Vorsicht Betrug: USB-Festplatten mit gebrauchtem Innenleben
Dubiose Händler verkaufen online gebrauchte SSDs und Festplatten als Neuware. Der Betrug ist vor dem Kauf für Laien nur schwer zu erkennen.
(Bild: heise medien)
Es gibt weltweit noch drei Festplattenhersteller: Seagate, Toshiba und Western Digital. Doch wenn man nach externen Laufwerken im USB-Gehäuse sucht, dann findet man auf Online-Marktplätzen wie Amazon oder Ebay nicht nur Modelle dieser Hersteller, sondern auch welche von bekannten Marken wie Intenso oder Transcend – und solche von UnionSine, Eaget, Pompeian oder Storite. Während man sich beim Kauf von USB-Festplatten der Hersteller und auch von solchen von Intenso und Transcend sicher sein kann, dass die in den Gehäusen eingebauten Festplatten neu sind, ist das bei den Modellen der letztgenannten Firmen nicht unbedingt der Fall.
Denn nicht nur auf Amazon kursieren seit Jahren externe Festplatten, die äußerlich wie Neuware wirken, tatsächlich aber bereits jahrelang genutzte Laufwerke enthalten. Für Käufer ist der Betrug kaum zu erkennen, denn der Preisunterschied zu echten neuen Laufwerken liegt oft nur bei wenigen Euro.
Die betroffenen Anbieter agieren meist im Amazon-Marketplace, also in dem Bereich, in dem Drittanbieter ihre Produkte verkaufen. Hier unterscheidet der Konzern zwischen zwei Geschäftsmodellen:
- 1P (First Party): Amazon kauft Ware von Markenherstellern und verkauft sie unter eigenem Namen weiter.
- 3P (Third Party): Externe Händler listen Produkte selbst, Amazon stellt nur die Plattform bereit. Innerhalb dieses 3P-Geschäfts gibt es zwei Varianten:
- Verkäufer verschicken ihre Ware nach dem Bestelleingang selbst
- oder sie nutzen Fulfilled by Amazon (FBA) – dann lagert und verschickt Amazon die Ware, besitzt sie aber nicht.
Alte Ware, neue Verpackung
Verdeckte Käufe ergaben, dass in vermeintlich neuen externen Laufwerken Gebrauchtplatten mit teils zehntausenden Betriebsstunden stecken. Teilweise enthalten die USB-Gehäuse Laufwerke aus den Jahren 2017, betroffen sind alle Hersteller – und in einigen Fällen fanden sich auch noch Laufwerke von HGST oder Samsung, Markennamen, die längst nicht mehr benutzt werden.
Technisch sind die Laufwerke oft noch funktionsfähig, doch eine Deklaration als Neuware ist klar betrügerisch. Viele dieser Festplatten tauchen in den regulären Bestsellerlisten und nicht im ausgewiesenen "Amazon Renewed“-Bereich auf, in dem gebrauchte oder generalüberholte Geräte eigentlich landen sollten.
Viele dieser Angebote wirken seriös: bekannte Bauform, ansprechende Verpackung, positive Bewertungen. Doch auch hier wurde getrickst – etwa mit gekaperten Rezensionen anderer Produkte; wir haben unter einer Festplatte sogar Bewertungen für Olivenöl gefunden.
Der Betrug lässt sich auf zweierlei Weise entdecken: mithilfe von Software oder durch das Aufschrauben, meistens wohl eher Aufbrechen des Gehäuses. Das ist auch der Grund, weswegen Amazons interne Kontrollen häufig versagen: Die bei FBA für andere Händler gelagerte Ware gehört dem Versandriesen nicht, deswegen lassen die Teams lieber die Finger davon. Denn eine aufgebrochene Verpackung oder schlimmer noch ein aufgebrochenes Gehäuse lässt sich nicht mehr verkaufen – erhärtet sich der Verdacht nicht, müsste Amazon den Schaden selbst tragen.
Das alles gilt selbstverständlich nicht nur für Festplatten. Viele USB-Sticks, Speicherkarten und USB-SSDs haben weit weniger Kapazität als beworben – auch diese Fälle gibt es seit Jahren. USB-Festplattengehäuse enthalten keine Festplatten, sondern eine kleine MicroSD-Karte und ein paar Metallscheiben für das notwendige Gewicht, auch in der Kapazität manipulierte Festplatten sind uns schon untergekommen.
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Amazons strukturelles Problem
Der Fall verdeutlicht ein Dauerproblem des Marketplace. Die verschiedenen Geschäftseinheiten bei Amazon – Retail (1P), Marketplace (3P) und Renewed – arbeiten weitgehend unabhängig voneinander. Dadurch bleibt es unklar, wer für die Kontrolle problematischer Händler verantwortlich ist. Interne Prüfungen sind kompliziert, weil Amazon nur eingeschränkt in FBA-Bestände eingreifen darf. Selbst wenn Betrugsfälle entdeckt werden, tauchen die Anbieter oft unter neuen Namen wieder auf.
Während Amazon betont, der Kundenschutz stehe im Mittelpunkt, zeigt die Praxis ein anderes Bild. Meldungen von Herstellern oder Käufern führen selten zu schnellen Maßnahmen. Andere Plattformen wie eBay gelten in dieser Hinsicht inzwischen als reaktionsfreudiger: eBay entfernt problematische Angebote nach Herstellerbeschwerden meist innerhalb eines Tages.
Die Betrüger profitieren doppelt: Sie kaufen gebrauchte Hardware billig ein, verkaufen sie fast zum Neupreis und investieren den Gewinn in bezahlte Suchplatzierungen, um in den Trefferlisten weiter nach oben zu kommen. Auf diese Weise begegnen Käufer bei der Suche nach „externer Festplatte“ oft zuerst dubiosen Marken, während die echten Hersteller nachrangig erscheinen.
Augen auf beim Hardwarekauf
Ein vollständiges Unterbinden des Betrugs gilt als unrealistisch – zu viele Anbieter, zu wenig Kontrolle. Wir empfehlen, Misstrauen walten zu lassen: Wer groß klingende Kapazitäten zu extrem niedrigen Preisen findet oder Produkte kleiner unbekannter Marken, sollte vorsichtig sein. Wirklich sicher sind Festplatten und SSDs jener Marken, die ihre Produkte transparent zertifizieren oder aus eigener Fertigung stammen. Vor allem aber sollte man sich vor dem Kauf unbekannter Marken auf chinesischen Handelsplattformen hüten: Das EU-Recht findet dort keine Anwendung, die Händler haben häufig wenig vertrauenserweckende Namen wie xxstrading87 , xuchanggaoyingba0 oder chang-2123.
Nach dem Kauf lässt sich die Hardware mit Hilfsprogrammen wie den Smartmontools, dem Harddisk Sentinel oder Crystaldiskinfo überprüfen. Auch unser eigens für die Betrugserkennung geschriebenes Programm H2testw dient trotz seines Alters immer noch gut zur Erkennung von Fälschungen. Weitere Hinweise zur Erkennung eines Betrugs haben wir bereits am Jahresanfang gegeben – bei den Betrugsfällen rund um gebrauchte Server-Festplatten von Seagate.
(ll)