"Keine realistische Alternative": Signal-Chefin verteidigt Nutzung von AWS

Als AWS vor einer Woche ausgefallen ist, hatte Signal eine Weile massive Probleme. Meredith Whittaker erklärt nun, warum der Messenger darauf angewiesen ist.

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Signal-App auf einem Smartphone, darĂĽber eine Fignerspitze

(Bild: Melnikov Dmitriy/Shutterstock.com)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Die Präsidentin der für Signal verantwortlichen Stiftung findet es besorgniserregend, dass so viele Menschen überrascht waren, dass der beliebte Messenger von dem großen AWS-Ausfall betroffen war. Das hat Meredith Whittaker in mehreren Beiträgen auf Mastodon und Bluesky ausgeführt, in denen sie erklärt, warum die Software nicht ohne die Infrastruktur von Amazon oder anderen Internetgiganten funktionieren würde. Die immense Konzentration an Macht in den Händen weniger sogenannter Hyperscaler sei viel weniger gut verstanden, als sie angenommen habe. Trotzdem weist ihre Erklärung für die große Abhängigkeit von Amazon, Google und Microsoft zumindest Lücken auf.

Als die Störungen bei AWS von Amazon vor einer Woche begannen, war Signal einer der ersten Dienste, der mit Funktionsausfällen zu kämpfen hatte. Mehr als eine Stunde lang gab es Probleme beim Senden und Empfangen von Nachrichten. Das hat offenbar für viel Erstaunen und Kritik gesorgt, Whittaker deutet nun an, dass viele Nutzer und Nutzerinnen Sorge um ihre Chatinhalte hatten, die damit über Server von Amazon geleitet werden. Deshalb beginnt sie ihre Ausführungen jetzt einmal mehr mit der Zusicherung, dass weder der US-Konzern noch Signal selbst Zugriffe auf diese Inhalte habe. Dank der eingesetzten Verschlüsselung könne niemand außer den Teilnehmenden an einem Chat diesen auch einsehen.

Dass Signal aber prinzipiell auf Infrastruktur des Hyperscalers AWS angewiesen sei, liege an den Anforderungen an eine "globale Plattform für die massenhafte Kommunikation in Echtzeit", erklärt sie. Um dabei auch Audio- und Videoanrufe mit niedriger Latenz übertragen zu können, brauche es "ein vorgefertigtes, planetenweites Netz an Rechen-, Speicher- und Edge-Präsenz". Solch eine Infrastruktur erfordere ständige Wartung, verbrauche erheblich Strom und verlange kontinuierliche Aufmerksamkeit und Überwachung. Für die Anforderungen von Instant Messaging gebe es dabei keine Alternative zu AWS & Co. Zudem stellt sie klar, dass es dabei um mehr gehe als lediglich "einen Server zu mieten".

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Eine derartige Infrastruktur koste "Milliarden über Milliarden an US-Dollar", schreibt Whittaker, weshalb weder Signal noch andere so etwas aufbauen könne. Dabei behauptet sie aber auch, dass sogar die Hyperscaler selbst dieses Geschäft querfinanzieren. Dabei gehören die Cloud-Sparten von Amazon, Microsoft und Konsorten jeweils zu deren profitabelsten Geschäftsbereichen. Weiterhin schreibt Whittaker, dass aus den genannten Gründen fast alle Dienste, die Echtzeitdienst anbieten, mindestens teilweise auf Hyperscaler angewiesen seien. Dabei nennt sie explizit Mastodon, der Kurznachrichtendienst ist aber dezentral und wenn überhaupt von anderen, kleineren Anbietern abhängig. Der deutlich kleinere Signal-Konkurrent Threema benötigt laut eigener Aussage sogar nur zwei Rechenzentren in der Schweiz.

Amazon selbst hatte den Ausfall Ende der vergangenen Woche erklärt und auf einen Single-Point-of-Failure zurückgeführt. In der Folge ließen sich zahlreiche Internetdienste nicht oder nur eingeschränkt benutzen, gehakt hat es beispielsweise auch bei Amazons Videoangeboten. Probleme gab es auch bei dem Epic Games Store und Fortnite, Duolingo, einigen Apple-Dienste, Atlassian und Docker sowie der KI-Technik von Perplexity. Besonders aufsehenerregend waren auch die Störungen bei vernetzten Matratzen, die die Steuerung der Geräte hat ausfallen lassen. Bei Signal waren die Störungen nach anderthalb Stunden behoben.

Update

Eine Angabe zur Infrastruktur von Threema wurde korrigiert.

(mho)