ISC 2005: Big Big Blue

IBM ist nicht nur Hauptsponsor der diesjährigen Supercomputing-Konferenz in Heidelberg. BlueGenes dominieren auch scheinbar erdrückend die aktuelle Rangliste, sodass andere Hersteller ganz schön rudern müssen, um nicht unterzugehen.

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Die Initiatoren der Top500-Liste haben schon immer mit dem Formel-1-Appeal ihrer Liste kokettiert. In diesem Jahr begrüßte Intel die Teilnehmer der Internationalen Supercomputing Konferenz (ISC 2005) mit einem Formel-1-Wagen aus dem Toyota-Rennstall vor dem Heidelberger Kongresszentrum. Aber obwohl der Chipriese standhaft betont, dass über zwei Drittel aller Systeme in der aktuellen Top500-Liste auf der Basis von Intel-Prozessoren laufen, kommt man an der Dominanz von IBM nur schwer vorbei.

Denn obwohl Big Blue seine BlueGene-Systeme zur Zeit im wesentlichen an klassische Kunden wie staatliche Großforschungseinrichtungen verkauft -- mit ersten Privatkunden aus der Wirtschaft rechnet der Konzern erst im kommenden Jahr -- kann der Konzern in den ersten zehn der Liste allein sechs Systeme platzieren. Ganz abgesehen davon, dass die Nummer eins auf der Liste, Blue Gene L, zur Zeit gerade mal die Hälfte seiner endgültigen Ausbaustufe erreicht hat.

Die IBM-Entwickler betonen immer wieder, dass eine der entscheidenden Grenzen für den Bau einer Maschine, die, wie von der DARPA angestrebt, mindestens ein Petaflop pro Sekunde nachhaltiger Rechenleitung zur Verfügung stellt, die Performance pro Watt sei. Intel und IBM meinen, sie böten das optimale Preis-Leistungs-Verhältnis. Andere Hersteller wie Cray und NEC profilieren ihre Computer dagegen eher über die generelle Leitungsfähigkeit, die sie mit gutem Abschneiden in der Benchmark-Suite HPC Challenge belegen.

Denn der Benchmark Linpack, nach dessen Ergebnissen die Top500 sortiert wird, steht seit über zehn Jahren in der Kritik, weil der Test beispielsweise Speicherbandbreite und Latenzzeit nicht abfragt. Insofern sind manche Anbieter möglicherweise hellhörig geworden: Erich Strohmaier als einer der langjährigen Autoren der Supercomputer-Rangliste erklärte in einer kritischen Würdigung der HPC-Statistik der vergangenen zwanzig Jahre erstmals, Linpack bilde "wissenschaftliches Computing nicht sehr gut ab und muss möglicherweise an einem bestimmten Punkt ersetzt werden".

Wann dieser Zeitpunkt gekommen ist, mochte Strohmaier allerdings nicht verraten. Bisher, so sein Fazit, habe die Top500-Liste zumindest den Markt und seine Trends gut abgebildet. Möglicherweise wird die Änderung der Spielregeln mit dem Ortswechsel im kommenden Jahr zusammenfallen. Denn weil das Heidelberger Kongresszentrum seit Jahren von Ausstellern als zu eng kritisiert wird und tatsächlich bereits im Januar keine Ausstellungsflächen mehr zu haben waren, wird die Tagung im kommenden Jahr nach Dresden verlegt.

Wohin die Reise bei der technischen Entwicklung geht, ist weniger klar. Während es vor einigen Jahren noch so ausgesehen hat, als ob künftig neben einigen extrem teuren und hochspezialisierten Vektormaschinen Cluster aus preisgünstiger Hardware die Szene dominieren, hat IBM mit seinem "High Density Computing" ein neues Fass aufgemacht. Verschiedene Hersteller denken nun darüber nach, hybride Maschinen zu bauen, bei denen die Software einzelne Code-Segmente vollautomatisch auf die dafür am besten geeigneten Teile der Maschine verteilt Es scheint sich jedoch insgesamt herauszukristallisieren, dass der Software-Anteil am Supercomputing immer bedeutender wird.

Horst Simon vom Lawrence Berkely National Laboratory nannte als eine der wesentlichen Herausforderungen für die kommenden 20 Jahre jedenfalls, dass die Community mit der flacher werdenden Kurve der Hardware-Leistungsfähigkeit umgehen müsse. Microsoft, die im vergangenen Jahr mit ihrer Ankündigung, ebenfalls in den HPC-Sektor einsteigen zu wollen, für viel Wind gesorgt hatte, wird allerdings frühestens im Herbst eine erste Preview-Version zur Verfügung stellen.

Noch bis Freitag werden die 621 Konferenzteilnehmer aus 29 Staaten -- erstmals sind in diesem Jahr auch Gäste aus China angereist -- ein letztes Mal das Heidelberger Kongresszentrum füllen. In seiner bewegenden Eröffnungsrede erinnerte Tagungspräsident Hans Werner Meuer jedoch daran, dass zwei Kollegen das in diesem Jahr begangene zwanzigste Jubiläum der Tagung nicht mitfeiern konnten: Der im vergangenen Juli verstorbene ISC-Mitgründer Dr. Hans-Martin Wacker und der erst kürzlich verstorbene Kollege Uwe Harms. (wst)