Industrie feiert Ausschussentscheidung als Etappensieg bei Softwarepatenten

Der Branchenverband EICTA zeigt sich zufrieden mit dem neuen Patentierungskurs im EU-Parlament, während Mittelstandsvereinigungen von einer "Katastrophe" sprechen.

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Verbände der Computerindustrie wie die EICTA haben die vom Rechtsausschuss vorgesehene Kursumkehr im EU-Parlament in der hitzig debattierten Frage der Patentierbarkeit von Software erfreut aufgenommen. "Die europäische Industrie ist zufrieden mit dem Ergebnis", erklärte EICTA-Präsident Mark MacGann. "Wir werden jetzt das gesamte Parlament drängen, der Empfehlung zu folgen." Sein Verband, der insbesondere Konzerne wie IBM, Intel, Microsoft, Motorola, Nokia oder Siemens vertritt, hatte bereits im Vorfeld der Anhörung gemeinsam mit anderen Industrievereinigungen wie der Business Software Alliance (BSA) oder der CompTIA vehement für breite Möglichkeiten zur Softwarepatentierung gemäß der auch in den eigenen Reihen umstrittenen Vorlage des EU-Rates gekämpft und dabei nicht immer mit offenen Karten gespielt.

Das Abstimmungsergebnis im federführenden Rechtsausschuss, das als Vorlage für die kritische 2. Lesung der umkämpften Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" in der Plenarsitzung des Parlaments am 6. Juli dient, wird von Beobachtern als wichtiger Erfolg der Großkonzerne gesehen. Klare Formulierungen zum Ausschluss der Patentierbarkeit von "Algorithmen oder Software" sowie staatlich gewährter Monopole im Bereich der reinen Datenverarbeitung finden sich nicht mehr in der Entscheidungshilfe für die restlichen Abgeordneten. Dafür enthält der Modelltext jetzt die vom Rat bevorzugten Programmansprüche sowie zahlreiche Hintertüren für reine Softwarepatente. Das Parlamentspapier aus der 1. Lesung hatte hier der Patentierbarkeit deutlich engere Grenzen gezogen.

Im Mittelstand, der das Rennen um wachsende Patentportfolios sowie wuchernde rechtliche Patentdickichte mit größter Sorge betrachtet, stößt die Abstimmung im Rechtsausschuss daher auf scharfe Kritik. "In ihrer jetzigen Form ist die Direktive nach wie vor geeignet, die europäische IT-Wirtschaft vor die Wand zu fahren", betont Dirk Hillbrecht, niedersächsischer Koordinator der Unternehmerinitiative gegen Softwarepatente. Die christdemokratische Volkspartei und insbesondere ihr rechtspolitischer Sprecher, Klaus-Heiner Lehne, hätten es geschafft, den Ausschuss "erneut wie einen Abnick-Verein einiger internationaler Großkonzerne aussehen zu lassen". Aus Deutschland waren bei der Abstimmung neben Lehne nur die anderen christdemokratischen Abgeordneten Kurt Lechner, Ingo Schmitt und Angelika Niebler anwesend.

Johannes Sommer, Hamburger Vertreter der Unternehmerinitiative, warnt vor einer "Katastrophe" für den Mittelstand, falls die Richtlinie nur mit den Änderungen des Rechtsausschusses angenommen würde. Alle wirklich relevanten Definitionen und Einschränkungen aus den zahlreichen anderen Verbesserungsanträgen seien abgelehnt worden. Die jetzt vorgesehene Vergabe von Zwangslizenzen zur Gewährleistung von Interoperabilität hält Sommer "für eine Farce". Als einen "schwarzen Tag für die europäische Wirtschaft" bezeichnet zudem Joachim Jakobs von der Free Software Foundation Europe die gestrigen Ereignisse. Der "Konjunkturkiller" Softwarepatente habe der EU gerade noch gefehlt. Er verweist zudem auf formelle Unstimmigkeiten im Ausschuss, da der Vorsitzende, Giuseppe Gargani von der italienischen Forza Italia, "nicht richtig durchgezählt" habe.

Enttäuscht zeigt sich die Kampagne Stoppt Softwarepatente, die von Attac und Campact ins Leben gerufen wurde. "Wir hätten uns deutlich mehr Mut seitens der Parlamentarier erhofft, ein Statement gegen die Patentierbarkeit von Software und somit für Freie Software abzugeben", sagt Julian Finn von der Attac-AG Wissensallmende. Umso wichtiger sei es nun, den Protest gegen die Ratsposition noch einmal zu verschärfen und die übrigen Parlamentarier davon zu überzeugen, "dem eigenen Gewissen statt den Empfehlungen des Rechtsausschusses zu folgen".

Auch die Österreicherin Maria Berger, die für die Sozialdemokraten im Rechtsausschuss sitzt, ist unglücklich: "Die Befürworter der Ratsposition haben sich durch das intensive Lobbying großer europäischer Firmen vermehrt". Sie hofft, mit den Konservativen noch einen Kompromiss zwischen den Positionen des federführenden Ausschusses und des Berichterstatters Michel Rocard hinzubekommen. Die Schattenberichterstatterin der Volkspartei, die Finnin Piia-Noora Kauppi, zeigt sich dafür gesprächsbereit. Ihrer Ansicht nach liegt der auch für sie nicht zufriedenstellende Ausgang der Vorabstimmung daran, dass Rocard so gut wie keine Abstriche an seinen ursprünglichen Forderungen gemacht hat. Zumindest bei der Interoperabilität sehen aber weder Berger noch Kauppi Chancen für Änderungen.

Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) will am 29. Juni nun noch einmal bei einer Konferenz in Brüssel auf die Stimme der softwarepatentkritischen "wirtschaftlichen Mehrheit" hinweisen.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)