US-Behörden ermitteln gegen Archive.today: Provider soll Nutzerdaten offenlegen
Die geheimnisvolle Website Archive.today gerät ins Visier des FBI. Eine richterliche Anordnung zwingt den Provider Tucows zur Herausgabe von Nutzerdaten.
Archive.today ist offenbar im Fadenkreuz von Ermittlungen des US-amerikanischen FBI
(Bild: heise medien)
Sie zählt zu den geheimnisvollsten und gleichzeitig bekanntesten Websites im Netz: Archive.today hat sich über einen Zeitraum von über zehn Jahren eine Nutzerschaft aufgebaut, die den Dienst verwendet, um frühere Schnappschüsse einer Internetseite aufzurufen. Also im Grunde wie die Wayback Machine des Internet Archive, nur weitgehend regelbefreit und vermutlich deshalb auch anonym. Zum Ärger der Medienbranche wird der Dienst auch gerne genutzt, um Paywalls zu umgehen. Auch dies ist möglich, weil sich der Dienst nicht um gängige Regeln und Gesetze schert und keine Opt-Out-Möglichkeit bietet.
Und damit sind die Betreiber bislang gut durchgekommen. Zwar gab es in der Geschichte des Dienstes immer wieder mal kleine Probleme, dass ihnen etwa ein Top-Level-Domain-Betreiber die weitere Nutzung einer der vielen archive-Domains verwehrte. Ernsthaft gefährdet wurde der Betrieb des Projekts, das angeblich mit Spenden und Eigenmitteln finanziert wird, aber nicht.
Richterliche Anordnung in den USA
Doch jetzt fürchten die Betreiber von archive.today offenbar größeren Ärger. In den letzten Monaten und Jahren waren sie merklich ruhiger geworden. Bis vor zwei Jahren wurden etwa noch regelmäßig Fragen im Blog beantwortet. In dem offiziellen X-Account, der über ein Jahr lang verstummt war, tauchte Ende Oktober ein neuer Post auf. "Canary" hieß es dort lediglich, zusammen mit der Angabe einer URL. Der erwähnte Kanarienvogel dürfte eine Anspielung auf einen früheren Brauch im Bergbau sein. Ein mitgebrachter Kanarienvogel warnte die Bergleute, wenn er tot umkippte, davor, dass unsichtbares Gas drohte.
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Die todbringende Gefahr, die die Seitenbetreiber fürchten, ist augenscheinlich mit dem im X-Post verlinkten PDF verknüpft. Darin befindet sich eine richterliche Anordnung, die die US-Ermittlungsbehörde FBI erwirkt hat. Sie weist den kanadischen Provider Tucows an, umfassende Daten über den Kunden auszuhändigen, der hinter archive.today steckt. Es geht um Adress- und Verbindungsdaten sowie Zahlungsinformationen. Sollte Tucows die Daten nicht liefern, drohen Strafen. Ob die richterliche Anordnung echt ist und wie die Betreiber der Seite an sie gelangten, ließ sich bislang nicht verifizieren.
Sitzt der Betreiber in Russland?
Weshalb sich das FBI aktuell für archive.today interessiert, das auch unter den Domains archive.is und archive.ph aufrufbar ist, geht aus der richterlichen Anordnung nicht hervor. Offensichtliche Anknüpfungspunkte für Ermittlungen gibt es aber einige: Neben dem offensichtlichsten Grund der Urheberrechtsfragen könnten die Ermittler auch Verdachtsmomenten zur unklaren Finanzierung, der Herkunft der Betreiber oder der technischen Vorgehensweise nachgehen.
Der finnische Blogger Janni Patokallio trug im Jahr 2023 in einem Post verschiedene Spuren und Rechercheergebnisse zusammen. Diesen zufolge benutzt Archive.today ein Botnetz mit wechselnden IP-Adressen, um Abwehrmaßnahmen gegen das Scraping zu umgehen. Es gebe auch Hinweise, dass der oder die Betreiber in Russland sitzen. Eine andere private Recherche aus dem Jahr 2024 kommt zu einem anderen Ergebnis. Sie benennt namentlich einen Softwareentwickler aus New York als mutmaßlichen Betreiber. Das Verfolgen von Spuren nach Osteuropa erwies sich demnach als falsche Fährte.
Ergänzung einer weiteren Spur zur Herkunft des Betreibers nach einem Leserhinweis
(mki)