ITU debattiert über Internet-Regulierung und Spam
Die International Telecommunications Union möchte wohl gerne eine gewichtigere Rolle zumindest bei der Aufsicht über die Internet-Domains und bei der Spam-Bekämpfung spielen.
Beim World Telecommunication Standardization Assembly (WTSA 04), der alle vier Jahre veranstalteten Konferenz zur Fortschreibung der Standardisierungsarbeit der International Telecommunication Union (ITU), stehen "Internet-Themen" prominent auf der Agenda. Beobachter berichten von Vorschlägen, der ITU eine gewichtigere Rolle bei der Aufsicht über die Länderdomain-Registries (ccTLDs) zu geben. Beim Thema Spam wird offenbar erwogen, mit der Konkurrenz Internet Engineering Task Force (IETF) zu kooperieren und bilaterale Abkommen im Anti-Spam-Kampf zu einem Modell für einen multilateralen Vertrag für die ITU-Mitgliedsstaaten zu machen. Noch bis Donnerstag diskutieren die Vertreter der 180 Mitgliedsländer im brasilianischen Florianopolis.
Allein der Veranstaltungsort dürfte dabei Garant für hoch politisierte Debatten um das Thema Internet Governance sein. Brasilien gehört zusammen mit China und einigen arabischen Ländern zu den Befürwortern einer Stärkung der ITU auf Kosten von Institutionen wie der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN). Besonders der Vorschlag, dass die ITU die nach wie vor innerhalb der ICANN debattierten Delegationsfragen für die Länderdomains unter die Lupe nehmen soll, ist ein Beleg für das Tauziehen. Zwar hatte gerade in den vergangenen Monaten der Direktor des Standardisierungsbüros der ITU (ITU-T), Houlin Zhao, betont, die beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) umstrittene globale Netzverwaltung könne von keiner einzigen Organisation übernommen werden und es gehe nicht um die Frage "ITU oder ICANN". Positionieren könnte sich die ITU durch ein solches Mandat allerdings sehr wohl.
Ein weiterer Vorschlag betrifft die temporäre Einrichtung einer eigenen Arbeitsgruppe, die die Arbeit der von der UN offiziell eingerichteten Working Group on Internet Governance (WGIG) begleiten soll, berichtete James Seng, von der WTSA geladener Referent zu den Themen Internationalisierung des DNS und IPv6. Um die politisch heikle Zusammensetzung der UN-Arbeitsgruppe kümmern sich derzeit der Schweizer Diplomat Markus Kummer und der WSIS-Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs Kofi Annan, Nitin Desai. Die Gruppe soll Empfehlungen für die globale Netzregulierung für den zweiten WSIS-Gipfel im kommenden Jahr erarbeiten. Ein Dauerbrenner in dieser Debatte ist die Kontrolle über die DNS-Root-Server beziehungsweise die Hoheit über die Publikation der Root-Server-Inhalte. Letztere liegt nach wie vor beim US-Handelsministerium. Gerade die Frage der Kontrolle über die Root-Server könnte, laut Seng, auch Bestandteil der WTSA-Diskussionen um die Adresszone für internationale Telefon-Domains (e.164.arpa) sein.
Auch wenn offiziell alle Seiten das Gerangel um die besten Plätze bei der Internet-Verwaltung als kontraproduktiv bezeichnen, dürfte sich die Debatte in den kommenden Monaten eher noch verstärken, wenn auch nur durch den jeweiligen Verweis auf die erfolgreiche Arbeit der eigenen Seite. Die ITU betonte denn auch gleich in Florianopolis, dass sie derzeit 210 Empfehlungen (ITU-Standards) pro Jahr verabschiedet und durch ein bei der WTSA vor vier Jahren reformiertes Standardisierungsverfahren 95 Prozent der Zeit in den Verfahren einspart. (Monika Ermert) / (jk)