Vertrag soll bis Jahresende stehen: Bayern will in die Microsoft-Cloud

Bayern will seine Behörden mit Microsoft 365 ausstatten. Kritiker rechnen mit Lizenzkosten in Milliardenhöhe und warnen vor dem Verlust digitaler Souveränität.

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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei der Feier zum 40. Geburtstag von Microsoft in Deutschland im Jahr 2023.

(Bild: Bayerische Staatsregierung)

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Bayern geht in die Microsoft-Cloud: Die Staatsregierung will bis Ende des Jahres einen Vertrag mit dem US-Konzern über die Nutzung des Cloud-Office-Pakets Microsoft 365 schließen. Angestrebt sei der Abschluss "eines neuen konsolidierten Enterprise Agreements (EA) für staatliche Behörden", heißt es in einer Präsentation des zuständigen bayerischen Finanzministeriums, die c't vorliegt.

In einem ersten Schritt sollen Ministerien und Behörden des Freistaats die Clouddienste nutzen. Der "Bayernvertrag" soll laut der Präsentation aber auch als Grundlage für einen "Kommunalvertrag" dienen, über den Städte und Gemeinden Microsoft 365 beziehen können. Als konkretes Produkt nennt die Präsentation das Paket M365 E5 inklusive Teams.

Angaben zur geplanten Vertragsdauer und zu den zu erwartenden Kosten machte das Finanzministerium auf Anfrage von c't nicht. Eine Sprecherin von CSU-Minister Albert Füracker erklärte lediglich, dass Freistaat und Kommunen aktuell "Fragen zur Nutzung cloud-basierter Dienste (insb. Microsoft 365)" zentral klären. Dazu gehörten auch Fragen des Datenschutzes, der IT-Sicherheit, der technischen Umsetzung und der digitalen Souveränität.

Vertreter bayerischer IT- und Open-Source-Firmen kritisieren den geplanten Microsoft-Deal in einem offenen Brief scharf: "Fast eine Milliarde Euro an Lizenzkosten würden im Laufe von fünf Jahren an den US-Konzern fließen." Diese Mittel würden "der bayerischen Wirtschaft, insbesondere innovativen Softwareherstellern im Land, entzogen", heißt es in dem Brief, der unter anderem von B1 Systems, OpenProject, der Heinlein Group und dem Verein zur Förderung von IT aus Europa (ITE) initiiert wurde.

Auf die Summe von knapp einer Milliarde Euro über fünf Jahre kommen die Open-Source-Unternehmen durch eine überschlägige Rechnung: Der Listenpreis von Microsoft 365 E5 inklusive Teams liegt bei 59,70 Euro pro Nutzer und Monat. Die Kosten inklusive Rabatt schätzen sie auf circa 55 Euro pro Monat und Arbeitsplatz, die Zahl der Beschäftigten des Landes Bayern ohne Lehrer auf etwa 270.000. Das wären etwa 180 Millionen Euro pro Jahr. In der Realität könnten Microsofts Rabatte höher ausfallen, allerdings würde die Zahl der Nutzer steigen, wenn nachrangige öffentliche Organisationen oder Kommunen hinzukommen.

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Auch die Opposition im bayerischen Landtag kritisiert den geplanten Deal. "Bayern ist ein führender Hightech-Standort – mit herausragender Forschung, starker Digitalwirtschaft und einer wachsenden Open-Source-Community", sagte Benjamin Adjei, Sprecher für Digitales der Grünen-Fraktion. "Aber anstatt diese Stärke zu nutzen, verlässt sich die Staatsregierung lieber auf Anbieter aus den USA. Erst wurde die Analyseplattform VeRA an Palantir vergeben, jetzt sollen Hunderte Millionen in Microsoft-Clouds fließen."

Florian von Brunn, Sprecher für Wirtschaft, Energie und Digitales in der SPD-Fraktion, sagte gegenüber c't: "Ich bin ziemlich erstaunt, dass digitale Unabhängigkeit von den USA und Trump für die Söder-Regierung keine Rolle spielt. Außerdem irritiert es mich, dass man einen solchen Auftrag ins Ausland vergibt, ohne an eigene Unternehmen zu denken." Andere Bundesländer und der Bund gingen andere Wege.

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Der SPD-Abgeordnete hat eine schriftliche Anfrage mit zahlreichen Fragen an die Staatsregierung eingereicht, etwa zum Gesamtvolumen der Beschaffung und zu Betrachtungen der Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu Open-Source-Alternativen wie openDesk.

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(cwo)