EU rückt von Chatkontrolle ab

Die EU verzichtet im neuen Entwurf zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch im Netz auf die Chatkontrolle. Stattdessen: Risikobewertungen und freiwillige Maßnahmen.

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WhatsApp-Chat auf einem Smartphone

(Bild: Tatiana Diuvbanova/Shutterstock.com)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Die Europäische Union rückt in ihrem Bemühen, den Kindesmissbrauch im Netz zu bekämpfen, vom Einsatz der Chatkontrolle ab. Ein vom Rat der Europäischen Union vorgelegter Entwurf für weitere Verhandlungen sieht die stark umstrittene Prüfung auf den Geräten von Messenger- und Cloud-Dienst-Nutzern nicht mehr vor. Das Ergebnis der Verhandlungen war zuvor bereits durchgesickert. Sicherheitsexperten sehen auch die freiwilligen Maßnahmen kritisch. Jetzt ist es offiziell bestätigt.

Nach monatelangem Ringen musste die dänische Ratspräsidentschaft im November ihre Pläne aufgeben, Messenger-Dienste wie WhatsApp, Signal oder Threema zum automatisierten Scannen privater Kommunikation zu zwingen. Bürgerrechtler und Datenschützer gingen dagegen auf die Barrikaden, weil sie das faktische Aus der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung befürchteten und darin ein Einfallstor für weitergehende Überwachung witterten. Messenger-Dienste wie Signal kündigten gar ihren Rückzug aus der EU an, wenn das Gesetz so gekommen wäre.

Die nun vereinbarte Position setzt hingegen auf Risikobewertungen für Online-Dienste, freiwillige Schutzmaßnahmen der Anbieter und eine neue EU-Agentur. Die bis April 2026 befristete Übergangsregelung, die das freiwillige Scannen nach Missbrauchsmaterial erlaubt, soll dauerhaft bestehen bleiben.

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Mit der Einigung kann der Trilog mit dem EU-Parlament beginnen, das bereits im November 2023 eine deutlich restriktivere Position beschlossen hatte. Die Abgeordneten hatten verpflichtende Maßnahmen grundsätzlich abgelehnt und wollen verschlüsselte Kommunikation vollständig ausklammern. Erfahrungsgemäß kann sich der Trilog gerade in umstrittenen Fällen über Jahre hinziehen.

Bei der Risikoanalyse müssen Anbieter prüfen, ob ihre Dienste für die Verbreitung von Missbrauchsmaterial oder die Kontaktaufnahme mit Kindern missbraucht werden können. Dafür soll es drei Kategorien geben: hohes, mittleres und geringes Risiko. Anbieter in der höchsten Kategorie könnten dazu verpflichtet werden, an der Entwicklung von Technologien zur Risikominderung mitzuwirken. Grundsätzlich sollen die Anbieter Meldefunktionen für Nutzer sowie Kontrollmöglichkeiten über geteilte Inhalte vorhalten und Standard-Privatsphäre-Einstellungen für Kinder einführen, wie sie einige Anbieter bereits haben.

Nationale Behörden sollen ermächtigt werden, Unternehmen zur Entfernung und Sperrung von Inhalten zu verpflichten. Und bei Suchmaschinen soll die Entfernung beanstandeter Einträge aus den Ergebnissen möglich sein. Unterstützt werden soll dies durch eine neue EU-Agentur. Diese verarbeitet Meldungen von Anbietern, betreibt Datenbanken und soll nationale Behörden unterstützen. Zugleich wäre sie Schnittstelle zu Europol und nationalen Strafverfolgungsbehörden. Der Entwurf sieht ferner vor, dass Unternehmen Opfern bei der Entfernung von Material helfen sollen. Die EU-Agentur soll hierbei unterstützen.

(mki)