Viture Luma Ultra ausprobiert: Zu viel des Guten

Die Display-Brille Viture Luma Ultra verspricht neben einem mobilen Bildschirm für unterwegs auch AR und Handtracking. Doch wie zuverlässig funktioniert das?

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Ein Mann trägt eine schwarze Sonnenbrille, blickt nach oben und gestikuliert mit den Händen.

Die Display-Brille Viture Luma Ultra kann per Handtracking bedient werden.

(Bild: Viture)

Lesezeit: 9 Min.
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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Viture stellt seit 2021 Display-Brillen her, die sich primär an Filmfans, mobile Gamer und produktive Pendler richten. Diese Geräte spiegeln den Bildschirm eines Zuspielgeräts über Birdbath-Optiken in das Sichtfeld des Nutzers, wodurch der Eindruck einer riesigen digitalen Leinwand im Raum entstehen soll. Bisher war aufgrund der verwendeten Technik in dieser Geräteklasse keine vollwertige Augmented Reality möglich. Dennoch bewerben die Hersteller die Brillen aggressiv als „AR Glasses“ oder „XR Glasses“. Im Falle der „Viture Luma Ultra“ scheinen diese Bezeichnungen auch gar nicht so abwegig, schließlich soll sie 6DoF-Tracking, also die Bewegungserfassung im Raum in sechs Freiheitsgraden, und Handtracking beherrschen. Wie gut sie das wirklich kann, haben wir ausprobiert.

Die Viture Luma Ultra sitzt mit ihren knapp 80 Gramm und den magnetischen Nasenpads in unterschiedlicher Größe relativ stabil auf der Nase. Nach längerer Nutzung macht sich dennoch eine gewisse Frontlastigkeit bemerkbar, die zu leichten Druckstellen auf dem Nasenbein führt. Die Dioptrienkorrektur in Form von zwei Rädchen über den Gläsern regelt die Bildschärfe, hat aber ein Manko: Die Rädchen rasten nicht ein. Wer also versehentlich oben an den Rahmen kommt, muss neu justieren.

Display-Brillen funktionieren nicht autark und stellen immer nur dar, was ihnen ein anderes Gerät per Kabelverbindung zuspielt. Das ist in den meisten Fällen ein Smartphone, kann aber auch ein Laptop, MacBook oder eine tragbare Handheld-Konsole wie das Steam Deck sein. Sobald die Brille per USB-C an ein kompatibles Gerät angeschlossen wird, erscheint ein virtueller Bildschirm, der laut Hersteller etwa einem 147-Zoll-Bildschirm in drei Metern Entfernung entsprechen soll. So ganz greift diese Beschreibung allerdings nicht, da Display-Brillen ein sehr eingeschränktes Sichtfeld haben. Man blickt auf eine große, leicht transparente Leinwand, die zu den Rändern hin immer unschärfer wird und an die Bewegung des Kopfes gekoppelt ist.

Viture Luma Ultra (3 Bilder)

Auch auf der Gamescom 2025 war Viture mit der Luma Ultra präsent und zeigte Messebesuchern Handtracking, Gaming und Videos auf der Display-Brille. (Bild:

(joe)

)

Zudem ist das Sehgefühl auch durch die optische Technologie nicht mit dem Blick auf einen großen Fernseher vergleichbar. Das Bild ist immer nahe am Auge und wird aus einer Kombination aus OLED-Displays und halbtransparenten Spiegeln erzeugt, die Reflexionen und Bildartefakte erzeugen. Die Brillengläser dämpfen die reale Umgebung ab, sodass die „große Bildschirm“-Illusion im Kontext einer eher dunklen Umgebung am besten funktioniert. Im Wohnzimmer, in der Bahn oder im Flugzeug entsteht so der Eindruck eines Privatkinos, an einem sonnigen Tag im Garten ist kaum noch etwas zu erkennen. Da hilft auch die per Knopfdruck aktivierbare elektrochrome Verdunkelung der Gläser nicht mehr viel.

Unter idealen Lichtverhältnissen liefert die Viture Luma Ultra mit ihren OLED-Displays (1920 × 1080 Pixel pro Auge) dennoch satte Farben und ordentliches Schwarz. Die Darstellung ist strahlend hell und erreicht laut Hersteller 1250 Nits. Das ist auch nötig, damit die Anzeige weniger transparent erscheint. Regelt man die Helligkeit herunter, wird die virtuelle Leinwand weniger blickdicht. Ganz frei von unerwünschten Spiegelungen aus der Umgebung ist die Brille auch nicht, was den Sehgenuss trüben kann. Als Highlight preist Viture den 3D-Modus an. Über einen Knopf an der Brille soll sich jedes zweidimensionale Bild in ein 3D-Bild verwandeln. So richtig überzeugend funktioniert das allerdings nie. Während die Begleit-App „Immersive 3D“ am Laptop noch am stabilsten lief, war mit dem „Neckband Pro“ oder der Verbindung am Smartphone das Ruckeln kaum noch auszuhalten. Im Idealfall ist ein Tiefeneffekt klar sichtbar und kann in manchen Filmszenen beeindrucken. Spätestens bei Videospielen bricht die Bildwiederholrate allerdings komplett ein. Ein spannendes Feature, das aber noch viel Software-Pflege benötigt.

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Ähnlich verhält es sich auch beim Handtracking und den AR-Features. In der Theorie soll die Viture Luma Ultra eine ähnliche „Spatial-Computing-Erfahrung“ liefern wie die Apple Vision Pro oder die Meta Quest 3. In der Praxis trennen die Geräte allerdings Welten. Viture bietet mit dem „Neckband Pro“ einen eigenen kleinen Rechner an, der um den Hals gelegt und per Kabel mit der Brille verbunden wird. Das Neckband ist im Grunde ein Android-Mini-PC mit WLAN, Bluetooth, Akku und Speicher. Über die zugehörige App lässt sich der Bildschirm in mehrere virtuelle Fenster aufteilen und stellt Inhalte von YouTube, GeForce Now, Xbox Cloud Gaming oder sogar Dateien aus dem eigenen NAS-Netzwerk dar.

Die beworbenen 6-DoF-Funktionen und das Handtracking funktionieren mobil nur in Kombination mit dem fast 400 Euro teuren Zubehör. Aktuell bietet Viture gerade mal zwei Anwendungen an, die Handtracking und 6DoF-Tracking wirklich unterstützen: ein an „Angry Birds“ angelehntes Minispiel, bei dem mit einer Schleuder kleine Bauwerke zum Einsturz gebracht werden müssen, und ein im physischen Raum schwebendes Solarsystem. Die Darstellung ist auch hier wieder gelungen. Abgesehen vom eingeschränkten Sichtfeld (52 Grad) sind die digitalen Objekte knackscharf, hell und leuchten in satten Farben. Wer nah an die kleinen Planeten herangeht, kann auch feine Details auf der Oberfläche der Erde erkennen. Grafisch hat die Kombination aus OLED-Displays und Birdbath-Optics also durchaus Potenzial. Mit der Interaktion wird es dann aber schon etwas schwierig, denn in seinem aktuellen Zustand ist das Handtracking der Viture Luma Ultra nicht mehr als eine nervige Spielerei.

Die Hände werden in Form von kleinen Punkten dargestellt, die wie Fingerglieder aussehen und auch deren Bewegung nachbilden können. Allerdings gibt es eine klar spürbare Verzögerung zwischen der echten Bewegung und der meiner digitalen Hände. Dazu kommt eine generelle Ungenauigkeit, die das Handtracking als Steuerungsoption für das Menü eigentlich unbrauchbar macht. Das Grundprinzip ist ähnlich wie bei Quest 3 oder Vision Pro: Von der Hand geht eine Art Laserpointer in Richtung der im Raum „schwebenden“ Menü-Tafeln und Buttons aus, mit dem Nutzer per Handbewegung auf das Ziel zeigen. Damit man einen Button per Pinch-Geste „drücken“ kann, muss der Laserpointer aber erst einmal kurz darauf einrasten, und das wirkt in manchen Situationen wie reines Glücksspiel. Vor allem, wenn sich das Menü auch noch leicht mitbewegt, weil es sich dem Sichtfeld anpassen möchte. Das Scrollen durch YouTube-Videos oder Artikel im Browser funktioniert hingegen reibungslos.

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Ein weiteres Manko ist die Wärmeentwicklung und der laute Lüfter. Schon nach wenigen Minuten im Einsatz werden Neckband und Brille spürbar warm. Dazu kommt ein Lüftergeräusch im Neckband, das durch die Nähe zum Ohr jeden High-End-Gaming-PC auf Hochtouren in den Schatten stellt. Die Akkulaufzeit ist ebenfalls ein Punkt, den Nutzer im Blick behalten sollten: Bei aktiver Nutzung (3D-Darstellung, Handtracking, Streaming) ist schon nach etwa anderthalb Stunden Schluss – deutlich weniger als die angegebenen vier Stunden. Ohne zusätzliche Powerbank wird es da schnell knapp.

Die Darstellung von digitalen Objekten im physischen Raum klappt mit der Luma Ultra zwar grundsätzlich, fühlt sich aber noch sehr unausgereift an. Das Handtracking leidet unter hoher Latenz und mangelnder Präzision und die bisherigen AR-Features sind kaum mehr als Tech-Demos. Auch die Softwarestruktur von Viture ist ausbaufähig. Es braucht gleich drei hauseigene Apps, um sämtliche Features nutzen zu können. Dazu kommt noch die Android-Installation auf dem Neckband. Das alles wirkt völlig überfrachtet und ist wenig intuitiv. Zudem wird schnell klar, dass das Betriebssystem nicht auf räumliche Interaktion ausgelegt ist und sich eher wie eine Smartphone-Oberfläche anfühlt, die mit einem Laserpointer bedient wird.

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Visuell kann die Viture Luma Ultra allerdings überzeugen. Das Bild ist für eine Brille dieser Klasse im Sweetspot klar, extrem hell und kontrastreich – sofern die Umgebung nicht zu stark ausgeleuchtet ist. Besonders beim Schauen von YouTube-Videos, Netflix-Serien oder beim Spielen auf dem Steam Deck fühlt sich das Erlebnis hochwertig an. Wer sich eine solche Brille primär für den Medienkonsum anschaffen möchte, ist allerdings schon mit den günstigeren Modellen Luma oder Luma Pro gut bedient. Viture kündigte zwar bereits mehrmals an, die XR-Inhalte in Zusammenarbeit mit externen Entwicklern ausbauen und die Darstellung und Bedienung per Software-Updates optimieren zu wollen. Im aktuellen Zustand sehen wir aber keinen Mehrwert, der die Mehrkosten der Luma Ultra (UVP: 759 Euro) von knapp 240 Euro gegenüber der Standardvariante plus den knapp 370 Euro für das Pro Neckband rechtfertigen würde.

Wer auf ein ausgereiftes AR-System mit durchdachten Anwendungen hofft, muss Geduld bis mindestens nächstes Jahr mitbringen. Ein vollwertiges Augmented-Reality-Erlebnis wird es wohl erst mit den Veröffentlichungen von Metas Orion oder den Snaps Specs geben – und auch hier dürfte es sich lohnen, die Erwartungen zu zügeln.

(joe)