre Geschäftssituation eindeutig zu erkennen. Obwohl in den letzten Wochen auch Cloud-Verfechter wie Microsoft so ihre Probleme mit dem "wolkigen" Umfeld hatten – beispielsweise in Form von Inkompatibilitäten zwischen dem SQL Server und seinem Azure-Pendant – zweifeln Reseller nicht grundsätzlich an der technischen Machbarkeit der Cloud-Services. Bei vielen Partnern ist es eher die Unsicherheit, welchen Platz sie in der Cloud bei der Beziehung zwischen Kunde und Hersteller einnehmen sollen. Sie stellen sich die Frage, welche Aufgaben ihnen bleiben, inwiefern sich ihre Rolle in der Kundenbeziehung ändert, wie sich Umsatzchancen entwickeln oder welche wegfallen.
Diese Beklemmung nehmen ihnen auch nicht die geballten Marketing-Aktionen der Hersteller, die für die Cloud Lanzen brechen. "Cloud Computing verändert alles", erklärte Microsoft-CEO Steve Ballmer auf der diesjährigen weltweiten Partnerkonferenz in Washington. "Der Wandel passiert nicht über Nacht, ist aber auch nicht mehr aufzuhalten." Namentlich Microsoft also, dessen gesamte Partnerstrategie neuerdings von der Cloud dominiert wird, ist auf das Engagement seiner Händler angewiesen.
Aus diesem Grund hat heise resale einige der typischen Microsoft-Partner dazu befragt, wie und wo sie ihre Rolle in der Cloud und wo sie Probleme sehen. Die Gesprächspartner gehörten zu den Tausenden von Microsoft-Händlern ohne besondere Zertifizierungen und Spezialisierungen, die aber dem Hersteller das Brot und Butter-Geschäft speziell mit den vielen kleinen und mittelständischen Kunden bringen. Sie bürgen mit ihrem Namen bei den Unternehmenskunden dafür, dass Server und Software laufen und halten quasi als externe IT-Abteilung die Infrastruktur zuverlässig am Laufen. Vorrangig sind es bei Microsoft genau diese Infrastrukturlösungen, die jetzt vermehrt über die Cloud angeboten werden sollen: Die sogenannte Business Productivity Online Suite (BPOS), die über die Cloud vor allem Exchange, Sharepoint sowie Office Communications zur Verfügung stellt und inzwischen auch schon den Weg in die Distribution gefunden hat.
Wo, was und wie verdiene ich mit der Cloud?
Bisher sieht die Situation in einem typischen kleinerem Unternehmen so aus: Der Händler besorgt in vielen Fällen für seinen Kunden einen Server, die Lizenzen für den Small Business Server und Exchange plus die DSL-Standard-Leitung. Der Dienstleister konfiguriert die Hardware auf die Bedürfnisse des Kunden hin und passt die Software an. Der Händler verdient minimal an der Hardware, anteilsmäßig an der Software-Lizenz. Das wichtigste ist jedoch Dienstleistung – die Anpassung der IT und der Support. Diese Services sorgen außerdem für eine sehr enge Kundenbindung und funktionieren nur auf Basis eines guten Vertrauensverhältnisses: Der Händler ist Ansprechpartner und Problemlöser für alle IT-Situationen.
Wandern Services in die Cloud, dann kann die Anschaffung eines dedizierten Servers für die Microsoft-Infrastruktur entfallen. E-Mail, Office-Anwendungen und Sharepoint laufen dann im MS-Rechenzentrum. Die Kosten des Grundpakets für Sharepoint belaufen sich auf 13 Euro pro Monat pro Arbeitsplatz. Der Partner erhält davon einmalig 12 Prozent vom Jahresumsatz und in der Folge jährlich sechs Prozent. Diese Minimalkonfiguration bringt für den Händler also einen Umsatz von 18 Euro im Jahr pro Arbeitsplatz beim Kunden. Interessant ist dieses Modell, wenn ein Händler skalieren kann, sprich wenn er auf einen Schlag die Services für Kunden mit Tausenden Arbeitsplätzen in die Cloud verlagert. Doch die wenigsten der kleineren Partner sind in dieser komfortablen Lage.
Frage: Lohnt sich das Risiko, dafür eine Menge Argumentationsarbeit aufzuwenden und ein eingespieltes Geschäftsmodell aufzugeben, mit dem der Kunde bisher zufrieden ist?
Antwort Microsoft: Cloud-Services helfen Partnern und der Kunden-IT, Ressourcen auf strategische Aufgaben mit dem größten Business-Mehrwert zu fokussieren. Kunden streben an, ihr IT-Budget vom Betrieb von IT-Services hin zur Implementierung neuer Services zu verschieben, um aus der IT zusätzliche Business-Mehrwerte zu generieren.
Microsoft-Cloud-Services ermöglichen dies über eine optimierte TCO, minimierte Vorabinvestionen und sofortige Verfügbarkeit. Berücksichtigt man etwa für die Nutzung von E-Mail die gesamten Kosten über den Lebenszyklus – von Hardware, Installation, Backup, Wartung, Administration bis hin zu Strom und Kühlung – so ergibt sich in den meisten Szenarien mit der Cloud eine reduzierte TCO.
Für Partner bedeutet das, dass sich der Fokus von Wartung und Betrieb der Services auf Beratung und Implementierung von Lösungsszenarien verschiebt. Durch die Cloud werden aus Kundensicht viele zusätzliche Projekte möglich und attraktiv, die zuvor auf Grund begrenzter Budgets nicht umgesetzt werden konnten. Beispiele sind die Konsolidierung dokumentenbezogener Workloads mit Hilfe von Sharepoint Online, die Optimierung standortübergreifender Zusammenarbeit mit internen und externen Geschäftspartnern mit Hilfe von Office Livemeeting Online.
Verändert die Cloud die Kundenbeziehung und zahlt der Kunde meine Dienstleistung noch?
Kundenbeziehung hat mit Vertrauen zu tun, das sich der Händler durch zuverlässige, kompetente und verfügbare Dienstleistung beim Kunden erarbeitet. Und auch der Wert eines Händlers für den Hersteller bemisst sich an dessen Vertrauensverhältnis zum Kunden. Bezieht nun der Kunde Lösungen über die Cloud ist der Fachhandelspartner nur noch der Mittler zwischen Hersteller und Kunde – und dafür erhält er eine Provision. Der Kunde "gehört" also jetzt dem Hersteller. Bestimmte Dienste, die der Partner früher erledigt hat, muss er an diesen abgeben.
Das Systemhaus nimmt gerade bei kleineren Kunden die Rolle der externen IT-Abteilung ein. Das bedeutet, es fungiert als Allround-IT-Problemlöser, der jederzeit ansprechbar und zu Diensten ist. Händler fürchten nun, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Kunden und Systemhaus leidet, wenn der Dienstleister in Problemfällen passen und an den Hersteller und dessen Rechenzentrum verweisen muss. Oder aber es sorgt für Unmut, da der Kunde gewohnt ist, dass "sein" Systemhaus alles in Ordnung bringt – "wieso aber jetzt nicht mehr"?
In der Cloud wird alles günstiger – meine Dienstleistung kostet aber
Als ein wichtiges Argument für die Cloud dient die Kostenersparnis oder zumindest die Verlagerung von einmaligen auf laufende Kosten. Das hat für den Handel brisantes Potenzial. Denn mit der Cloud spart sich der Kunde möglicherweise einen Teil der Betriebskosten für die gehosteten Lösungen, aber beileibe nicht die gesamte "IT im Haus". Es wird mit Sharepoint, Exchange-Server oder Office lediglich ein Teil der Infrastruktur ausgelagert, wobei der Sparfaktor im ungünstigsten Fall durch hohe Online-Kosten wieder relativiert wird. Nach wie vor ist aber in der Regel ein Server nötig, auf dem die Buchhaltung mit den steuerrelevanten Daten oder auch spezifische Branchensoftware liegen. Der Zugang ins Internet muss gewährleistet werden und auch die eigentlichen IT-Arbeitsplätze verschwinden nicht.
Also fallen nach wie vor Investitions- und Betriebskosten an, die jemand zuverlässig erbringen muss. In den Köpfen der Kunden ist mit der Cloud allerdings der Kostensenkungsgedanke verbunden, der sich in der Realität nicht im erhofften Umfang auswirkt. Wieder ein Ansatzpunkt für Diskussionen mit dem Kunden – denen sich Reseller vor Ort stellen müssen?
Antwort Microsoft: Microsoft ĂĽbernimmt Wartung und Betrieb der Services und stellt dem Kunden dafĂĽr eine Rechnung, aus der dem Partner Provisionen fĂĽr die Akquise und das Halten der Kundenbeziehung ausbezahlt werden.
Kunden wollen aber nicht einfach IT-Services beziehen, sondern diese in einer Art und Weise einsetzen, dass diese sie bei der Erfüllung der Geschäftsziele unterstützen. Partner können sich in Cloud-Computing-Szenarien genau wie im traditionellen On-Premise-Geschäft dadurch differenzieren, dass sie genau die Brücke schlagen zwischen der IT und den unternehmerischen Zielen, und so eine nachhaltige Kundenbindung aufbauen sowie zusätzliches Geschäft bei Beratung und Implementierung von Lösungen generieren.
Bleibt Support-Qualität und die Individualität des Kunden auf der Strecke?
Eine der vornehmsten Aufgaben eines Systemhauses ist es, dem Kunden eine IT-Umgebung zu liefern, die ganz individuell auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist. Es stellt sich vielen Partnern folgende Frage: Haben die Dienstleister auch bei Lösungen, die im Rechenzentrum laufen, noch uneingeschränkten Zugriff darauf, um sie so kundengerecht anzupassen (Customizing) wie auf dem "heimischen" Server – und das im 365 x 24-Takt? Können sie so zeitnah wie bisher Support leisten, wenn eine Anwendung nicht mehr läuft? Wie reagiert der Kunde, wenn sein Systemhaus seine Probleme nicht mehr lösen kann?
Auf vielen Servern laufen auch Tools und Erweiterungen von Drittanbietern, die also nicht von Microsoft stammen. Können auch diese weiterverwendet werden oder hat der Kunde die Lösung "von der Stange" zu akzeptieren?
Antwort Microsoft: Online Services sind "finished" Services, das heiĂźt Microsoft betreibt und wartet die Services fĂĽr den Kunden. Um den Betrieb entsprechend des 99,9 Prozent-SLAs sicherzustellen, ĂĽbernimmt Microsoft die Administration der Umgebung.
Es gibt jedoch umfassende Customizing-Möglichkeiten, um den Service den Kundenbedürfnissen anzupassen. Die Möglichkeiten dazu werden in zwei Entwicklerhandbüchern für Sharepoint Online und Exchange Online aufgeführt. Die angebotenen Möglichkeiten dazu werden mit kommenden Releases zunehmend den Optionen bei einer lokalen Installation entsprechen. Das Installieren von Drittlösungen ist derzeit nicht möglich.
PferdefuĂź Internet-Anbindung
Wenn alle Sevices via Web kommen, wird es eng in der Leitung
Schon ohne Cloud ist die hohe Verfügbarkeit eines Internet-Anschlusses im heutigen Geschäftsleben ein wichtiger Aspekt. DSL, ADSL, SDSL, die Nabelschnur zum Business wird in der Cloud noch wichtiger – und teurer. Denn wenn nun alle geschäftskritischen Services im externen Rechenzentrum laufen, kann es eng werden auf der Leitung – und dann geht gar nichts mehr: Keine E-Mail, kein Zugriff auf die Kundendatenbank, kein Telefon. Oft reicht deshalb die gewohnte ADSL-Leitung nicht mehr aus und eine teurere SDSL-Verbindung muss her, die für 4 MBit/s mit rund 360 Euro im Monat zu Buche schlägt – im Gegensatz zu den vergleichsweise bescheidenen 35 Euro für ADSL. Das muss auch dem Kunden vermittelt werden.
Folgendes vereinfachte, aber typische Rechenbeispiel verdeutlicht die Situation: Ein kleineres Unternehmen, das für 20 Arbeitsplätze auf Microsofts BPOS-Service umsteigen will, muss in 3 Jahren mit Kosten von rund 14.000 Euro rechnen (20 User x 13 Euro x 36 Monate = 9.360 Euro + 4.500 Euro für die benötigte bessere Leitung (SDSL für 160 Euro/Monat statt ADSL für 35 Euro/Monat) = 13.860 Euro für drei Jahre.). Damit kommt die gehostete Lösung auf jeden Fall teurer als eine klassische On-Premise-Variante. Denn für ein Server-System (Intel Xeon X3460, 8 GB RAM, 4x 500GB HDD) inklusive Microsoft Small Business Server 2008 mit 20 Lizenzen (CAL) und 20 Microsoft-Office-Arbeitsplätzen fallen Kosten von circa 6.600 Euro an. Zuzüglich eines Wartungsvertrages für 3 Jahre kommt der Kunde auf Gesamtkosten von rund 10.000 Euro. Bleibt der Kunde beim alten Modell, kann er das Mehr an Kosten für Support bei seinem Dienstleister aufwenden und erhält dafür persönliche Betreuung und Problembewältigung für alle Fälle.
Rechenzentrumsstandort: Unsicherheiten, welche Daten wo liegen, müssen eindeutig geklärt werden.
Antwort Microsoft: Microsoft empfiehlt grundsätzlich, für die Auswahl der geeigneten Leitung eine entsprechende Berechnung der benötigten Bandbreite vorzunehmen. Neben Upload und Downloadbandbreite sind hier auch Roundtripwartezeiten und servicespezifische Faktoren zu berücksichtigen. Hierfür stellen wir Partnern und Kunden Tools zur Verfügung, die die Berechnungen vereinfachen.
Für kleinste KMU-Kunden (5-10 User) kann aber unter gewissen Umständen, z.B. bei der Verwendung von Exchange Online im Zusammenspiel mit der Outlook-Cachefunktion und bei entsprechend geringem User-Nutzungsprofil, eine ADSL-Leitung durchaus ausreichend sein, sofern die Leitung nicht schon durch andere Dienste durchgängig belegt wird.
Microsoft ist bestrebt, jederzeit die im SLA definierte 99,9 Prozent HochverfĂĽgbarkeit zu ĂĽbertreffen. Da wir davon auch ĂĽberzeugt sind, haben wir in den SLAs eine mehrstufige RĂĽckvergĂĽtung definiert. Diese beginnt bei einer VerfĂĽgbarkeit kleiner 99,9 Prozent mit 25 Prozent und endet bei kleiner 95 Prozent VerfĂĽgbarkeit mit 100 Prozent RĂĽckvergĂĽtung.
Steuerrelevanz und Rechtssicherheit, Datenschutz
Es gibt in Deutschland die gesetzliche Vorgabe, sogenannte steuerrelevante Daten wie Rechnungen auch im Inland vorhalten zu müssen. Damit sehen Händler ein Problem für ihre Kunden, da gerade die großen Cloud-Anbieter aus USA wie Microsoft oder Google ihre Rechenzentren in der Regel außerhalb Deutschlands betreiben.
"Wir wĂĽnschen uns, dass sich unsere Partner ernsthaft mit dem Thema Cloud auseinandersetzen", Oliver GĂĽrtler, Channel-Chef Microsoft
Antwort Microsoft: Microsoft fĂĽhrt keine Rechtsberatung durch und kann daher Kunden keine Empfehlung in Bezug auf die Einhaltung rechtlicher Vorschriften geben. Kunden sollten individuell bewerten, welche Auswirkung die Nutzung von Cloud-Services auf ihre IT-Sicherheit, die erreichte Datensicherheit und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften hat.
Der Hersteller empfiehlt: einfach ausprobieren
"Wir wünschen uns, dass sich unsere Partner ernsthaft mit dem Thema Cloud auseinandersetzen", erklärt Oliver Gürtler, Channel-Chef bei Microsoft Deutschland. "Jeder soll und kann für sich entscheiden, ob er dieses Geschäftsmodell mitmacht oder nicht. Wir bietet dazu jedem Partner die Möglichkeit sich kostenlos zu registrieren und seine eigenen Erfahrungen zu machen und seine Chancen zu nutzen." Jeder Microsoft-Partner, gleich welchen Status er einnimmt, kann derzeit seinen Kunden Cloud-Services anbieten und erhält dabei volle Unterstützung vom Hersteller. Erst im zweiten Jahr verlangt Microsoft einen Nachweis, dass wirklich aktiv Geschäfte in der Cloud abgewickelt werden. (map)