Studie: Kein Zusammenhang zwischen Web-Angeboten und Zeitungssterben

Eine britische Studie kann keine direkte Relation zwischen fallenden Druckauflagen und steigenden Online-Zugriffszahlen von Tageszeitungen finden.

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Von
  • Gerald Himmelein

Zwar sinken die Auflagenzahlen der britischen Tageszeitungen weiterhin, doch lasse sich keine direkte Relation zu den Zugriffen auf die Online-Angebote derselben Medien beweisen, behauptet eine neue Studie. Darin kommt Jim Crisholm zu einer ganz anderen Schlussfolgerung: Erfolgreiche Web-Angebote seien auch auf Papier erfolgreich.

Mediengrößen wie Robert Murdoch und Mathias Döpfner polemisieren seit Monaten, die kostenlosen Online-Webangebote von Zeitungen und Zeitschriften würden dazu führen, dass ihre Print-Verbreitung abnehme. Der Erosion der gedruckten Auflagen müsse man mit Gesetzen und kostenpflichtigen Angeboten entgegentreten. Den Worten folgen bereits Taten: Die britische Tageszeitung The Times verlangt seit Mitte des Jahres Geld für den Zugriff auf ihr Online-Informationsangebot; die New York Times will im kommenden Jahr nachziehen.

Crisholm hat im Auftrag des "Guardian" die jüngsten gemeldeten Auflagenzahlen britischer Zeitungen analysiert, die dem Audit Bureau of Circulations (ABC) gemeldet wurden. Demnach gingen die Auflagen der Tageszeitungen gegenüber dem Vorjahr um 5,3 Prozent zurück; bei den Sonntagsausgaben betrug der Verlust sogar 6,7 Prozent. Die Online-Zugriffe steigen aber mitnichten in einem vergleichbaren Maßstab – weder auf der Ebene einzelner Zeitungen oder im Blick auf die Gesamtverbreitung.

Die Studie hebt besonders hervor, dass die Web-Besucher der Zeitungen The Guardian, Daily Telegraph und The Independent die Zahl der Print-Leser um ein Vielfaches übersteigen – der Guardian kann sich sogar mit einer Relation von 125 Online-Lesern pro Print-Leser brüsten. Landesweit verfügbare britische Zeitungen würden generell deutlich mehr Leser anziehen als die anderer europäischer Länder. Die Online-Angebote regionaler Zeitungen seien hingegen deutlich weniger erfolgreich. Die würden zwar Gelegenheitsleser anziehen, könnten aber keine bleibende Bindung erzielen.

In seiner Studie verglich Jim Crisholm die aktuellen Auflagenzahlen mehrerer Zeitungen mit deren "Prä-Internet"-Verbreitung vor 15 Jahren. In diesem Intervall haben die Tageszeitungen Guardian, Telegraph und Times zwar ein Drittel ihrer Auflage verloren – aber ohne eine Korrelation zu den Online-Zugriffszahlen. The Daily Star und The Daily Mail konnten seit September 1995 deutlich zulegen, und dies bei gleichzeitig wachsender Online-Leserschaft. Der vor allem auf Klatsch-Nachrichten spezialisierte Daily Mirror hat hingegen fast die Hälfte seiner Auflage eingebüßt.

Crisholm argumentiert somit, es sei letztlich alles auf die Qualität zurückzuführen – und auf die Zeitungspreise, die trotz schrumpfender Seitenzahl immer weiter anstiegen. Für das Argument, am Zeitungssterben sei allein das böse Internet schuld, fand er hingegen keine empirischen Belege. (ghi)