Warum viele Smartphones mit Riesen-Akkus nicht in Europa erhältlich sind

Smartphone-Akkus werden immer stärker, die maximale Kapazität hat sich nahezu verdoppelt. Doch viele Marathon-Smartphones gibt es nur in Asien zu kaufen.

vorlesen Druckansicht 30 Kommentare lesen

(Bild: iFixIt (Creative Commons BY-NC-SA 3.0))

Lesezeit: 5 Min.

Eine neue Akkutechnik lässt auf dünnere Smartphones und endlich längere Laufzeiten hoffen. Aber die Hersteller zögern, sie für EU-Kunden einzubauen. Wir haben eine ärgerliche und überraschende Ursache dafür ausgemacht.

Denkt man an die alte Zeit der Tastenhandys und Featurephones zurück, werden viele Menschen nostalgisch: Ach, die konnten zwar nichts, aber der Akku hat zwei Wochen lang gehalten! Und heute? Da können moderne Smartphones quasi alles, verlangen aber jeden Abend nach der Rettungsleine an der Steckdose. Nun, von zwei Wochen Laufzeit mit einer Ladung sind wir auch mit den neuesten Akkus noch ein ganzes Stück entfernt, aber ein Trend ist doch zu sehen: Die Kapazität der Stromspeicher steigt, ohne dass die Akkus und damit die Geräte zu fetten Klötzen werden.

Rund um Smartphones

Lange galt ein Smartphone-Akku mit 5000 mAh als mächtig stark. Diese Grenze verschiebt sich nach oben, und zwar rasant. 6000 mAh sieht man bereits häufiger, Geräte wie das Oppo Find X9 Pro protzen mit 7500 mAh. In Asien machte kürzlich das OnePlus Ace 6T mit gar 8300 mAh die Runde, spezialisierte Marken aus der Outdoornische wie Oukitel werben gar schon mit 10.000 mAh.

Vielfach ist eine neue Akkugeneration mit anderen Materialien für die Steigerung verantwortlich. Silizium-Kohlenstoff-Akkus erreichen eine höhere Energiedichte als die bekannten Lithium-Ionen Zellen, fassen also bei gleicher Größe eine höhere Kapazität. Vor allem die chinesischen Hersteller wie Honor, OnePlus, Oppo oder Vivo sind bereits auf diese Akkus umgestiegen. Vor allem bei kleinen Foldables oder besonders dünnen Smartphones, die noch weniger Platz im Gehäuse haben, erscheinen sie als die bessere Wahl.

Die ganz großen Fische im Teich, Apple und Samsung, haben unterdessen noch nicht angebissen. Vor allem Samsung ist seit dem Galaxy Note 7, das in größerer Zahl von Akkubränden heimgesucht wurde, nicht besonders experimentierfreudig in dieser Hinsicht.

Videos by heise

Doch anscheinend geht diese Innovation an Europa vorbei, denn in Europa und speziell in Deutschland kommen wir kaum in den Genuss dieser Akkumonster. Verstärkt geben Hersteller in ihren Spec-Listen zwei Akkugrößen an, eine für den asiatischen oder indischen Markt, eine für die Kundschaft hierzulande. Das Nothing Phone 3 etwa hat in Indien 5500 mAh, in Deutschland nur 5150 mAh. Die europäische Variante des Honor Magic 7 Pro bringt es auf 5270 mAh, in anderen Ländern wird es mit 5850 mAh verkauft. Auch manche Xiaomi- und Vivo-Smartphones zeigen solche Unterschiede.

Der Grund dafür ist in den Transportvorschriften zu suchen und als Konsequenz daraus, in den Transportkosten. In Deutschland und über 50 weiteren Staaten gibt es zwei wichtige Grenzwerte für den Versand von Akkus: 100 Wh und 20 Wh Kapazität. Akkus mit 20 bis 100 Wh Kapazität fallen unter die Klasse 9 der Gefahrgutvorschriften. Für sie ist eine gesicherte Verpackung nach UN-Zertifizierung erforderlich, die Batteriepole müssen gesichert werden, das Personal entsprechend geschult und vieles mehr. Das erhöht die Transportkosten signifikant.

Alles unter 20 Wh, was bei einer Nennspannung von 3,85 Volt einem Wert von 5200 mAh entspricht, fällt unter die Freigrenze und zieht keine höheren Transportkosten durch aufwendigere Verpackung, spezielle Deklarationsvorschriften und Mehraufwand der Versanddienstleister nach sich. Diese 5200 mAh haben sich daher zur gläsernen Decke bei Smartphones entwickelt: Mehr ginge zwar, passiert aber nicht.

Der Clou allerdings: Die Grenzwerte gelten pro Akkuzelle. Das nutzen viele Hersteller mittlerweile clever aus und teilen ihren Akku in zwei oder mehr Zellen auf. Die werden dann getrennt berechnet und machen höhere Gesamtkapazitäten möglich. Die Herstellungskosten steigen dadurch nur geringfügig. So schaffen Oppo, OnePlus, Honor & Co. die höheren Werte. Samsung etwa macht das aktuell nur in den großen Foldables, bei denen der Akku auf beide Gehäusehälften aufgeteilt wird.

Manche Hersteller, etwa Motorola, verwenden trotzdem nur eine große Zelle. Das führt beim Modell g57 Power dazu, dass es aufgrund des 7000-mAh-Akkus durch die höheren Transportkosten nicht bei allen Händlern ins Sortiment aufgenommen wird, etwa bei Mediamarkt und Saturn. Den Vorgänger g56 mit 5200 mAh hatte der Händler noch im Angebot, das aktuelle Modell nicht.

Den Beweis ihrer Langlebigkeit müssen die energetisch potenten Silizium-Kohlenstoff-Akkus noch bringen. Es deutet bislang nichts darauf hin, dass es darum schlechter bestellt sein wird als mit den Lithium-Ionen-Batterien. Man kann die Frage stellen, ob ein halber oder gar ganzer Tag mehr Laufzeit für die Masse der Menschen einen Unterschied macht – denn meist werden sie ihre Schätzchen trotzdem nachts laden, nur halt mit 40 statt 15 Prozent Rest im Akku.

Die Entwicklung schreitet jedoch klar in diese Richtung: Künftige Smartphones haben Silizium-Kohlenstoff-Akkus, wegen der seltsamen Vorschriften in der EU in mehrere Zellen aufgeteilt, und Kunden bekommen dafür längere Laufzeiten – zumindest, wenn immer stärkere Prozessoren und immer hellere Displays diesen Vorteil nicht wieder auffressen. An Silizium-Kohlenstoff-Akkus werden auch Apple und Samsung nicht mehr lange vorbeikommen.

(sht)